"Die Grenze ist verschwunden - die Probleme nicht"

Saarbrücken. "DDR: Blutige Gewalt gegen friedliche Proteste" titelt die Saarbrücker Zeitung am 7. Oktober 1989. Zum 40. Jahrestag der Staatsgründung der DDR hat es friedliche Proteste der Bevölkerung gegeben, die jedoch von der Volkspolizei blutig niedergeschlagen werden

 Der 3. Oktober 1990 vor dem Berliner Reichstag - ein Tag der Freude, auch in der SZ. Foto: dpa

Der 3. Oktober 1990 vor dem Berliner Reichstag - ein Tag der Freude, auch in der SZ. Foto: dpa

Saarbrücken. "DDR: Blutige Gewalt gegen friedliche Proteste" titelt die Saarbrücker Zeitung am 7. Oktober 1989. Zum 40. Jahrestag der Staatsgründung der DDR hat es friedliche Proteste der Bevölkerung gegeben, die jedoch von der Volkspolizei blutig niedergeschlagen werden. Doch die Zeichen der Zeit haben sich geändert: Selbst der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow setzt die DDR öffentlich unter Reformdruck. Als zwei Tage später in Leipzig die ersten Montagsdemonstrationen stattfinden und die Staatsmacht nicht mit Waffen reagiert, ist die Wende eingeleitet. Die SZ berichtet von der "größten nichtstaatlichen Kundgebung seit dem Volksaufstand von 1953".Es dauert gerade mal ein Jahr bis zum Vollzug. Die SZ jubelt am 3. Oktober in einem vierseitigen Spezial: "Die Zeit der Teilung ist unwiderruflich zu Ende." Ministerpräsident Oskar Lafontaine redet vom "Ende der Nachkriegszeit", Bundeskanzler Helmut Kohl will den "Aufbruch in ein blühendes Land". Im Leitartikel tritt die SZ aber schon auf die Euphoriebremse: "Die Grenze ist verschwunden - die Probleme nicht." Die Berichte der Feierlichkeiten und der Glückwünsche aus dem Ausland nehmen noch die gesamte Woche einen Großteil der Berichterstattung in Anspruch. Allerdings gibt es auch Raum für ein paar interessante Randaspekte: Beispielsweise hatte Borussia Dortmund "die letzte Herausforderung durch den DDR-Fußball mit Bravour gemeistert". Der Hintergrund: Das 2:0 des BVB am Abend des 2. Oktober beim Chemnitzer FC in der ersten Runde des Uefa-Pokals war das letzte Spiel einer deutschen Mannschaft gegen eine Mannschaft aus der DDR.

Die Geburtsstunde der V. Französischen Republik unter Charles de Gaulle wird 1958 nur mit wenigen Zeilen erwähnt. Wichtiger erschien damals die zweite Quemoy-Krise, als die USA in den Konflikt zwischen der Republik China und der Volksrepublik China eingriffen.

Bestaunt wurde dagegen ein Jahr zuvor das sowjetische Sputnik-Programm. "Ein künstlicher Mond rast um die Erde" sollte begreiflich machen, dass erstmals ein Satellit die Erde als zweiter Trabant umrundet. Ein Punktsieg für die UdSSR im Wettlauf zum Mond mit den USA.

Am 6. Oktober 1993 erklärte einer der größten Sportler des Planeten seinen Rücktritt. "Das Feuer ist erloschen, der Reiz ist weg, mein Werk ist vollendet", sagte Michael Jordan, der bis heute beste Basketballer. Zuvor hatte er mit den Chicago Bulls drei Titel in Folge in der nordamerikanischen Profiliga NBA gewonnen. Doch die Ermordung seines Vaters machte "His Airness" zu schaffen. "Michael 'Air' Jordan wird nie wieder fliegen", hieß es in der SZ - doch zwei Jahre später kam Jordan schon wieder zurück und gewann drei weitere Titel.

In dieser ersten Oktoberwoche geschah auch Wichtiges aus saarländischer Sicht. Die ersten Landtagswahlen im 1947 festgelegten "Saar-Protektorat" entschied die Christliche Volkspartei (CVP) mit Spitzenkandidat Johannes Hoffmann mit absoluter Mehrheit für sich. "Das Saarvolk hat sich entschieden", titelte die SZ in großen Lettern. Das Fundament zum neuen Saarstaat war gelegt. Zehn Jahre später sollte das Saarland Teil der neuen Bundesrepublik werden. Die Wahlbeteiligung 1947 lag übrigens bei satten 95 Prozent - ein Wert, von dem die Politik heute nur träumen kann.

Ein dunkles Kapitel aus Saarbrücker Sicht ereignete sich am 5. Oktober 1944. Unter dem Titel "Saarbrückens schwerste Stunde" berichtete die SZ über den mit Abstand schwersten Bombenangriff auf die Stadt im Zweiten Weltkrieg - mit einer propagandistischen Trotzreaktion: "Trotz Bombenterror ungebrochen - unsere Mauern mögen brechen, unsere Herzen nicht." Später erinnerte die SZ mehrfach zu den Jahrestagen an die wohl schlimmste Nacht in der Geschichte der Stadt, in der über 350 Menschen starben und etwa 45 000 obdachlos wurden.

Was sonst noch in der Woche vom 3. bis 9. Oktober geschah:

8. Oktober 1967: Che Guevara wird von der bolivianischen Armee festgenommen und am nächsten Tag ohne Gerichtsverhandlung erschossen.

3. Oktober 1969: Eine sozial-liberale Koalition unter Willy Brandt löst die Große Koalition unter Kurt Georg Kiesinger ab.

3. Oktober 1978: Muhammad Ali verkündet seinen Rücktritt vom Boxsport. 1980 versucht er erfolglos ein Comeback.

5. Oktober 2000: Ein Volksaufstand beendet das Regime von Slobodan Milosevic und forciert die Eigenständigkeit Serbiens.

7. Oktober 2000: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gewinnt mit 1:0 im letzten Spiel vor dem Abriss des berühmten Londoner Wembley-Stadions.

saarbruecker-zeitung.de/

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