Interview Gerhard Schick (Grüne) „Die Bundesregierung muss bei Betriebsrenten handeln“

Berlin · Wegen der finanziellen Schieflage bei Pensionskassen sieht der grüne Finanzexperte die Groko in der Pflicht. Die habe das Problem zu lange ignoriert.

Die Finanzaufsicht Bafin – eine Kontrollbehörde, die dem Bundesfinanzministerium unterstellt ist – schlägt Alarm: Wegen des anhaltenden Zinstiefs drohen vielen Bundesbürgern Abstriche bei ihrer betrieblichen Altersvorsorge. Was tun? Besser informieren und seitens der Bundesregierung gegensteuern, findet der Finanzexperte der Grünen, Gerhard Schick.

Herr Schick, wie akut ist das Problem mit den Betriebsrenten?

SCHICK Wenn sich die Bafin nach eigenen Angaben um jede dritte Pensionskasse Sorgen macht, dann ist die Lage schon sehr ernst. Immerhin haben die Pensionskassen insgesamt 165 Milliarden Euro eingesammelt. Da geht es um viel Geld für viele Menschen und Unternehmen.

Die Bafin verschweigt aber die Namen der in Schieflage geratenen Pensionskassen. Ärgert Sie das?

SCHICK Es gibt Pensionskassen, die schon in den vergangenen Jahren wegen des Zinstiefs Kürzungen auf zukünftige Beiträge vorgenommen haben. Darüber wurden die Betroffenen auch informiert. Die Kassen sind dank einer Kleinen Anfrage von uns auch bekannt. Aber die Versicherten, denen das in nächster Zeit blüht, wissen davon heute noch nichts. Ich habe Verständnis, dass die Bafin nicht gleich an die Öffentlichkeit geht, wann immer sie ihre Aktivitäten bei der Aufsicht verstärkt. Aber mehr Transparenz wäre dringend angebracht, schließlich geht es um einen wichtigen Baustein der Altersvorsorge vieler Personen.

Wie ist mehr Transparenz zu erreichen?

SCHICK Wer sich darüber ein Bild machen will, wie es dem eigenen Lebensversicherungsunternehmen oder bestimmten Pensionskassen geht, der stößt heute auf verschiedenste Informationen von privaten Anbietern, die bei einem Laien oft für mehr Verwirrung statt Klarheit sorgen. Deshalb brauchen wir Regeln, um diese Informationen zu standardisieren, also vergleichbar zu machen. Auch bei der Bafin ist hier sicher noch Luft nach oben.

Von der Bundesregierung wird die Betriebsrente als eine tragende Säule der Altersvorsorge angepriesen. Droht die jetzt zu kippen?

SCHICK Fakt ist, dass die Finanzkrise, die vor zehn Jahren mit den Banken begann, jetzt in der betrieblichen Altersvorsorge ankommt. Abgezeichnet hatte sich das schon länger. Trotzdem wurden diese Schwierigkeiten bei der Reformdiskussion über die Betriebsrente im vergangenen Jahr von der damals zuständigen Ministerin Andrea Nahles weitgehend ausgeblendet. Stattdessen machte sie auf schönes Wetter.

Wie soll es nun weitergehen?

SCHICK Die Bafin drängt zwar die Arbeitgeber, Geld nachzuschießen. Aber sie kann sie nicht zwingen. Nicht alle Pensionskassen sind zudem Teil einer Sicherungseinrichtung und die Arbeitgeberhaftung ist begrenzt, insbesondere was Zusatzbeiträge der Versicherten anbelangt. Es steht also zu befürchten, dass zehntausenden Kunden noch gravierendere Kürzungen bevorstehen.

Und dagegen lässt sich überhaupt nichts tun?

SCHICK Solche Kürzungen müssen letztlich von der Bafin genehmigt werden. Das heißt, sie kann Bedingungen stellen. Nur eine Plausibilitätsprüfung ist mir da zu wenig. Wenn es darum geht, dass die Leute weniger Geld für ihre Altersversorgung bekommen, als ihnen versprochen wurde, dann muss die Bundesregierung alle Möglichkeiten ausschöpfen, um eine faire Lastenteilung zu erreichen.

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