Die finsteren Pläne des syrischen Friseurs

Saarbrücken · Kurz vor dem Jahreswechsel schlugen die saarländischen Fahnder zu, überwältigten Hassan A. (38) in seiner Wohnung in Burbach. Er soll der Terrormiliz IS angeboten haben, mit als Streifenwagen getarnten Autos Anschläge zu verüben.

 Zwischen Brillengeschäft und „KabelShop“ ein Ort der Terrors? In diesem Haus in der Bergstraße in Saarbrücken-Burbach wurde der Mann am letzten Tag des Jahres 2016 festgenommen. Hassan A. war unbewaffnet.

Zwischen Brillengeschäft und „KabelShop“ ein Ort der Terrors? In diesem Haus in der Bergstraße in Saarbrücken-Burbach wurde der Mann am letzten Tag des Jahres 2016 festgenommen. Hassan A. war unbewaffnet.

Foto: Becker&Bredel

Hassan A., ein gelernter Friseur aus Damaskus, hat über den Jahreswechsel Polizei und Staatsanwaltschaft im Saarland in Atem gehalten. Der 38-Jährige, der seit August 2016 in einem Zimmer einer Gemeinschaftswohnung in der Bergstraße im Saarbrücker Stadtteil Burbach lebte, soll der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) angeboten haben, Sprengstoffanschläge in deutschen Großstädten und im benachbarten Ausland zu verüben. Per Chat im Nachrichtendienst "Telegram" machte der anerkannte Flüchtling dem IS ein konkretes Finanzierungsangebot. 180 000 Euro kalkulierte er demnach für den Ankauf von acht Fahrzeugen. Diese wollte er als Streifenwagen der Polizei tarnen, mit bis zu 500 Kilo Sprengstoff beladen und in Menschenmengen zur Explosion bringen. Berlin, München, Stuttgart, Essen, Dortmund und Städte in Frankreich , Belgien und den Niederlanden sollen als Anschlagsziele genannt worden sein. Seine Chat-Botschaft an den IS-Kontaktmann A. im syrischen Rakka: Gegen die Zahlung dieser Summe werde er aktiv.

Von diesem Angebot Hassans, der erst im August 2016 aus dem hessischen Frankenberg ins Saarland kam und hier in den nächsten Tagen seinen ersten Deutschkurs absolvieren sollte, erfuhren Staatsanwalt und Polizei am Vorabend des Silvestertages. Ein Informant des Bundeskriminalamtes hatte den entscheidenden Tipp gegeben. Am Abend des 30. Dezember wurde, so berichtete es gestern Hugo Müller, Vizepräsident des Landespolizeipräsidiums, kurz nach Eingang der Alarmmeldung um 19.30 Uhr eine Sonderkommission "Fahrzeug" eingesetzt. Quasi über Nacht schritten die Fahnder zur Tat, lokalisierten und observierten den Tatverdächtigen, überprüften dessen Umfeld und schlugen binnen weniger Stunden gegen vier Uhr am Silvestermorgen zu. Spezialkräfte stürmten die Wohnung in dem viergeschossigen Haus in der Burbacher Bergstraße und überwältigten den Syrer. Auch seine offenbar ahnungslosen Zimmernachbarn wurden dadurch unsanft geweckt. Hassan A. war unbewaffnet. Sprengstoff wurde in seinem karg eingerichteten Zimmer nicht gefunden. Es gibt bislang auch keine Hinweise auf bereits angekaufte Autos oder mögliche Mittäter.

Ein Notizbuch und sein Handy wurden beschlagnahmt. Auf dem Mobiltelefon fanden die Ermittler später den Chat mit dem mutmaßlichen IS-Verbindungsmann, in dem unter anderem vom "heiligen Feldzug" die Rede sein soll. Sogar seine Personalien und ein Foto seiner Wohnung hatte Hassan A. dem IS-Mann geschickt. Hinweise auf möglicherweise bereits an Silvester geplante Anschläge konnten, so Vizepolizeichef Müller, bereits zu einem früheren Zeitpunkt ausgeschlossen werden.

Während der Großteil der 30 eingesetzten Soko-Ermittler den Jahreswechsel wieder im privaten Kreis feiern konnten, verbrachte Hassan A. die Nacht im Polizeigewahrsam. Er wurde am Neujahrsabend dem Dienst habenden Richter vorgeführt, der Haftbefehl wegen "Terrorismusfinanzierung" erließ. Damit begibt sich die saarländische Justiz wohl auf juristisches Neuland. Dem inhaftierten Flüchtling drohen nach Paragraf 89c des Strafgesetzbuches bis zu zehn Jahre Haft. Generalstaatsanwältin Margot Burmeister, die die Ermittlungen an sich gezogen hat und den Generalbundesanwalt über deren Fortgang informiert, sagte gestern im Rahmen einer Pressekonferenz, dass es zu diesem Paragrafen bislang noch keine Rechtsprechung, also keine vergleichbaren Fälle gibt. Sie gehe davon aus, dass der Asylbewerber Vermögenswerte sammelte "mit dem Wissen oder in der Absicht", einen Mord zu begehen und die Bevölkerung einzuschüchtern.

 Nach Angaben von Generalstaatsanwältin Margot Burmeister, hier während der gestrigen Pressekonferenz, war der Syrer Ende 2014 über die Balkanroute nach Deutschland gekommen. Foto: dpa/Dietze

Nach Angaben von Generalstaatsanwältin Margot Burmeister, hier während der gestrigen Pressekonferenz, war der Syrer Ende 2014 über die Balkanroute nach Deutschland gekommen. Foto: dpa/Dietze

Foto: dpa/Dietze

Der Saarbrücker Rechtsanwalt Marius Müller verteidigt den inhaftierten Syrer. Er sagte, er habe sehr wohl Verständnis für die intensiven Ermittlungen der Polizei - gerade vor Silvester . Sein Mandant habe aber ausführlich vor den Beamten der Staatsschutzabteilung und vor dem Haftrichter ausgesagt. Demnach habe er nie einen Anschlag geplant. Das geforderte Geld benötigte Hassan A. angeblich für seinen schwer erkrankten Vater. Als einziger Sohn habe er sich in der Pflicht gesehen, zu helfen. Anwalt Müller kündigte an, Beschwerde gegen den Haftbefehl einzulegen.

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