Die Botschaft muss eindeutig sein

Nach monatelangem Zögern ziehen die USA inzwischen ein militärisches Eingreifen im Syrien-Konflikt in Betracht. Aus der Sicht von Präsident Barack Obama muss eine Intervention zwei Kriterien gleichzeitig erfüllen.

Einerseits soll ein Angriff die militärischen Fähigkeiten der Führung in Damaskus schwächen und Präsident Baschar al-Assad nach dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz vor einigen Tagen eine unmissverständliche Botschaft senden. Andererseits will Obama unter allen Umständen vermeiden, dass die USA in einen neuen Krieg im Nahen Osten gezogen werden. Diese beiden Leitlinien bilden den Korridor für die militärischen Optionen der Supermacht, die derzeit beraten werden. Eine Einsatz-Form dürfte deshalb von vornherein ausgeschlossen sein: Eine massive Entsendung amerikanischer Bodentruppen, die in Syrien die Kontrolle über Teile des Staatsgebietes übernehmen könnten, wird es wohl nicht geben. Denn dies würde auf eine langwierige, gefährliche und sehr teure Operation hinauslaufen, die zudem eine Ausweitung des Krieges mit sich bringen könnte. Bei dem Konflikt in Syrien mischen bereits der Iran, die libanesische Hisbollah und das Terrornetzwerk Al-Kaida mit.

Unwahrscheinlich ist auch eine US-Aktion zur dauerhaften Einrichtung von militärisch gesicherten Schutzzonen auf syrischem Gebiet. Die Türkei und die syrische Opposition fordern solche innersyrischen Rückzugsräume für Bürgerkriegsflüchtlinge und Deserteure der syrischen Armee schon seit langem. Doch würde ein solcher Schritt ein UN-Mandat erfordern, das wegen der Parteinahme Russlands für Präsident Assad nicht zustande kommt.

Auch wenn eine Schutzzone oder eine Invasion wie im Golf-Krieg gegen Saddam Hussein vor zehn Jahren ausgeschlossen erscheinen, dürften sich Mitglieder von US-Spezialeinheiten dennoch bereits in Syrien aufhalten. Nach Presseberichten verlautete aus amerikanischen Regierungskreisen, dass die Ziele eines möglichen US-Angriffs - Militäreinrichtungen und wichtige Regierungsgebäude - bereits exakt geortet seien. Das legt nahe, dass Fernspäher-Einheiten, die auf sich gestellt Informationen sammeln und an die US-Planer weitergeben, bereits in Syrien sind.

Da der massive Bodentruppen-Einsatz nicht in Frage kommt, bleibt den USA noch die Option von militärischen Angriffen aus der Luft. Dafür hat das hochmoderne US-Militär mehrere Möglichkeiten. Die amerikanischen Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer, deren Zahl derzeit von drei auf vier erhöht wird, verfügen über Marschflugkörper vom Typ Tomahawk, die bereits vor zwei Jahren zur Unterstützung des Aufstandes gegen Muammar al-Gaddafi in Libyen eingesetzt wurden. Die Tomahawks haben eine Reichweite von 2500 Kilometern und können von See aus syrische Artilleriestellungen, Giftgasfabriken, Befehlszentralen und Regierungseinrichtungen zerstören.

Möglich sind auch Angriffe mit Kampfflugzeugen wie im Kosovo-Krieg 1999. Die amerikanischen Jets könnten unter anderem von der Luftwaffenbasis Incirlik in der Türkei aus starten, die nur etwa 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt liegt. Auch beim syrischen südlichen Nachbarn Jordanien sind US-Kampfjets stationiert.

Ein Einsatz der im Süden der Türkei aufgestellten Patriot-Raketenabwehrsysteme der Bundeswehr, der US-Armee und der Niederlande ist dagegen wenig wahrscheinlich. Die NATO hatte bei der Stationierungsentscheidung Ende vergangenen Jahres mehrfach den rein defensiven Charakter der Mission betont. Allerdings könnten die Patriots zum Einsatz kommen, wenn die Syrer ihre C-Waffen-Raketen in Richtung Türkei abschießen sollten.

Ob Schläge durch seegestützte Tomahawks, ein Bombardement durch Kampfflugzeuge oder eine Mischung aus beiden Instrumenten - eine mögliche US-Militäraktion gegen Assad wird klare zeitliche und operationelle Grenzen haben. Ein Sturz des syrischen Präsidenten wird aller Wahrscheinlichkeit nach weit außerhalb dieser Grenzen liegen. Dagegen sind die Zerstörung syrischer Raketenrampen und -depots, Angriffe auf den syrischen Präsidentenpalast und auf Leitzentren von Armee und Geheimdienst sowie eine Lähmung der Luftabwehr zum Schutz angreifender US-Jets zu erwarten.

Ganz alleine wollen die USA zudem nicht handeln. In den kommenden Tagen trifft sich US-Generalstabschef Martin Dempsey mit seinen Kollegen aus Deutschland, der Türkei, Saudi-Arabien, Katar, Jordanien, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada in der jordanischen Hauptstadt Amman. Alle vertretenen Länder gehören zu den Gegnern Assads und zu den Unterstützern der syrischen Opposition. Bei dem Treffen dürfte es um etwaige Beiträge der US-Verbündeten zu einer Intervention und um mögliche Folgen für syrische Nachbarn wie Jordanien und die Türkei gehen.

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