Deutschlands Familien werden immer bunter

Wiesbaden. Schlagersänger Howard Carpendale hat eine, Regisseur Dieter Wedel ebenfalls, Ex-Tennis-Star Boris Becker auch: eine Patchworkfamilie. Auch Kinder nicht-prominenter Eltern werden in Deutschland in weit bunterem Familiengemisch groß als noch vor einigen Jahrzehnten

Wiesbaden. Schlagersänger Howard Carpendale hat eine, Regisseur Dieter Wedel ebenfalls, Ex-Tennis-Star Boris Becker auch: eine Patchworkfamilie. Auch Kinder nicht-prominenter Eltern werden in Deutschland in weit bunterem Familiengemisch groß als noch vor einigen Jahrzehnten. Der Direktor des Deutschen Jugendinstituts (DJI) in München, Professor Thomas Rauschenbach, fordert, auf diese Gemengelage müssten Gesellschaft, Politik und Schulen sich viel stärker einstellen. "Heranwachsende müssen früh lernen, selbstständig zu werden und sich nicht darauf zu verlassen, dass Papa und Mama immer zusammenbleiben."

Fast jeder fünfte der 3,4 Millionen Jugendlichen in Deutschland lebt bei einem alleinerziehenden Elternteil, meist der Mutter. Damit wird insgesamt etwa jeder vierte 14- bis 17-Jährige in einer sogenannten alternativen Familienform groß. Dazu zählen die Statistiker beim Bundesamt in Wiesbaden außer den Alleinerziehenden noch Lebensgemeinschaften ohne Trauschein und homosexuelle Paare. Der Löwenanteil, 75 Prozent der Jugendlichen, lebt in der "traditionellen Familienform". Dazu zählen auch verheiratete Paare mit Kindern aus früheren Beziehungen sowie mit Pflege- und Adoptivkindern - Patchwork eben.

Heterogeneres Umfeld

"Die Familien sind in ihren Konstellationen in den letzten drei Jahren relativ stabil. Wir müssen uns keine Sorgen machen, dass die Familie nur noch in diffuse Strukturen zerfließt", betont Rauschenbach. Im Vergleich zu früher allerdings sei deutlich zu beobachten, "dass Kinder und Jugendliche in einem insgesamt heterogeneren Umfeld aufwachsen". Dazu gehörten auch Übergänge: "Die Eltern trennen sich, die Kinder leben eine Zeit lang mit der Mutter allein, dann findet sie einen neuen Partner."

Nach Einschätzung von Kinder-Soziologin Professor Doris Bühler-Niederberger von der Uni Wuppertal hat die klassische Familie vor allem im Osten an Bedeutung verloren, im Westen sei sie hingegen recht stabil. "Die ökonomische Absicherung, die Ehe auch bedeutet, funktioniert nicht so", lautet ihre Erklärung. Und: Die meisten Einwanderer-Familien, die das traditionelle Modell bevorzugten, lebten im Westen Deutschlands.

"Beachtliche Leistung"

"Kinder und Jugendliche werden mit anderen Lebensformen und Kulturen von Migranten konfrontiert", stellt Rauschenbach fest. "Die Gesellschaft hat bislang noch keine Antworten auf die Heterogenitäten, die Kinder und Jugendliche erleben." Dies zeige sich unter anderem darin, dass Kinder und Jugendliche, die bei Alleinerziehenden aufwachsen, stärker von Armut betroffen sind. Die Gesellschaft müsse die Kinder stark machen und stabilisieren, um mit möglichen Brüchen umgehen zu können. "Stabilisierung bedeutet, den Kindern die Zumutung auf ein selbstständiges Leben abzuverlangen, sie nicht nur zu behüten." Dies beginne schon im Kindergartenalter, wenn Kinder nicht nur zu Hause bei den Eltern aufwüchsen, sondern in Gruppen mit anderen Kindern und Erzieherinnen Selbstbewusstsein entwickeln könnten.

Grundsätzlich warnt Bühler-Niederberger vor Schwarzmalerei: Viele Jugendliche wüchsen heute zwar weitgehend ohne Vater auf, Studien zeigten aber, dass Mädchen und Jungen in der Regel ab der Pubertät ohnehin viel besser mit ihren Müttern reden könnten. "Auf der anderen Seite nehmen heute beachtlich viele Männer in Patchworkfamilien nicht-leibliche Kinder voll an. Das ist auch eine beachtliche Leistung."

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