Die blonde Göttin

Im Scheinwerferlicht gleicht die Blondine in ihrem hautengen Kleid aus schimmerndem Silber einer Mondgöttin. "Happy birthday, Mr. President", haucht sie im Madison Square Garden von New York ins Mikrofon, unschuldig und lasziv zugleich. Und auch beim naivsten Zuschauer dieses legendären Auftrittes steigen Fragen auf: Gilt dieses schmachtende Geburtstagsständchen am 19

 Vor ihrer Verwandlung in eine blonde Sex-Göttin war Marilyn Monroe brünett. Foto: dpa

Vor ihrer Verwandlung in eine blonde Sex-Göttin war Marilyn Monroe brünett. Foto: dpa

Im Scheinwerferlicht gleicht die Blondine in ihrem hautengen Kleid aus schimmerndem Silber einer Mondgöttin. "Happy birthday, Mr. President", haucht sie im Madison Square Garden von New York ins Mikrofon, unschuldig und lasziv zugleich. Und auch beim naivsten Zuschauer dieses legendären Auftrittes steigen Fragen auf: Gilt dieses schmachtende Geburtstagsständchen am 19. Mai 1962 nur dem Präsidenten? Oder vor allem dem gut aussehenden, charmanten Mann John F. Kennedy?Auch heute, zum 50. Todestag von Marilyn Monroe, üben ihr Leben und ihre Affären eine unwiderstehliche Faszination aus. Die Tragik ihres frühen Todes in der Nacht zum 5. August 1962 sorgt immer noch für Spekulationen, weil in der Sterbeurkunde der Gerichtsmediziner von Los Angeles "wahrscheinlich Suizid" notierte - verursacht durch eine tödliche Dosis von Schlaf- und Beruhigungsmitteln.

Wählte sie im Alter von nur 36 Jahren auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes tatsächlich den Freitod? Oder hatten etwa finstere Mächte wie der US-Geheimdienst CIA die Hände im Spiel? Allein, diese Gerüchte trugen zu ihrem Mythos bei - und ihre größten Filmerfolge ("Manche mögen's heiß", "Blondinen bevorzugt") werden im Fernsehen nach wie vor in schöner Regelmäßigkeit ausgestrahlt. Klassiker, die vor vielen im Schnellverfahren zusammengeschusterten Streifen von heute lässig bestehen.

Ob von Elton John besungen, von Andy Warhol in psychedelischen Farben gedruckt, oder in Kodakcolor auf Celluloid - Marilyn Monroe ist weltbekannt, eine eigenständige Marke. Sie steht weiter für Glamour, ungebremsten Sex-Appeal und Ruhm. Die Stadt Chicago hat ihr sogar vor einem Jahr das wohl am schärfsten debattierte Denkmal gesetzt, das man sich vorstellen kann: eine über acht Meter hohe Statue an der Luxus-Flaniermeile Michigan Avenue. Das Denkmal basiert auf der berühmten Szene aus "Das verflixte siebte Jahr" und zeigt Marilyn mit dem weit hoch gewehten Rock - trefflich passend zum "Windy City"-Spitznamen der Stadt.

Seit der Installation dieses Werks von S. Steward Johnson zerreißen sich die Kritiker die Mäuler. Richard Roeper, Kulturjournalist der "Chicago Sun Times", findet, dass die so exponierte Schauspielerin eine Wirkung ausübe, die die Bürger am Ende schlecht aussehen lasse: "Wir beäugen die super kitschige Statue, stieren ihr unter den Rock und lecken ihr auch schon einmal die Beine."

Doch vor der strahlenden Blondine, da war die naturgelockte Brünette mit den dicken Augenbrauen und ein paar Pfunden zu viel. Eben Norma Jeane Baker, so ihr bürgerlicher Name, ein typisches Kind vom Land. "MM", die Sex-Göttin, kam erst nach der Hollywood-Mühle mit Maskenbildnern, Schauspielunterricht, Gymnastik und jeder Menge Wasserstoff-Peroxid. Sie war nicht das einzige erfolgreiche Kunstgeschöpf Hollywoods dieser Zeit. Grace Kelly und Doris Day leuchteten ebenfalls silber- bis goldblond von der Leinwand auf das Publikum hinunter.

