Die FDP will jetzt ganz solide werdenSteuererhöhungen bleiben tabuDie Union ist sich einig in der Sparpolitik

Berlin. Erst wurde gemeinsam die gelungene Mannschaftsleistung von Klose, Müller und Co. bewundert, danach einen Sonntagabend und einen Montagvormittag lang die eigene begutachtet. Die ist deutlich schlechter, wie FDP-Chef Guido Westerwelle gleich zu Beginn der mit Spannung erwarteten Vorstandsklausur der Liberalen in Berlin einräumte

Berlin. Erst wurde gemeinsam die gelungene Mannschaftsleistung von Klose, Müller und Co. bewundert, danach einen Sonntagabend und einen Montagvormittag lang die eigene begutachtet. Die ist deutlich schlechter, wie FDP-Chef Guido Westerwelle gleich zu Beginn der mit Spannung erwarteten Vorstandsklausur der Liberalen in Berlin einräumte. Zu zögerlich, zu zerstritten, zu wenig überzeugend sei die schwarz-gelbe Koalition gestartet. Konkrete Konsequenzen für die Aufstellung allerdings hat die Analyse des Spielmachers nicht. Niemand von den über 50 anwesenden Vorstandsmitgliedern traute sich, den Vorsitzenden zu kritisieren, so dass der sich nach der Tagung gestärkt sah und zum ersten Mal seit Wochen wieder lächelte. Nur die Spielweise des Teams soll sich ändern. Das Thema Steuersenkungen ist vorerst passé. Selbst wenn es wegen der guten Wirtschaftsentwicklung jetzt doch weniger Schulden gebe, so sei das kein Grund, vom vereinbarten Konsolidierungspfad abzuweichen, sagte Westerwelle. Will heißen: Die FDP will Steuersenkungen auch dann nicht mehr, wenn dafür überraschenderweise das Geld da sein sollte.

Bis vor kurzem hatte Westerwelle wie alle anderen Spitzenliberalen noch unablässig vorgerechnet, dass eine Steuerreform auch bei leeren Kassen möglich, ja sogar notwendig sei. Sie belebe die Wirtschaft und finanziere sich zu einem guten Teil selbst. Nun heißt es vom Vorsitzenden: "Die Euro-Krise hat uns gezeigt, dass die Konsolidierung des Haushaltes jetzt Priorität haben muss." Durch strenges Sparen wolle man sich die Spielräume für spätere Entlastungen erarbeiten. Steuererhöhungen, wie sie von einigen Liberalen kurz vor der Tagung ins Spiel gebracht worden waren, waren auf der Sitzung ebenfalls kein Thema. Man wolle "den Spardruck nicht wegnehmen", sagte der Haushaltspolitiker Otto Fricke. Eine Ausnahme allerdings gibt es: Die ermäßigten Mehrwertsteuersätze sollen von einer Kommission überprüft und dort, wo sie nicht gerechtfertigt sind, abgeschafft werden. Hier gebe es "keinerlei Denkverbote", sagte Westerwelle und meinte damit ausdrücklich auch die von der CSU und der FDP zu Beginn der schwarz-gelben Regierungszeit verringerte Mehrwertsteuer auf Hotel-Übernachtungen. Diese Entscheidung, die intern klar als Fehler benannt wurde, soll offenbar mit der Reform des gesamten Mehrwertsteuersystems wieder einkassiert werden - möglichst noch zu Beginn des Jahres 2011.

Die Klausurtagung mit den Bundesspitzen und Landesfürsten war eine Gelegenheit zum Dampfablassen, weil die FDP auf fünf Prozent in den Umfragen abgestürzt ist. Es gab über 50 Wortmeldungen. Mal wurde der CSU die Schuld an der Misere gegeben, mal der Führungsschwäche der Kanzlerin. Mal wurden eigene Kommunikationsmängel kritisiert oder auch die personelle Ausdünnung der Parteizentrale nach dem Regierungsantritt. Dass sich aber Westerwelle von einem seiner beiden Ämter, Parteivorsitz und Außenminister, trennen möge, das wagte keiner zu fordern. "Etliche haben sich vorher an den Mikrofonen der Journalisten deutlicher geäußert, als in der Sitzung", sagte ein Teilnehmer spöttelnd. "In Westerwelles Anwesenheit waren die alle sehr gesoftet." Gemeint waren der Hesse Jörg-Uwe Hahn und der Schleswig-Holsteiner Wolfgang Kubicki, die sich merklich zurückhielten. Westerwelle selbst sagte zu seiner Rolle: "Wir waren keine Ein-Thema-Partei, wir waren keine Ein-Mann-Partei, und wir werden es auch nicht werden."

