„Die Fußball-WM der Diplomatie“

New York · Wenn heute Spitzenpolitiker aus aller Welt bei den Vereinten Nationen vorfahren, wird New York zur Weltbühne. Mit zwei Flüchtlingsgipfeln, Geschacher um Syrien und beim Klimaschutz begehen die UN ihre wichtigste Woche des Jahres.

Für die jährliche Großveranstaltung bei den Vereinten Nationen hat UN-Sprecher Stéphane Dujarric gleich eine Reihe von Vergleichen parat: "Es ist die Fußball-WM der Diplomatie , die Oscar-Verleihung der Diplomatie , es ist auch eine interessante Mode-Woche." Über 130 Staats- und Regierungschefs werden ab heute am New Yorker East River erwartet, um mit der UN-Generaldebatte das neue Sitzungsjahr der Weltpolitik einzuläuten.

Es steht viel auf dem Spiel. Mehr als 65 Millionen Menschen sind nach UN-Angaben weltweit auf der Flucht, etwa zwei Drittel davon sind Flüchtlinge im eigenen Land. Die Zahl der Migranten lag vergangenes Jahr bei rund 244 Millionen. Mit gleich zwei Gipfeltreffen rund um Flucht und Migration soll die drängendste Krise global angepackt werden: Heute mit einem breiten UN-Gipfel und morgen - parallel zum Auftakt der Generaldebatte - mit einem vom Gastgeberland USA ausgerichteten Gipfeltreffen zum Thema.

Monatelang haben Diplomaten über die politische Abschlusserklärung gestritten, die beim Gipfel angenommen werden soll. Laut Kritikern ist das nicht-bindende Dokument nur eine Auflistung bestehender Richtlinien zum Umgang mit Flüchtlingen und Migranten. Bei US-Präsident Barack Obamas Gipfel morgen hoffen Beobachter auf konkretere Zusagen. Erklärtes Ziel ist, die Zahl der weltweit umgesiedelten Flüchtlinge zu verdoppeln und die Zahl der Flüchtlingskinder, die Schulen besuchen, und die der Flüchtlinge mit Arbeitsgenehmigungen um je eine Million zu steigern.

Eigentlich war erwartet worden, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU ) persönlich zu Obamas Flüchtlingsgipfel anreist. Sie hatte im Juli erklärkt, dass Deutschland die Co-Gastgeber-Rolle übernimmt und "angesichts des enormen Ausmaßes der Flüchtlingstragödie einen Schwerpunkt auf die humanitäre Dimension" legt. Dann hieß es, Merkel habe keine Zeit. Jetzt vertreten sie Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU ) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD ).

Vor einem Jahr wurde Merkel in New York übrigens dafür bejubelt, dass sie Tausende in Ungarn festsitzende syrische Flüchtlinge unbürokratisch in Deutschland aufnahm. Selbst Diplomaten fotografierten sie. Diesen Hype wird dieser Tage vermutlich eher Ban Ki Moon auslösen, der seinen Posten des UN-Generalsekretärs zum Ende des Jahres abgibt. Während der frühere Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks, der Portugiese Antonio Guterres, bereits als Favorit für die Nachfolge gehandelt wird, versucht Ban, das Pariser Abkommen zum Klimaschutz endlich unter Dach und Fach zu bringen. Damit es in Kraft tritt, müssen es 55 Staaten ratifizieren, die für mindestens 55 Prozent der CO{-2}-Emissionen verantwortlich sind. Von diesem Ziel ist Ban auch nach den jüngsten Beitritten Chinas und der USA noch entfernt.

Offene Baustellen sind zudem: Trotz einer mühsam ausgehandelten Waffenruhe steht in Syrien noch ein weiter Weg bis zum Ende des Bürgerkrieges bevor. Der Nahost-Konflikt wird von der umstrittenen Rhetorik des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu überschattet. Und eine passende, wirklich wirksame Antwort auf die Atomversuche Nordkoreas hat der UN-Sicherheitsrat ebenfalls noch nicht gefunden.

Da mit Ban und Obama zwei der wichtigsten Player vor dem Ende ihrer Amtszeit stehen, hängt der Erfolg dieser Woche auch vom Nachspiel der kommenden Monate ab. Mark Hertfield, Präsident der Hebrew Immigrant Aid Society, meint: Was auch immer in New York geschehe, müsse die "sehr geringe Haltbarkeit" des US-Präsidenten und des UN-Generalsekretärs unbedingt überdauern.

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