„Deutschland kann Berater schicken“
Deutschland sollte sich mit Beratern am demokratischen Aufbauprozess in Ägypten beteiligen, sagt der für Außenpolitik zuständige Unionsfraktionsvize im Bundestag, Andreas Schockenhoff (CDU), im Gespräch mit SZ-Korrespondent Stefan Vetter.
Herr Schockenhoff, in Ägypten wurde ein demokratisch gewählter Präsident vom Militär aus dem Amt gejagt. Kann man das gutheißen?
Schockenhoff: Die Massenbewegung zur Absetzung Präsident Mursis hat gezeigt: Der politische Islam hat sich in Ägypten innerhalb kürzester Zeit diskreditiert. Die Menschen haben von den Muslimbrüdern keine Lösung der wirtschaftlichen Probleme und keinen gesellschaftlichen Ausgleich mehr erwartet. Der Sturz eines demokratisch gewählten Präsidenten durch das Militär ist aber nicht akzeptabel - trotz der Verfehlungen Mursis. Es muss schnellstmöglich eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung geben. Das Militär muss sich aus dem politischen Übergangsprozess zurückziehen.
Übergangspräsident ist ein Jurist. Ist er nur eine Marionette?
Schockenhoff: Das wird sich zeigen. Fest steht, dass dieser Präsident durch das Militär nur eine Scheinlegitimität besitzt. Deshalb muss er so schnell wie möglich freie Wahlen organisieren.
Kann man die Muslimbruderschaft dabei ignorieren?
Schockenhoff: Auf keinen Fall. Die Muslimbruderschaft repräsentiert etwa 30 Prozent der ägyptischen Gesellschaft. Diese Gruppe auszuschließen, wäre genauso falsch wie es der Alleinvertretungsanspruch dieser Gruppe für ganz Ägypten war.
In Algerien gab es in den 90ern auch einen Putsch - mit der Folge, dass die Islamistische Heilsfront um ihren Wahlsieg betrogen wurde und ein Bürgerkrieg ausbrach. Droht das auch in Ägypten?
Schockenhoff: Die Situation ist zweifellos sehr schwierig. Wenn es gelingt, Vertreter aller Regionen und politischen Richtungen am Übergangsprozess zu beteiligen, kann das auf die gesamte arabische Welt positiv ausstrahlen. Die wohl größte Herauforderung dabei ist die Ausarbeitung einer demokratischen, pluralistischen Verfassung, die die Religionsfreiheit gewährt und gleichzeitig zwischen Staat und den Glaubensgemeinschaft trennt. Keine Seite darf Ägypten ihre Ideologie einseitig aufdrängen.
Und wenn das nicht gelingt?
Schockenhoff: Wenn das nicht gelingt, wird auch das im arabischen Raum Folgen haben. In diesem Fall müsste man wohl mit einer weiteren Radikalisierung in der Nahost-Region rechnen.
Was kann Deutschland tun, um die Entwicklung in Kairo in demokratische Bahnen zu lenken?
Schockenhoff: Alles, was Rechtstaatlichkeit angeht, also Gewaltenteilung zwischen Justiz, Parlament und Regierung, da hat Deutschland gute Erfahrungen. Dazu können wir Experten schicken. Das gilt auch für den Aufbau einer modernen Verwaltung. Hier kann Deutschland ebenfalls viel Know-how anbieten.
Die Opposition ist aber stark zersplittert. Wer könnte da überhaupt Ansprechpartner sein?
Schockenhoff: Erst einmal müssen sich die Oppositionsgruppen auf ein Verfahren einigen, wie der Übergangsprozess laufen soll. Nach dem Fall der Mauer gab es in der ehemaligen DDR Runde Tische, wo sich ganz unterschiedliche Kräfte der Opposition über ein solches Verfahren ausgetauscht haben, um dann möglichst schnell eine durch Wahlen legitimierte Regierung zu bekommen. Ein solches Verfahren ist auch für Ägypten vorstellbar.