Die Ex-Ministerin, die ihren Titel zurück will

Ginge es um eine Straftat, hätte Annette Schavan (58) schon einen Mord begehen müssen, um dafür 33 Jahre später noch belangt zu werden. Doch das Promotionsrecht kennt keine Verjährung.

Und so kostete der Vorwurf der Schummelei bei ihrer Doktorarbeit, die sie 1980 eingereicht hatte, Schavan mit 33 Jahren Verspätung Titel, Amt und Reputation. Heute, gut ein Jahr nach ihrem Rücktritt und Ausscheiden aus der Bundesregierung, wird Schavans Klage gegen den Entzug des Doktortitels in Düsseldorf vor Gericht verhandelt.

Nach CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg war die CDU-Politikerin Schavan das zweite Kabinettsmitglied, das Kanzlerin Angela Merkel durch eine Plagiats-Affäre verlor. Die Nachricht, dass der Fakultätsrat der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf den Doktorgrad aberkannt hat, erreichte Schavan im Februar 2013 während einer Dienstreise in Südafrika. Nach ihrer Rückkehr und einer Unterredung mit der Kanzlerin, die ihr zuvor mehrfach das "volle Vertrauen" zugesichert hatte, trat Schavan zurück.

Inzwischen ist für die Merkel-Vertraute eine neue Aufgabe gefunden: Die Katholikin soll mit dem Segen der neuen Bundesregierung deutsche Botschafterin im Vatikan werden. Allerdings wird inzwischen öffentlich diskutiert, ob Schavan für dieses Amt ausreichend qualifiziert ist. Der Personalrat des Auswärtigen Amts kritisiert die Berufung der Ex-Bildungsministerin: Schavan fehlten die Eingangsvoraussetzungen für den höheren Auswärtigen Dienst. Außer dem Doktortitel hatte Schavan keinen akademischen Abschluss erworben - damals war das noch möglich.

Das Verwaltungsgericht nimmt sich einen Vormittag Zeit, um über den Fall Schavan zu verhandeln. Mit einer Entscheidung wird bereits heute gerechnet. Schavan müsse nicht persönlich erscheinen, sagte eine Gerichtssprecherin. Sie werde auch nicht kommen, teilte ihre Anwaltskanzlei auf Anfrage mit.

"Person und Gewissen - Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung" lautet der Titel der Doktorarbeit, die Schavan das Prädikat "sehr gut" eintrug. Ihr seien Flüchtigkeitsfehler unterlaufen, aber von einer vorsätzlichen Täuschung könne keine Rede sein, hatte die Politikerin sich verteidigt. Aus der Union wurde sogar ein Komplott gegen die Ministerin unterstellt.

Anonyme Plagiatjäger hatten mit der Webseite "Schavanplag" den Anfang vom Ende Schavans als Wissenschaftsministerin eingeläutet: "Als Muster lässt sich erkennen, dass die Verfasserin oft vorgibt, Primärquellen zu rezipieren, während sie tatsächlich mit leichten Abwandlungen aus der Sekundärliteratur abschreibt, ohne diese zu nennen", so das Resümee. Nach der entscheidenden Gremiensitzung an der Düsseldorfer Uni hatte der Dekan der Philosophischen Fakultät am 5. Februar 2013 eine Erklärung verlesen, in der es unter anderem hieß: "Die Häufung und Konstruktion wörtlicher Übernahmen, auch die Nichterwähnung von Literaturtiteln in Fußnoten oder sogar im Literaturverzeichnis ergeben das Gesamtbild, dass die damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte." Der Fakultätsrat habe den "Tatbestand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat festgestellt".

Schavan selbst sieht sich offenbar aber nach wie vor als Opfer: "Ich muss das auf Distanz halten, aber an meiner Betroffenheit im Innersten hat sich nichts geändert", sagte sie der Zeitung "Sonntag Aktuell". Was geschehen sei, "schadet nicht nur mir, sondern auch der Wissenschaft".

Gelingt nun in Saal 240 die Rehabilitation? Die Entscheidung sei in einem fehlerhaften Verfahren zustande gekommen, und sie sei auch rechtswidrig, hatten Schavans Anwälte argumentiert. Beweisanträge seien übergangen und kein externes Fachgutachten eingeholt worden. Die Uni kann sich allerdings doch auf ein externes Gutachten stützen - es kommt zu dem Ergebnis, dass die Aberkennung des Doktortitels formal einwandfrei gewesen sei.

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HintergrundAn der Universität des Saarlandes sind Plagiatsfälle äußerst selten. So wurde einmal im Fach Empirische Humanwissenschaften im Nachhinein ein Doktortitel aberkannt. Der Fall ereignete sich vor etwa zehn Jahren. Es handelte sich nach Angaben der Uni um eine Aberkennung aufgrund einer Nachlässigkeit. Der betreffende Doktorand hatte demnach in seiner Arbeit eine längere Textpassage von insgesamt zwei Seiten aus einer anderen Arbeit übernommen, ohne dies kenntlich zu machen. Nach Darstellung der Saar-Uni sorgen der in der Regel enge Austausch zwischen Doktoranden und Professoren während der Erstellung von Doktorarbeiten sowie diverse Schulungsprogramme dafür, dass Plagiate praktisch selten vorkommen. Gerade der Fall Guttenberg hätte alle Beteiligten aber noch einmal für das Thema sensibilisiert. Schärferer Regeln habe es nicht bedurft. red

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