Neben Westerwelle wird der neue Generalsekretär Christian Lindner immer stärker. Die Vorträge des 31-jährigen Senkrechtstarters zur Grundsatzprogrammarbeit und zur Reform der Parteizentrale kamen im Vorstand gut an. Beide Projekte soll Lindner leiten. Schon wird in Berlin gemutmaßt, dass Lindner eine Art geschäfsführender Vorsitzender wird, der die reale Arbeit macht, während Westerwelle nur noch repräsentiert. Herr Hartmann, Ihre Partei hat sich auf ihrer Klausurtagung eine Neujustierung der Themen vorgenommen. Wo sehen Sie dringenden Korrektur-Bedarf?

Hartmann: Wir haben Fehler gemacht, besonders am Anfang. Nun geht es vor allem darum, neues Profil zu gewinnen. Was wir in der Tat gut gemacht haben, war die Opel-Rettung, die ohne Staatsgelder über die Bühne gegangen ist. Das trug eine klare liberale Handschrift. In anderen Bereichen ist die liberale Handschrift hingegen noch nicht erkennbar - etwa bei der Steuerpolitik.

Bei der Steuerpolitik scheint sich ja ein Umdenken in der FDP anzubahnen: Da sind inzwischen Stimmen zu hören, die sich eine höhere Steuer für die oberen Einkommen vorstellen können.

Hartmann: Was das betrifft, so sind Frau Leutheusser-Schnarrenberger und Herr Kubicki (FDP-Fraktionsvorsitzender in Schleswig-Holstein, die Red.) allein auf weiter Flur. Mit Steuererhöhungen werden sie sich in der FDP nicht durchsetzen können. Das wäre so, als würde man von den Grünen fordern, für die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken zu sein.

Aber die FDP ist doch auch von ihrer Forderung einer Steuerentlastung weitgehend abgerückt - wenngleich das Thema immer mal wieder auftaucht. Derzeit nach dem Motto: erst sparen, dann entlasten. Glauben Sie tatsächlich noch an Steuersenkungen?

Hartmann: Ja. Auch weil das unser zentrales Wahlversprechen war. Zunächst aber muss das Sparen im Vordergrund stehen. Und wir müssen dafür sorgen, dass Ausnahmetatbestände bei den Steuern gestrichen werden. Gleichzeitig müssen wir die Schaffung eines einfacheren Steuersystems in den Fokus rücken. Dann können wir uns 2012 gegebenenfalls wieder über Steuersenkungen unterhalten.

Zur Neuausrichtung der FDP soll auch mehr Geschlossenheit gehören. Gerade diesen Eindruck hatte man in der Steuerdebatte bei der Klausurtagung nicht. Mehr Abstimmung hatte auch gerade erst Ihr Saar-Fraktionschef Hinschberger gefordert.

Hartmann: Das Ringen um Positionen gehört hinter geschlossene Türen, so halten wir es in der Jamaika-Koalition im Saarland. Da gibt es wirklich hohen Abstimmungsbedarf. Und wenn wir dann zu einem Ergebnis gekommen sind, vertreten wir das auch geschlossen nach außen. Insofern denke ich auch, dass die Außendarstellung gerade der Koalition auf Bundesebene verbessert werden muss. Dieses Sich-gegenseitig-an die-Gurgel-gehen schadet allen.Rüsselsheim. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Fraktionschefs von CDU und CSU wollen trotz einer geringeren Neuverschuldung weiter am eingeschlagenen Sparkurs festhalten. Haushaltskonsolidierung sei kein Selbstzweck. "Das ist Zukunftspolitik", sagte Merkel gestern in Rüsselsheim bei einem Treffen mit den Unions-Fraktionschefs aus Bund und Ländern.

"Wir können uns nur dann mehr leisten, wenn wir an anderer Stelle mehr Spielräume schaffen", sagte der CSU-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, Georg Schmid. Die Fraktionschefs sprachen sich dafür aus, das Verbot der Neuverschuldung nach dem Grundgesetz auch in den Länderverfassungen festzuschreiben.

Merkel berichtete, die Fraktionsvorsitzenden hätten sie auf Abstimmungsprobleme in der Union und mit der FDP angesprochen. Der CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag, Volker Kauder (CDU), mahnte eine größere Geschlossenheit im Regierungslager an. dpa

"Die Euro-Krise hat uns gezeigt, dass die Konsolidierung des Haushaltes jetzt Priorität haben muss."

FDP-Chef

Guido Westerwelle

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