„Die Angst steigt mit dem Pegel des Wassers“

Halle/Meißen · Die Menschen an Elbe und Saale erleben das schlimmste Hochwasser seit Jahrhunderten. Auch Bundespräsident Gauck war bei seinem Besuch sichtlich erschüttert. Vor allem aber wollte er den Menschen Mut machen.

Bundespräsident Joachim Gauck ist die tiefe Betroffenheit anzusehen. Wer weit weg wohne, könne sich das alles gar nicht vorstellen, sagt er gestern bei seinem Besuch im Hochwassergebiet an Elbe und Saale. "Unglaublich." Er schüttelt zum Dank freiwilligen Helfern, Feuerwehrleuten und den weiteren stillen Helden der Flut fest die Hand. "Man kann sich nicht vorstellen, was da zu bewältigen ist." Er sei aber auch zuversichtlich und vertraue auf den weiteren Zusammenhalt der Menschen in der Not, sagte der Bundespräsident.

"Deutschland ist ein solidarisches Land", betont er in Halle an der Saale. Diejenigen, die nicht überlegen müssten, wenn sie eine teure Flasche Wein aufmachen, sollten auch für andere ihre Herzen und Geldbörsen öffnen. "Wir werden es schaffen, die zerstörten Gebiete wieder aufzubauen."

Allein in Halle, der mit rund 230 000 Einwohnern größten Stadt Sachsen-Anhalts, hatte die Saale zwischenzeitlich einen Rekordstand von mehr als acht Metern erreicht. Der Fluss war so hoch wie seit 400 Jahren nicht mehr.

"Die Angst stieg wie der Pegel des Wassers", sagt Pfarrer Johann Schneider bei einem Gottesdienst, an dem auch Gauck teilnimmt. Wenig später schildert die zweifache Mutter Nicole Voß dem Bundespräsidenten den vergeblichen Kampf zahlreicher Helfer gegen die unerbittliche Flut. Sie musste miterleben, wie die gerade erst vor zwei Jahren neu aufgebaute Kindertagesstätte den Wassermassen zum Opfer fiel. Manche kämpften über ihre Kräfte. Einen Mann kostete seine unermüdliche Hilfe beim Sandsackfüllen das Leben.

Laut dröhnen unterdessen die Pumpen. Feuerwehrleute stehen mit Gummihosen im Wasser und versuchen, den Schlamm zu beseitigen. Und die Gefahr sei noch lange nicht vorbei, warnt Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) mit Hinweis auf die seit Tagen durchnässten Deiche. Mit dem Bundespräsidenten läuft Wiegand vorbei an Bergen von Hausrat.

Gaucks Lebensgefährtin Daniela Schadt versucht, wenigstens etwas zu trösten. Einen Blumenstrauß mit Pfingstrosen, wie sie jetzt eigentlich auch in den überschwemmten Gärten in Halle blühen sollten, hat sie mitgebracht. "Dass der Bundespräsident gekommen ist, das ist uns ein großer Trost", sagt die Leiterin der evangelischen Kindertagesstätte St. Georgen, Kerstin Jüngel. Dies meine sie ganz ehrlich, denn Geld für den Wiederaufbau sei das eine. "Wichtig ist es auch, die Menschen zu trösten und ihnen Mut zu machen, dass sie nicht aufgeben, auch wenn das Wasser wieder weg ist."

Gauck und Schadt fliegen dann weiter ins sächsische Meißen. Der Blick von oben auf das Flutgebiet sei erschütternd gewesen, erzählt er nach der Landung. Die 2000 Einwohner, die sich vor dem Wasser retten mussten, schrubben Stunde um Stunde den Schlamm von den Straßen und räumen Sandsäcke weg.

Dicht umringt von Journalisten läuft Gauck durch die Altstadt von Meißen, spricht mit Bundeswehrsoldaten, Helfern, Bewohnern und Ladenbesitzern. Einer von ihnen ist Optikermeister Michael Bornemann. In seinem Geschäft stand das Wasser knapp einen Meter hoch. Es muss komplett erneuert werden. Doch auch in Meißen ist Gauck beeindruckt vom Durchhaltewillen der Menschen. An der Kirche gibt es Handzettel mit den Telefonnummern der Pfarrer. "Wir sind für diejenigen da, die mal reden wollen", hießt es dort.

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