Die alarmierende Hinrichtung des Akmal Shaikh

Peking. Jeden Tag werden im Schnitt mehr als zehn Menschen in China hingerichtet. Die genaue Zahl ist ein "Staatsgeheimnis". Der Brite Akmal Shaikh gehört seit gestern zu dieser makabren Statistik. Noch wenige Stunden vor seinem Tod war der 53-Jährige ahnungslos über seine bevorstehende Exekution wegen Drogenschmuggels

Peking. Jeden Tag werden im Schnitt mehr als zehn Menschen in China hingerichtet. Die genaue Zahl ist ein "Staatsgeheimnis". Der Brite Akmal Shaikh gehört seit gestern zu dieser makabren Statistik. Noch wenige Stunden vor seinem Tod war der 53-Jährige ahnungslos über seine bevorstehende Exekution wegen Drogenschmuggels. Erst zwei Vettern mussten ihm beim letzten Besuch im Gefängnis die Nachricht überbringen, dass er trotz internationaler Appelle am Morgen hingerichtet werde. Shaikh wollte es nicht glauben. Sein obskurer Fall schreibt Geschichte, da seit gut einem halben Jahrhundert kein europäischer Staatsbürger mehr in China hingerichtet worden war. Auch wirft er ein Schlaglicht auf die massive Anwendung der Todesstrafe in China. Vor allem enthüllt die Hinrichtung aber die Defizite des chinesischen Justizsystems im Umgang mit eventuell geistig gestörten Straftätern. Bis zu seiner Hinrichtung blieben die Beteuerungen seiner Familie ungeklärt, Shaikh sei psychisch gestört und eventuell nicht voll schuldfähig. Dabei sieht das chinesische Strafrecht durchaus vor, dass ein Geisteskranker strafrechtlich nicht verantwortlich ist. War ein Straftäter nur teilweise in der Lage, sein Verbrechen zu erkennen oder zu kontrollieren, erlaubt Artikel 18 auch Strafminderung. Doch, sagen Juristen, sei es unklar, unter welchen Umständen ein Gericht eine psychiatrische Untersuchung anordnet. Es gebe keine gesetzlichen Schutzmechanismen für den Angeklagten. Im Falle des Briten kamen die psychischen Störungen erst in zweiter Instanz zur Sprache. Mit Empörung wurde in Großbritannien aufgenommen, dass die Richter sich zwar über die wirren Aussagen des Angeklagten lustig gemacht haben sollen, aber die Einschaltung eines Psychiaters nicht für nötig gehalten haben. Auch dem eigens nach Ürümqi angereisten Londoner Psychologen Peter Schaapveld wurde ein Treffen verweigert. Selbst die persönlichen Interventionen des britischen Ministerpräsidenten Gordon Brown nutzten nichts. Allerdings sind die Beziehungen zwischen Peking und London gerade auch in den Keller gerutscht, weil die Briten die Chinesen beschuldigen, auf der Weltklimakonferenz in Kopenhagen eine Einigung torpediert zu haben. Die chinesische Regierung warnte London vor einer "Politisierung" des Falles. Ungeachtet der vorliegenden Verdachtsmomente befand das Oberste Gericht in Peking kurz vor der Hinrichtung, es gebe keinen Zweifel an Shaikhs geistigem Zustand. Sein Vetter Suhail Shaikh sah das nach ihrem Treffen anders: "Es war offensichtlich, dass er unter Geisteskrankheit litt", sagte er. "Die Dinge, die er sagte, waren nicht das, was von einem normalen Menschen zu erwarten gewesen wäre, dem der Tod droht." Hinweise dafür bieten auch Details aus seinem wirren Leben, die britische Medien aufdeckten. Vor allem seit ein paar Jahren scheint der frühere Transportunternehmer abgerutscht zu sein - sozial und psychisch. Er steckte zuletzt in Polen fest, arbeitslos und heimatlos. Weggefährten beschrieben Shaikh schlicht als "irre". "Er litt eindeutig unter Sinnestäuschungen", habe wirres Zeug geredet, wurden sie zitiert. Hunderte unsinnige E-Mails habe Shaikh an die britische Botschaft in Warschau, an Paul McCartney oder gar George W. Bush geschickt. In Polen nahm Shaikh auch einen Song auf. "Komm, kleiner Hase, komm zu mir. Komm, kleiner Hase, lass es geschehen. Komm, kleiner Hase, komm lass uns beten", lautet der Refrain des Liedes, das die Gefangenenhilfsorganisation Reprieve bei Youtube als Beweis für seine geistige Verwirrung veröffentlicht hat. Das Lied brachte ihn vor den chinesischen Henker. Wie die Organisation schilderte, hätten Drogenschmuggler in Polen erkannt, wie leicht Shaikh zu manipulieren war. Trotz seines mangelnden Talents hätten sie ihm eine Gesangskarriere in China versprochen. Auf dem Weg zum Popstar im Reich der Mitte gaben sie ihm einen Drogenkoffer mit. Meinung

Zeichen der Schwäche

Von SZ-MitarbeiterBernhard Bartsch Im Milliardenreich China, so heißt es, ist ein einzelnes Menschenleben nicht viel wert. Dass hinter dem Spruch mehr als ein Klischee steckt, hat die Pekinger Regierung wieder einmal bewiesen. Die Hinrichtung von Akmal Shaikh ist ein Menschenopfer aus politischem Kalkül: Das Ausland soll nicht glauben, sich in Chinas so genannte "innere Angelegenheiten" einmischen zu können, lautet die Botschaft. Sie wird im Westen wohl verstanden - und löst zu Recht Entsetzen aus. Die Kommunistische Partei will offenbar demonstrieren, wie wenig sie sich um internationale Standards kümmern muss. Dabei wäre der Fall Shaikh eine weitere Chance gewesen, der Welt zu zeigen, dass es China mit dem Aufbau eines Rechtsstaats ernst ist. Chinas nationalistische Kraftmeierei ist in Wahrheit kein Zeichen von Stärke. Ein Regime, das seine Macht nur stützen kann, indem es zu menschenverachtenden Mitteln greift, ist schwach.

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Mit der Hinrichtung eines Briten in China beschäftigt sich die "Neue Osnabrücker Zeitung": Chinas Justizwesen kennt kein Pardon - weder bei den eigenen Landsleuten noch im tragischen Fall des Briten, der sich des Drogenschmuggels schuldig gemacht haben so
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