Was war der Unterschied? Warum stand Marilyn Monroe trotz vieler Gemeinsamkeiten mit diesen Kolleginnen abseits? Grace Kelly wurde immer mit "Klasse" gleichgesetzt, egal welche Rolle sie nun spielte. Sie hätte sich niemals auch nur einen Fingernagel eingerissen aus Versehen. Und Doris Day - die sang, tanzte und war ein echter Kumpel, eine Freundin fürs Leben.

Marilyn Monroe klebte man das Etikett "ewiges Dummchen" an. Sie war die aufregende Sex-Bombe, die eine große Oberweite, aber keinen Intellekt hatte. Sie durfte naiv durchs Leben stolpern und sich ganz offen dazu bekennen, dass ihr der Sinn nach Ruhm, Diamanten und Millionären stand.

Vielleicht ist es diese Mischung aus Unbedarftheit, offener Gier nach mehr und dem bezaubernden Aussehen, die Marilyn Monroe bei Männern wie Frauen gleichermaßen beliebt gemacht hat. Niemand kam jedenfalls damals auf die Idee, sie als erste gesellschaftliche Goldgräberin zu klassifizieren.

Die nie verstummten und nie endgültig bewiesenen Gerüchte um ihre intime Beziehung zum später ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy und womöglich auch zu seinem Bruder und Justizminister Robert ließen sie in noch intensiverem, geheimnisvollerem Licht erscheinen.

"JFK" hatte nun wirklich alles, was sich eine Frau damals insgeheim nur wünschen konnte. Wenn Marilyn also schwach wurde, konnte man das nachvollziehen, auch als weibliches Wesen. Und die Männer, die verloren sowieso den Verstand, wenn sie nur an "MM" dachten: die Personifizierung eines geheimen Traumes. Betörend schön, kurvenreich, scheinbar willig und sicher leicht im Zaum zu halten. Eine echte Trophäe. Das macht bis heute für beide Geschlechter die gesellschaftliche Faszination der Monroe aus.

Wer sie wirklich war, wusste vielleicht noch nicht einmal Marilyn selbst. In scheinbar unbeobachteten Kamera-Momenten wirkte sie häufig unsicher oder traurig. US-Psychologe John Johnson meint dazu: "Sie war eine so talentierte Schauspielerin. Doch die Tabletten und Depressionen - es war einfach alles zu viel für sie."

Karla Lewis, eine auf Trau- und Verlobungsringe spezialisierte Juwelierin aus Chicago, ließ sich von Marilyns Lied "Diamanten sind die besten Freunde" zur Namensgebung für ihr Unternehmen ("Best Friends, Diamonds & Gems") inspirieren. "Dieses Lied kennt jeder, und Diamanten sind mein Geschäft. Marilyn ist sozusagen mein inoffizielles Maskottchen", sagt Lewis. Die Monroe lebt also weiter - unter anderem als Marketing-Instrument.

Sie war das begehrteste Glamour-Girl der fünfziger Jahre. Und es wäre schön gewesen, hätten ihr Sinn für Situationskomik und ihre atemlose Stimme noch lange Jahre auf Film und Leinwand gebannt werden können. Vielleicht hätten ihr Manager, Direktoren und Fans eine Weiterentwicklung zur unabhängigen, selbstbewussten Frau im Privatleben zugestanden. Oder aber Marilyn Monroe wäre, wie zahlreiche andere Hollywood-Divas, zur Karikatur ihrer selbst geworden: Geliftet, gestrafft, mit aufgepumpten Lippen und in Leopardenleggins, krampfhaft an einer vergangenen Jugend festhaltend. Wir werden das nie wissen. "Hollywood ist ein Ort, wo sie dir 1000 Dollar für einen Kuss geben, aber nur 50 Cents für deine Seele."

Marilyn Monroe

in einem Interview

"Aus Marilyn Monroe eine

gute Leistung herauszuholen, ist so schwer wie Zähne ziehen."

