Die Homo-Ehe spaltet eine NationFrankreich hinkt bei Gleichstellung hinterher

Paris. Frankreichs Parlamentarier schenken sich nichts

 Hunderttausende Franzosen marschierten im Vorfeld der Parlamentsdebatte durch Paris und forderten eine rechtliche Anerkennung von Homo-Ehen. Foto: Laurent/dpa

Hunderttausende Franzosen marschierten im Vorfeld der Parlamentsdebatte durch Paris und forderten eine rechtliche Anerkennung von Homo-Ehen. Foto: Laurent/dpa

Paris. Frankreichs Parlamentarier schenken sich nichts. Zwei Wochen lang debattieren sie ohne Unterlass, auch nachts und an den Wochenenden, über ein Gesetzesprojekt, das das Land aufwühlt und andere Konflikte wie den Militäreinsatz französischer Soldaten in Mali in den Hintergrund drängt: Präsident François Hollande plant, die "Ehe für alle" einzuführen mit dem Recht für gleichgeschlechtliche Paare auf Ehe und Adoption; in der Praxis würde das wohl in erster Linie die Adoption von Kindern des Partners betreffen.

Mit der Umsetzung seines Wahlversprechens wollte der Sozialist ein Zeichen setzen für ein liberales Frankreich. Doch schlug ihm eine überraschend große Welle der Entrüstung entgegen. Bei einer Protestaktion Mitte Januar mobilisierten die Gegner eigenen Angaben zufolge 800 000 Menschen, die Polizei sprach von 340 000. Hollande empfing daraufhin ihre Vertreter für einen "freundlichen, aber harten" Austausch.

Von seinem Vorhaben will der Präsident aber nicht abweichen. Zumal eine Mehrheit der Franzosen in Umfragen die Homo-Ehe befürwortet. Zurückhaltender sind sie bei der Frage der Adoption. Die Möglichkeit künstlicher Befruchtung für lesbische Frauen lehnen sie überwiegend ab. Sie wird zunächst aus dem Gesetz ausgeklammert.

Die Befürworter der Homo-Ehe, darunter Schwulen- und Lesbenvereinigungen und Politiker der Grünen und Linken, brachten bei ihrer Aktion am vergangenen Sonntag mit zwischen 125 000 (laut Polizei) und 400 000 Personen (laut Veranstalter) deutlich weniger auf die Straße als die Gegner, die mit Unterstützung der katholischen Kirche massive Öffentlichkeitsarbeit betreiben.

Die Frage, wie weit rechtliche Gleichstellung für alle gehen soll oder ob die "Ehe für alle" Ehe gar ein erster Schritt ist hin "zu Pädophilie und Inzest", wie es der Erzbischof von Lyon Philippe Kardinal Barbarin befürchtet, bewegt das Land. Medien nennen sie die wichtigste Debatte seit der Abschaffung der Todesstrafe 1981.

Für die Opposition, die monatelang nur noch durch interne Führungsquerelen von sich reden machte, bietet sie eine willkommene Gelegenheit, die Regierung frontal anzugreifen. Zwar kann sie das Gesetz nicht verhindern, aber die Prozedur verzögern: Mit mehr als 5000 Änderungsanträgen setzt sie sich und ihre Gegner einem Debatten-Marathon bis zur Abstimmung am 12. Februar aus. "Wir sind stolz auf das, was wir machen", erklärte Justizministerin Christiane Taubira zum Auftakt, während draußen Aktivisten Spruchbänder aufrollten, auf denen zu lesen war: "Ein Kind ist kein Recht."

Premierminister Jean-Marc Ayrault sagte, das Gesetz werde nicht die Institution Ehe schwächen, sondern ausweiten und stärken. Die bürgerliche Rechte hält dagegen, eine Reform der seit 1999 möglichen eingetragenen Lebenspartnerschaft wäre besser gewesen als ein Gesetz, das die Franzosen spalte und den natürlichen Geschlechter-Unterschied auslösche. Ein Referendum für eine Frage von so "außergewöhnlicher Wichtigkeit" sei eine politische und moralische Verpflichtung, erklärte der konservative Abgeordnete und frühere Sonderberater von Nicolas Sarkozy, Henri Guaino.

Dem Vorwurf, die Regierung habe die Menschen nicht ausreichend angehört, widersprach gestern eine neue Umfrage: Demnach sagen 72 Prozent der Franzosen, die Debatte dauere schon zu lange.Paris. Die Pläne zur Einführung der Homo-Ehe erregen in Frankreich die Gemüter. Dabei hinkt das Land bei der Gleichstellung von Homosexuellen einigen EU-Ländern hinterher. Genauso wie Deutschland übrigens auch: In der Bundesrepublik gibt die seit 2001 bestehende eingetragene Lebenspartnerschaft homosexuellen Paaren zwar in einigen Bereichen ähnliche Rechte wie Heterosexuellen. Doch bei der Steuer und Adoption von Kindern ist die Gleichstellung nicht erreicht. Anders sieht es in den Niederlanden aus: Als weltweit erstes Land wurde dort 2001 die standesamtliche Ehe auch Homosexuellen zugestanden, mit denselben Rechten und Pflichten wie für Heterosexuelle, darunter auch das Recht auf Adoption. In Belgien haben homosexuelle Paare seit 2006 praktisch dieselben Rechte wie Heterosexuelle. In Spanien sind die Homo-Ehe und auch die Adoption durch homosexuelle Paare seit 2005 erlaubt. Als Vorreiter beim Adoptionsrecht erlaubt Schweden seit 2009 homosexuellen Paaren zu heiraten. afp

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort