Die Bundeswehr verschiebt sich nach Osten

Berlin. Kaum ein Internetangebot dürfte gestern in Deutschlands Landratsämtern und Bürgermeisterstuben so oft aufgerufen worden sein, wie die Website des Verteidigungsministeriums. Ab 10.30 Uhr war dort die Liste der neuen Standorte der Bundeswehr zu sehen - und damit klar, welche Kasernen dichtgemacht werden

Berlin. Kaum ein Internetangebot dürfte gestern in Deutschlands Landratsämtern und Bürgermeisterstuben so oft aufgerufen worden sein, wie die Website des Verteidigungsministeriums. Ab 10.30 Uhr war dort die Liste der neuen Standorte der Bundeswehr zu sehen - und damit klar, welche Kasernen dichtgemacht werden. "Es gab keine Prämie für lautstarken Protest oder Parteibuch", sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zu seinen Entscheidungen. Tatsächlich traf es alle Regionen. Allerdings ist eine leichte Verschiebung der Bundeswehr Richtung Osten erkennbar.31 Standorte werden ganz geschlossen, darunter so große und traditionsreiche wie Sigmaringen in Baden-Württemberg, Fürstenfeldbruck in Bayern oder das rheinland-pfälzische Kusel. Was die Zahl der Standortschließungen angeht, ist Schleswig-Holstein am stärksten betroffen. Dort machen gleich acht Standorte dicht. Auch sinkt in dem Küstenland die Zahl der Dienstposten sehr stark, von 9,2 auf 5,4 je 1000 Einwohner. Bayern gehört mit der Schließung von drei Groß-Standorten und einen Rückgang der Zahl der Dienstposten von 4,1 auf 2,5 je 1000 Einwohner ebenfalls zu den Verlierern. Auch Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind von vielen Schließungen und starken Rückgängen betroffen. Prozentual gesehen verliert das Saarland die meisten Dienstposten, nämlich etwa die Hälfte.

Kein Land bleibt ohne Stellenverlust, was einfach dem Umstand geschuldet ist, dass der Stellenbestand der Bundeswehr insgesamt um 90 000 Dienstposten sinkt, von 330 000 auf 240 000, also fast 30 Prozent. Dabei sind ein Großteil der wegfallenden Dienstposten Wehrpflichtige, die es wegen des Übergangs zur Freiwilligenarmee nicht mehr gibt. In den neuen Ländern sind die Rückgänge weniger dramatisch. Ein Grund dafür ist, dass de Maizière dort wegen der Nähe zur Hauptstadt Berlin viele Inspekteure und ihre Führungsstäbe konzentriert. So wird das Flottenkommando in Glücksburg aufgelöst und zieht nach Rostock. Die Spitze des Heeres geht von Koblenz ins brandenburgische Strausberg bei Berlin, die Luftwaffen-Chefs ziehen nach Berlin-Gatow. Nur die Leitung der Streitkräftebasis und des zentralen Sanitätsdienstes bleiben im Westen, in Bonn und Koblenz. Größere Änderungen werde es nun nicht mehr geben. "Der Sack ist zu", sagte de Maizière.

Die letzten Einzelentscheidungen fielen noch am Dienstagabend. De Maizière telefonierte teilweise mehrfach mit allen Ministerpräsidenten der Länder und mit den Fraktionschefs im Bundestag. Offene Proteste gab es nicht, allerdings äußerten mehrere Regierungschefs, so der Rheinland-Pfälzer Kurt Beck (SPD) und der Bayer Horst Seehofer (CSU), die Erwartung, dass der Bund den betroffenen Kommunen und Soldaten nun finanziell helfe, den Umbruch zu bewältigen. Das forderten auch der Bundeswehrverband und viele Wahlkreisabgeordnete.

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