Die geheime Mission der Skatbrüder in Forbach

Saarbrücken. Als alle anderen Möglichkeiten gescheitert waren, schickte Ministerpräsident Franz Josef Röder seinen besten Mann auf eine geheime Mission. Innenminister Alfred Wilhelm - das war der Plan des christdemokratischen Dauerregenten - solle diskret ausloten, ob die SPD für eine große Koalition zu haben sei

 1976 gratuliert Parteichef Läpple dem frischgebackenen Saarbrücker SPD-Oberbürgermeister Oskar Lafontaine. Foto: Schmidt

1976 gratuliert Parteichef Läpple dem frischgebackenen Saarbrücker SPD-Oberbürgermeister Oskar Lafontaine. Foto: Schmidt

Saarbrücken. Als alle anderen Möglichkeiten gescheitert waren, schickte Ministerpräsident Franz Josef Röder seinen besten Mann auf eine geheime Mission. Innenminister Alfred Wilhelm - das war der Plan des christdemokratischen Dauerregenten - solle diskret ausloten, ob die SPD für eine große Koalition zu haben sei. Das war im Jahr 1976, mehrere Monate nach der Landtagswahl vom Mai 1975, die zu einem Patt zwischen der CDU einerseits und den damals verbündeten Parteien SPD und FDP andererseits (je 25 Sitze im damals 50-köpfigen Parlament) geführt hatte.Die FDP sah sich an ihre Koalitionsaussage zugunsten der Sozialdemokraten gebunden und widerstand Franz Josef Röders Lockversuchen. Da die CDU nicht im Traum an Neuwahlen dachte und auch nicht auf das Angebot der SPD zur Bildung einer Allparteienregierung einging, blieb der Landtag mit 25 zu 25 Stimmen handlungsunfähig - und Röders CDU-Alleinregierung geschäftsführend im Amt.

Zur Lösung dieser verfahrenen Situation schickte Röder also den beliebten Innenminister Alfred Wilhelm zur SPD. Wilhelm sprach seinen Skatbruder Friedel Läpple an, den Partei- und Fraktionschef der Saar-SPD: Ob man nicht einmal unter vier Augen über eine große Koalition sprechen könne?

Reden könne man darüber, entgegnete Läpple aus seiner Erinnerung. "Ich kann das aber nicht alleine entscheiden." Persönlich wollte Läpple, ein selbsterklärter Freund "klarer parlamentarischer Fronten" zwischen den Volksparteien, kein Bündnis mit der CDU. Aber der Parteivorsitzende Willy Brandt und Bundeskanzler Helmut Schmidt hatten ihn mehrfach gedrängt, mit der CDU zu verhandeln. Beide hofften, eine große Koalition an der Saar könne helfen, den tiefen bundespolitischen Graben zwischen der Union und der sozialliberalen Koalition zuzuschütten.

Ohne die Führungsgremien seiner Partei einzuweihen, traf sich Läpple mit Wilhelm hinter der Grenze in einem Hotel in Forbach. "Es sollte ja niemand wissen", sagt Läpple.

Es waren die letzten Sondierungen zur Bildung einer großen Koalition bis zum gestrigen Beginn der CDU/SPD-Gespräche. Ähnlich wie heute habe es 1976 in der CDU "Sympathie" für eine große Koalition gegeben, erinnert sich der damalige Landtagsneuling und spätere CDU-Fraktionschef Günther Schwarz. Und auch damals kamen die Widerstände aus der Sozialdemokratischen Partei.

Als das Treffen in Forbach endete, war Röders Abgesandter Wilhelm nicht viel klüger als vorher. Man vertagte sich, Läpple wollte zunächst die Stimmung in seiner Partei testen. Kurz vor einem Landesparteitag im März 1976 stellte er dazu vor der Presse Gemeinsamkeiten mit der CDU heraus und schloss eine große Koalition nicht aus, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt seien. Doch die Parteibasis stellte sich quer. "Eigentlich wollte niemand die große Koalition", erinnert sich Läpple. Der Parteitag schloss ein Bündnis mit der CDU "kategorisch" aus. Wortführer der radikalen Gegner war übrigens Oskar Lafontaine, den SPD und FDP im Saarbrücker Stadtrat kurz zuvor zum Oberbürgermeister gewählt hatten.

Ohne große Koalition ging die Hängepartie im Landtag zunächst weiter. Im Herbst 1976 zeichnete sich dann aber ab, dass die FDP von der SPD abrückte und eine Koalition mit der Union anstrebte. Um eine schwarz-gelbe Koalition in letzter Minute zu verhindern, wagte Läpple - wieder ohne Absprache mit dem Landesvorstand - ein spektakuläres Manöver: Mitten in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes bot er der CDU an, die SPD könne ihre Regierung tolerieren, wenn sie im Bundesrat Reformen der sozialliberalen Bundesregierung unterstütze. Läpple wollte eine CDU/FDP-Regierung unbedingt verhindern, weil in dem Fall, so seine Befürchtung, die Liberalen der SPD auf Dauer nicht mehr als Partner zur Verfügung stünden. Doch der Landesvorstand stellte sich gegen Läpple.

Als der Parteichef über seine unabgestimmten Vorstöße immer mehr an innerparteilicher Autorität eingebüßt hatte, verdrängte ihn Lafontaine vom Vorsitz der Landes-SPD.

Anders als in der Patt-Situation von 1975/76 ist Läpple, der von 1985 bis 1999 Lafontaines Innenminister war, heute für eine große Koalition - sogar über die nächste Landtagswahl hinaus. Das Saarland müsse "auf Teufel komm' raus sparen", das gehe nun einmal nur mit einer breiten Mehrheit, sagt er. Und ob die CDU oder die SPD die Koalition anführe, das sei "unbedeutend".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort