Die Geister, die er rief

Berlin. Der Dienstag war so ein Tag im politischen Leben von Horst Seehofer, an dem der CSU-Chef mal wieder etwas einfangen musste, was er angeblich gefordert hat. Auf der Klausurtagung der CSU-Spitze am Wochenende soll Seehofer laut Medien hinter verschlossenen Türen gesagt haben: Die Bundesregierung dürfe "jetzt nicht den Griffel fallen lassen"

 Horst Seehofer, hier in Kloster Banz (Oberfranken), forderte in letzter Zeit einiges, was die Kanzlerin verärgert haben dürfte. Foto: dpa

Horst Seehofer, hier in Kloster Banz (Oberfranken), forderte in letzter Zeit einiges, was die Kanzlerin verärgert haben dürfte. Foto: dpa

Berlin. Der Dienstag war so ein Tag im politischen Leben von Horst Seehofer, an dem der CSU-Chef mal wieder etwas einfangen musste, was er angeblich gefordert hat. Auf der Klausurtagung der CSU-Spitze am Wochenende soll Seehofer laut Medien hinter verschlossenen Türen gesagt haben: Die Bundesregierung dürfe "jetzt nicht den Griffel fallen lassen". Das und ein paar andere Sätze wurden gleich als Forderung nach einem dritten Konjunkturpaket verstanden. Gestern trommelte der Bayer also in Berlin Journalisten zusammen, um klarzustellen: "Es gibt keine Debatte um ein neues Konjunkturpaket." Die beiden beschlossenen Programme in Höhe von insgesamt 80 Milliarden Euro müsse man jetzt zunächst "in der Praxis wirken lassen".

Das stimmt. Wo immer man auch in Berliner Koalitionskreisen hinhört, die Devise lautet derzeit: "abwarten". Zum Beispiel fließen laut Finanzministerium jetzt erst die Mittel für die Länder zur Sanierung von Schulen und für Investitionen in die Infrastruktur aus dem zweiten Konjunkturprogramm, weil dafür nun die notwendige Verwaltungsvereinbarung erstellt und von den Ländern unterzeichnet worden ist. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) lehnen jedenfalls momentan eine Diskussion über ein drittes Konjunkturprogramm strikt ab.

Das wiederum ist nicht Seehofers Problem. Der Mann hat in den wenigen Monaten seiner Amtszeit schon einiges forsch gefordert, was die CDU-Vorsitzende Merkel irritiert und verärgert haben dürfte: Er will Volksabstimmungen in Europa, die Wiedereinführung der Eigenheimzulage mit Familienkomponente, die Abkehr vom Gesundheitsfonds oder die Reform der Mehrwertsteuer; dann fordert er die SPD zum Austritt aus der großen Koalition auf, oder er facht den gerade beigelegten Streit um die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach wieder an. Die Liste der Unannehmlichkeiten, die der bayerische Ministerpräsident zum Zwecke der eigenen Profilierung in letzter Zeit serviert hat, ist viel länger. Seehofers Problem ist indes etwas anderes: Die Geister, die der Parteichef mit seiner Abgrenzungs-Strategie und Effekthascherei selbst gerufen hat, wird er nun nicht mehr los. Man traut ihm (fast) alles zu, weshalb er umso häufiger zurückrudern muss.

Seehofers General Alexander Dobrindt umschreibt es so: "Wir haben bewiesen, dass wir die inhaltliche Denkfabrik in den Unionsparteien sind."

Wie hinter vorgehaltener Hand zu hören ist, gehen aber auch in der CSU vielen Inhalt und Form des populistischen Selbstbewusstseins inzwischen zu weit. Und mit der Art seiner angeblich herrischen Führung ist Seehofer so manchem in der Partei schon auf die Füße getreten. Da wird der Chef dann gerne mal unfreiwillig durch gezieltes Durchstechen von Informationen aus Sitzungen in die Bredouille gebracht. Das war im Fall der Strauß-Tochter Monika Hohlmeier so, die er zur Spitzenkandidatin für Europa machen wollte. Selbst wenn es so sein sollte, wie in Berlin spekuliert wird, dass es Seehofer selbst ist, der regelmäßig personelle und inhaltliche Versuchsballone startet, gilt: "Die Glaubwürdigkeit leidet immer", sagt ein Unionist. Der CSU-Vorsitzende sieht das allerdings nicht so: "Es macht richtig Spaß zur Zeit", meinte Seehofer gestern.

Meinung

Nervender Populismus

Von SZ-Korrespondent

Hagen Strauß

Die Liste der Vorschläge ist lang, mit der Horst Seehofer die Schwester CDU, ihre Vorsitzende Angela Merkel und die große Koalition gequält hat. Der Eindruck trügt nicht, dass sich vieles, was irgendwie populär erscheint, auf der Agenda des CSU-Chefs wiederfindet. Seehofer wandelt mit seiner Profilierungs-Strategie auf dem schmalen Grat des politisch Erträglichen.

Sicher, die Bayern waren schon immer bekannt dafür, dass sie streitbar gegenüber der CDU auf ihre Eigenständigkeit pochen. Und gewiss, die Christsozialen müssen bei der Europawahl befürchten, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Aber die CSU war auch stets eine seriöse Staatspartei. Davon ist nicht viel übrig geblieben. Nervender Populismus kann auch Wähler vergrätzen.

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