Die Abschiedsbriefe lagen schon bereitNoch keine Spur von gesuchten saarländischen Islamisten

Köln. Ein gewöhnlicher Freitagmorgen auf dem Flughafen Köln-Bonn, Flugnummer KL 1804 nach Amsterdam, eine kleine Maschine vom Typ Fokker, gut besetzt. Aber kurz bevor das Flugzeug abheben kann, kommt um 6.55 Uhr die Polizei und holt zwei der insgesamt rund 40 Passagiere heraus. Die ganze Aktion verläuft eher unspektakulär

 Auch am Kölner Flughafen hängen Fahndungsplakate mit Fotos der gesuchten Islamisten aus dem Saarland. Foto: dpa

Auch am Kölner Flughafen hängen Fahndungsplakate mit Fotos der gesuchten Islamisten aus dem Saarland. Foto: dpa

Köln. Ein gewöhnlicher Freitagmorgen auf dem Flughafen Köln-Bonn, Flugnummer KL 1804 nach Amsterdam, eine kleine Maschine vom Typ Fokker, gut besetzt. Aber kurz bevor das Flugzeug abheben kann, kommt um 6.55 Uhr die Polizei und holt zwei der insgesamt rund 40 Passagiere heraus. Die ganze Aktion verläuft eher unspektakulär.

Kein Widerstand

"Die beiden Männer waren unbewaffnet und leisteten keinen Widerstand", berichtet Flughafensprecher Walter Römer später. Und zunächst ahnt auch niemand, dass der Einsatz Schlagzeilen machen wird.

Denn bei den zwei Passagieren, die nicht mitfliegen dürfen, handelt es sich um Terrorverdächtige. Die 23 und 24 Jahre alten Männer wollten sich nach Erkenntnissen der Ermittler möglicherweise am "Heiligen Krieg" ("Dschihad") und an Anschlägen beteiligen. Nach Informationen der Berliner Zeitung "Tagesspiegel" waren sie auf dem Weg über Amsterdam nach Pakistan. Die offenbar bereits seit längerem beobachteten Verdächtigen hätten sogar schon ihre Abschiedsbriefe hinterlegt, bestätigt das Landeskriminalamt. Wo diese Wohnungen waren, will zunächst niemand verraten.

Der Somalier und der in Somalia geborene Deutsche werden mitsamt ihrem Gepäck zum Verhör dem Landeskriminalamt übergeben. "Die ganze Aktion im Flugzeug ist ruhig und unspektakulär über die Bühne gegangen. Es dürfte am Flughafen kaum jemand etwas davon mitbekommen haben", sagt Airport-Sprecher Römer. Nach der Festnahme müssen allerdings alle anderen Passagiere die Maschine nochmals verlassen, um ihre Koffer zu identifizieren. Das Flugzeug hebt dann erst mit rund 80 Minuten Verspätung ab. Die Verdächtigen sind zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Weg nach Düsseldorf zum Landeskriminalamt.

Was genau die beiden Männer planten und wo sie möglicherweise zuschlagen wollten, wird zunächst nicht bekannt. Auch die genauen Umstände des Zugriffs bleiben zunächst im Dunklen.

NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) sagt im WDR, die Hintergründe müssten durch die Vernehmungen erst noch ans Licht gebracht werden. Deutlich ist dagegen, dass die Wachsamkeit der Sicherheitsbehörden bei Anzeichen für islamistischen Terror besonders hoch ist. Nicht nur, weil seit Donnerstag bundesweit eine öffentliche Fahndung nach zwei anderen mutmaßlichen Islamisten läuft (siehe unten stehenden Text). Erst jüngst hatte Bundesverfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm gesagt, die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus sei groß, auch in Deutschland. Es gebe eine Zunahme "von Strukturen, Gruppierungen und Einzelpersonen", denen man Anschläge zutrauen müsse. Beispiele aus London, Madrid oder auch das versuchte Kofferbomben-Attentat in Köln hätten gezeigt, "dass bei den Anschlägen größtmöglicher Schaden angerichtet werden soll, um die terroristische Botschaft zu vermitteln".

Zudem wurde am Freitag bekannt, dass die Schüsse auf zwei Kölner Polizisten am Dienstagabend offenbar einen islamistischen Hintergrund hatten. Wie aus Ermittlerkreisen bekannt wurde, gab einer der drei verhafteten jugendlichen Tatverdächtigen an, durch islamistische Hassvideos im Internet zu der Tat animiert worden zu sein. Die drei männlichen Jugendlichen im Alter von 15, 16 und 17 Jahren türkischer Herkunft sitzen nach seinen Angaben wegen des Verdachts des versuchten Mordes in Untersuchungshaft. Sie hatten die beiden Polizisten in einen Hinterhalt gelockt, um deren Waffen zu erbeuten. Dabei schossen sie auf die Beamten, die unverletzt blieben.

Saarbrücken/Wiesbaden. "Die Bedrohungslage ist noch etwas brisanter geworden, als sie ohnehin schon war." Mit diesem Satz beschreibt Gerhard Müllenbach, Staatssekretär im Saar-Innenministerium, die Lage, seit bekannt ist, dass die beiden mutmaßlichen islamistischen Terroristen Eric Breininger (21) und Houssain al-Malla (23) wahrscheinlich unterwegs nach Deutschland sind. Breininger stammt aus Neunkirchen. Dort lebte auch der staatenlose Libanese al-Malla lange Zeit. Müllenbach: "Wir wissen nicht, was beide vorhaben. Wir gehen aber davon aus, dass sie Kontakte zu ihren früheren Gesinnungsgenossen aufnehmen. Sie benötigen logistische Unterstützung, sollten sie hier etwas planen."

