Die Beschneidung und das Gesetz

Berlin. Gleich mehrfach hatte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag betont, dass eine rechtliche Regelung der religiös motivierten Beschneidung von Jungen "dringend" erfolgen müsse und "nicht auf die lange Bank" geschoben werden dürfe. Doch die zuständige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) dämpfte inzwischen die Erwartungen an das Tempo

Berlin. Gleich mehrfach hatte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag betont, dass eine rechtliche Regelung der religiös motivierten Beschneidung von Jungen "dringend" erfolgen müsse und "nicht auf die lange Bank" geschoben werden dürfe. Doch die zuständige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) dämpfte inzwischen die Erwartungen an das Tempo. Mit einem Schnellschuss sei niemandem gedient, sagte sie gestern. Hintergrund: Die Rechtslage ist schwierig.Laut Justizministerium gilt es drei gleich hohe Rechtsgüter abzuwägen: Das Recht auf Religionsfreiheit, auf das Juden und Muslime pochen, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das jedem, auch dem Kind, zusteht, und das Elternrecht. Alle drei sind Grundrechte. Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Regierungssprecher ist die Abwägung offenbar gelaufen. Seibert ergänzte in der gestrigen Regierungspressekonferenz die Auflistung der drei Rechtsgüter durch eine Sprecherin des Justizministeriums kurz angebunden mit der Bemerkung: "Und bei dieser Abwägung ist man bei uns seit Jahrhunderten zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beschneidung akzeptabel ist". Die Kanzlerin wiederum sagte dem Vernehmen nach etwa zur gleichen Zeit in der CDU-Vorstandssitzung, sie wolle nicht, dass Deutschland das einzige Land auf der Welt sei, in dem Juden ihre Riten nicht ausüben könnten. "Wir machen uns ja zur Komikernation."

Doch Leutheusser-Schnarrenberger ist vorsichtiger. Man könne nicht einfach sagen, jeder religiös motivierte Eingriff sei immer erlaubt. Das könne Ausweitungen haben, die niemand wolle, etwa eine Rechtfertigung auch für die Genitalverstümmelung von Mädchen. Auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU) will eine Beschneidung von Mädchen rechtssicher ausgeschlossen wissen. Außerdem wies sie darauf hin, dass die körperliche Unversehrtheit der Kinder ein "sehr hohes Gut" sei. Man müsse sich daher "sehr intensiv" mit der Frage der Betäubung befassen.

Nach Angaben des Justizministeriums werden derzeit verschiedene Lösungswege geprüft. Einen hatte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ins Spiel gebracht, nämlich eine Regelung im neuen Patientenschutzgesetz, das derzeit ohnehin in der Beratung ist. Dort werden Informationspflichten der Ärzte und Einwilligungsrechte der Patienten geregelt. Hier könnte eingefügt werden, dass Eltern für ihre männlichen Kinder einer Entfernung der Vorhaut zustimmen können. Notwendig wäre dann allerdings auch eine Regelung im Sorgerecht. Möglicherweise ist außerdem eine Klarstellung im Strafrecht erforderlich. Denn die Rechtsprechung sieht derzeit jeden nicht unerheblichen ärztlichen Eingriff prinzipiell als Körperverletzung an - es sei denn er ist notwendig und es liegt die Zustimmung des Betroffenen oder eine Notsituation vor.

Auf Kritik aus den Reihen der CDU stieß der Lösungsvorschlag des CSU-Rechtspolitikers Thomas Silberhorn, die Beschneidung wie die Abtreibung grundsätzlich zwar zu verbieten, aber straffrei zu stellen. Das sei, meinte der saarländische CDU-Generalsekretär Roland Theis "unüberlegt" und "geschmacklos". "Ein bloßes Straffreistellen - wie Silberhorn es fordert - halte ich für verfassungsrechtlich abwegig", sagte Theis. "Ich würde mir wünschen, dass Herr Silberhorn diese unüberlegte Parallele zurückzieht. Das Signal an gläubige Juden, dass wir ihre Religionsausübung rechtlich wie die Tötung ungeborenen Lebens betrachten, darf nicht so stehen bleiben", so der Saar-Politiker.

Die Rechtslage wird im Hause Leutheusser-Schnarrenberger nun sorgfältig geprüft, und das dauert. Um den Religionsgemeinschaften ein schnelles Signal zu geben, dass ihre Bräuche in Deutschland weiterhin respektiert sind, ist nun geplant, den Bundestag am Donnerstag bei seiner Sondersitzung anlässlich des Rettungspaketes eine Entschließung zur Beschneidung verabschieden zu lassen.Foto: Hitij/dapd

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