Prognose der KMK Deutschland braucht tausende neue Lehrer

Berlin · Eine Prognose der Kultusminister sieht einen gravierenden Mangel voraus. Verbände und die Opposition im Bundestag mahnen zum Handeln.

 In Deutschlands Klassenzimmern drohen düstere Zeiten: Bis 2030 rechnet die Kultusministerkonferenz mit im Schnitt jedes Jahr 700 fehlenden Lehrern. Vor allem in Ostdeutschland drohe ein dramatischer Mangel.

In Deutschlands Klassenzimmern drohen düstere Zeiten: Bis 2030 rechnet die Kultusministerkonferenz mit im Schnitt jedes Jahr 700 fehlenden Lehrern. Vor allem in Ostdeutschland drohe ein dramatischer Mangel.

Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Die Zahlen klingen durchaus dramatisch: An Deutschlands Schulen fehlen innerhalb von zehn Jahren nach offizieller Prognose 18 000 Lehrer. Im laufenden Jahr liegt der Bedarf an frischen Kräften laut Berechnungen der Kultusministerkonferenz (KMK) um 11 510 über dem Angebot auf dem Arbeitsmarkt. Die Lücke sinkt dann auf 2720 Stellen im Jahr 2022. Für das Jahr 2027 gehen die Kultusminister der Bundesländer dann davon aus, dass wieder 3060 mehr ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stehen, als in dem Jahr gebraucht werden.

Für die insgesamt bis 2030 reichende Prognose rechnet die KMK, die gestern in Berlin tagte, mit im Schnitt jedes Jahr 700 fehlenden Lehrern. Der Mangel ist in den ostdeutschen Ländern laut der gestern veröffentlichten Prognose des Gremiums in den kommenden Jahren dramatischer. Im Westen gibt es demnach im Schnitt 900 mehr Absolventen des Vorbereitungsdienstes als benötigte Lehrer. In den Ostländern fehlen hingegen im Schnitt jährlich rund 1500 Lehrer.

Derzeit gibt es deutschlandweit 798 200 hauptberufliche Lehrkräfte. Bis 2030 rechnen die Bildungsminister mit einem jährlichen Einstellungsbedarf von rund 31 900 Lehrern im Schnitt. Aber nur 31 200 ausgebildete Lehrkräfte gebe es jedes Jahr. Vor allem in Berufs-, Grundschulen, Schulen der mittleren Bildung und in der Sonderpädagogik fehlten Kräfte.

Der Präsident der KMK, Helmut Holter, sagte, die Zahlen zeigten den akuten Handlungsbedarf für alle Länder. „Wir sind gemeinsam dazu aufgerufen, jede Anstrengung zu unternehmen, um den künftigen Bedarf zu decken“, sagte der Bildungsminister Thüringens (Linke). Die Vorausberechnungen dienten den Bundesländern dazu, zu reagieren. „Es müssen mehr Lehrer ausgebildet werden“, sagte Holter gestern.

Besonders viele neue Lehrer braucht der Prognose zufolge Sachsen-Anhalt, wo über die Jahre hinweg nur für rund jede zweite offene Stelle ein ausgebildeter Lehrer zur Verfügung steht. Auch in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg und Thüringen werden viele Stellen kaum besetzt werden können.

Im Mai hatte die Kultusministerkonferenz eine Prognose vorgelegt, nach der die Zahl der Schüler bis 2030 um 278 000 auf 11,2 Millionen steigen wird.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte vor einem Bildungsnotstand und forderte ein Sofortprogramm. „In diesem Schuljahr fehlen mehrere tausend Lehrkräfte, zudem sind tausende Stellen mit Quer- und Seiteneinsteigern besetzt“, sagte GEW-Chefin Marlis Tepe. Während zu viele Gymnasiallehrkräfte ausgebildet worden seien, gebe es an Grund-, Berufs-, Förder- und Sonderschulen einen gravierenden Mangel.

Der Deutsche Philologenverband sieht „eklatantes politisches Versagen“ bei der Planung des Lehrerbedarfs in einigen Bundesländern. „Solide Vorhersagen sind kein Hexenwerk“, sagte die Vorsitzende Susanne Lin-Klitzing der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Sie forderte jedes der 16 Bundesländer auf, eine jährlich aktualisierte Statistik über die Schülerzahl vorzulegen und zugleich eine Prognose über den zu erwartenden Lehrerbedarf zu erstellen. An die KMK richtete die Verbandschefin den Appell, die Daten aktuell und zügig zusammenzustellen und jährlich zu aktualisieren. „Die KMK hat 2009 das letzte Mal gemeinsame Leitlinien zur Deckung des Lehrerbedarfs erstellt. Das ist ein schwaches Bild“, betonte Lin-Klitzing.

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte: „Wer nicht will, dass für die Bildungsmisere im politischen Nachlass von Angela Merkel künftige Generationen bezahlen müssen, muss jetzt das im Grundgesetz festgeschriebene Kooperationsverbot aufheben.“ Dieses Verbot für den Bund, etwa die Schulen grundsätzlich mitzufinanzieren, soll nach dem Willen der Bundesregierung lediglich gelockert werden. Grünen-Bildungsexpertin Margit Stumpp sagte: „Der Bund ist hier in der Verantwortung, statt nur in Beton auch in Köpfe und Personal zu investieren.“ Nicola Beer (FDP) forderte eine „Qualitätsoffensive“ von Kommunen, Bund und Ländern.

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