Die Verbindung Eric Breiningers zu seiner im Saarland lebenden Familie scheint abgebrochen. Zuletzt gab es angeblich im Mai eine E-Mail an seine Schwester. Darin teilte er ihr mit, dass er in den "Heiligen Krieg" ziehen werde.

Das Bundeskriminalamt (BKA), das die länderübergreifende Sonderkommission "Reise" eingesetzt hat, fahndet seit Donnerstag öffentlich nach den beiden, die als extrem gefährlich gelten. Zwischenzeitlich sind rund 20 Hinweise eingegangen, darunter war aber bisher keine heiße Spur. Beim Landeskriminalamt in Saarbrücken wurde zudem unter Leitung von Kriminaloberrat Harald Schnur die Soko "Rückkehr" installiert, in der bis zu 100 Beamte arbeiten. Schnur: "Wir reden von internationalem Terrorismus auf hohem Niveau. Eine solche Lage hat es in Deutschland noch nicht gegeben."

Bereits vor einer Woche erhielt die Saar-Polizei den Hinweis von einem Nachrichtendienst, Breininger und al-Malla seien in Begleitung eines bislang unbekannten Iraners in der bosnischen Stadt Zemica gesehen worden. Breininger wurde in einem Terrorcamp der Islamischen Dschihad-Union im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet zum Selbstmordattentäter ausgebildet. Sicherheitskreise gehen davon aus, dass al-Malla für Breininger die Führungsfigur ist, die ihn nach Deutschland einschleusen soll, damit er für ein Attentat eingesetzt werden kann. In per Internet veröffentlichten Videos hatte er mit Gewalt gedroht. mju

Meinung

Ungleicher Kampf

Von SZ-Redakteur

Jörg Wingertszahn

Wieder zwei mutmaßliche Terroristen auf deutschem Boden verhaftet, wieder einmal Schlimmeres verhindert - dank der Aufmerksamkeit der Behörden. Es ist ein ungleicher Kampf, dem sich die Terrorfahnder stellen müssen: auf der einen Seite der Staat, der Recht und Gesetz verpflichtet ist, auf der anderen skrupellose Terroristen, die jegliches Recht brechen. Da stellt sich zwangsläufig die Frage, die auch der Deutsche Juristentag debattiert hat: Soll und darf man unter Folter im Ausland erzwungene Geständnisse zur Terrorabwehr verwenden, um so den Tod Unschuldiger zu verhindern? In der Theorie scheint die Antwort klar. Folter und Rechtsstaat sind nicht vereinbar. Was aber, wenn im Notfall ein Foltergeständnis weiterhelfen könnte? Eine pauschale Antwort darauf kann es nicht geben, sie muss von Fall zu Fall abgewogen werden. Ausschließen sollte man die Verwendung solcher Informationen jedenfalls nicht.

Hintergrund

Wie groß ist die Gefahr eines Terroranschlags in Deutschland?

Ermittler gehen davon aus, dass es auch nach der Zerschlagung der so genannten Sauerland-Zelle im September 2007 Bestrebungen islamistischer Terrororganisationen gibt, Anschläge in Deutschland zu begehen. Dem Bundeskriminalamt zufolge sind bisher mehr als 50 Islamisten in Terrorcamps ausgebildet worden. Ein kleiner Teil ist nach Deutschland zurückgekehrt.

Wie viele gefährliche Islamisten gibt es in Deutschland?

Die Zahl der "Gefährder" liegt laut Bundeskriminalamt unter 100. Darüber hinaus beobachten die Verfassungsschützer mehrere Islamistenszenen in westdeutschen Industriezentren und Universitätsstädten.

Welche Organisationen spielen eine Rolle?

 Auch am Kölner Flughafen hängen Fahndungsplakate mit Fotos der gesuchten Islamisten aus dem Saarland. Foto: dpa

Auch am Kölner Flughafen hängen Fahndungsplakate mit Fotos der gesuchten Islamisten aus dem Saarland. Foto: dpa

Als eine der aktivsten Gruppen gilt derzeit die "Islamische Dschihad-Union" (IJU), die wahrscheinlich hinter den Anschlagsplänen der so genannten Sauerland-Zelle steht, die vor einem Jahr ausgehoben wurde. Die ursprünglich aus Usbekistan stammende Gruppe, der zwischen 100 und 300 Kämpfer angehören sollen, hat sich dem internationalen "Dschihad" ("Heiliger Krieg") angeschlossen. Zu dieser Gruppe gehören auch mehrere Islamisten aus dem Saarland, zurzeit wird nach ihnen gefahndet. dpa/red

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Zeitung im KindergartenDas Projekt "Zeitung im Kindergarten" geht in den 28 Kindergärten in den Landkreisen Merzig-Wadern und St. Wendel zu Ende. Willkommene Gäste in den Kindergärten waren die Mitarbeiter der Redaktion. Und natürlich Klecks Klever.
Zeitung im KindergartenDas Projekt "Zeitung im Kindergarten" geht in den 28 Kindergärten in den Landkreisen Merzig-Wadern und St. Wendel zu Ende. Willkommene Gäste in den Kindergärten waren die Mitarbeiter der Redaktion. Und natürlich Klecks Klever.
Getötet im MutterleibDie kleine Soraya hat nie das Licht der Welt erblickt. Sie war noch nicht geboren, als ihr Vater die Mutter mit Schlägen und Tritten traktierte. Die Folgen der Tat: Das Baby stirbt im Mutterleib, der Täter sitzt im Gefängnis, und die
Getötet im MutterleibDie kleine Soraya hat nie das Licht der Welt erblickt. Sie war noch nicht geboren, als ihr Vater die Mutter mit Schlägen und Tritten traktierte. Die Folgen der Tat: Das Baby stirbt im Mutterleib, der Täter sitzt im Gefängnis, und die