Regisseur Billy Wilder

"Als Sex-Symbol hat man eine schwere Last zu tragen. Vor allem, wenn man müde, verletzt und enttäuscht ist."

Marilyn Monroe

in einer privaten Notiz

"Wer will nicht

bis in alle Ewigkeit neben Marilyn liegen?"

"Playboy"-Gründer Hugh Hefner nach dem Kauf der Grabstelle neben Monroe

"Verdammt, ich wünschte, ich wäre tot - gar nicht vorhanden - fort von hier."

Marilyn Monroe

in einem Gedicht

Hintergrund

Das Leben von Marilyn Monroe glich einem Hollywood-Film. Der Aufstieg zum umjubelten Star, die gescheiterte Suche nach privatem Glück und der frühe Tod mit nur 36 Jahren schufen die Basis für eine Legende:

1926: Am 1. Juni als Norma Jeane Mortenson in Los Angeles geboren. Getauft am 6. Dezember auf den Namen Norma Jean Baker. Der Vater - offiziell unbekannt - war wohl Stanley Gifford, ein Arbeitskollege ihrer Mutter. Das Mädchen wächst bei Pflegeeltern und im Heim auf.

1942: erste Hochzeit als 16-Jährige mit dem Mechaniker James Dougherty, Scheidung nur zwei Jahre später.

1946: Nach erfolgreicher Arbeit als Model erste Filmrollen. Sie nimmt den Künstlernamen Marilyn Monroe an.

1953: Monroe erscheint auf der Titelseite des ersten "Playboy"-Magazins.

1954: Durchbruch mit "Blondinen bevorzugt". Hochzeit mit Baseballspieler Joe Di Maggio, die Ehe hielt zehn Monate.

1955: Großer Erfolg mit "Das verflixte siebte Jahr".

1956: Hochzeit mit dem Schriftsteller Arthur Miller, Scheidung nach fünf Jahren.

1959: Höhepunkt ihrer Laufbahn mit "Manche mögen's heiß".

1962: Am 5. August wird Monroe tot aufgefunden, wahrscheinlich starb sie an einer Überdosis Schlaftabletten. dpa

Auf einen Blick

Zu ihrem 50. Todestag ehrt das Fernsehen Marilyn Monroe. Hier sind die Dokus und Klassiker mit "MM" zu sehen:

4. August: "Marilyns letzte Sitzung", Dokumentarfilm, Arte, 20.15 Uhr bis 21.45 Uhr.

5. August: "Bert Stern - The Man Who Shot Marilyn", Dokumentarfilm, Arte, 16.55 Uhr bis 18.25 Uhr.

"Fluss ohne Wiederkehr", Abenteuerfilm, Bayerisches Fernsehen (BR), 22 Uhr bis 23.25 Uhr. "Marilyn Monroe - Ich möchte geliebt werden", Dokumentarfilm, BR, 23.25 Uhr bis 0.55 Uhr.

"Manche mögen's heiß", Komödie, ARD, 0 Uhr bis 2 Uhr.

 In der legendären Szene aus dem Film "Das verflixte siebte Jahr" wird Marilyn Monroes Rock nach oben geweht. Foto: interfoto

In der legendären Szene aus dem Film "Das verflixte siebte Jahr" wird Marilyn Monroes Rock nach oben geweht. Foto: interfoto

 Vor ihrer Verwandlung in eine blonde Sex-Göttin war Marilyn Monroe brünett. Foto: dpa

Vor ihrer Verwandlung in eine blonde Sex-Göttin war Marilyn Monroe brünett. Foto: dpa

 In der legendären Szene aus dem Film "Das verflixte siebte Jahr" wird Marilyn Monroes Rock nach oben geweht. Foto: interfoto

In der legendären Szene aus dem Film "Das verflixte siebte Jahr" wird Marilyn Monroes Rock nach oben geweht. Foto: interfoto

12. August: "Liebling,ich werde jünger", Komödie, 3sat, 17.35 Uhr bis 19.05 Uhr. "Das verflixte siebte Jahr", 3sat, Komödie, 20 Uhr bis 22 Uhr. "Niagara", Melodrama, 3sat, 22 Uhr bis 23.25 Uhr. dpa

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