Deutsche Unis sollen sich für Imame öffnen

Berlin. Der Wissenschaftsrat in heikler Mission: Spektakulär sind nicht nur seine aktuellen Empfehlungen zum Aufbau von islamischer Theologie auch an deutschen Universitäten. Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass mittlerweile vier Millionen Muslime in Deutschland leben. Das sind fünf Prozent aller Menschen in der Bundesrepublik

Berlin. Der Wissenschaftsrat in heikler Mission: Spektakulär sind nicht nur seine aktuellen Empfehlungen zum Aufbau von islamischer Theologie auch an deutschen Universitäten. Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass mittlerweile vier Millionen Muslime in Deutschland leben. Das sind fünf Prozent aller Menschen in der Bundesrepublik. Genau so brisant sind die Forderungen zur Fortentwicklung und nach mehr Freiraum für die 18 katholischen und 21 evangelischen Theologie-Fakultäten. Die deutsche Gesellschaft und ihr religiöses Verständnis sind im Wandel - nicht erst seit der Einheit, sondern auch weil sich heute deutlich mehr Menschen als früher als "konfessionslos" oder gar als "religionslos" bezeichnen.Mehr Transparenz Zwei Jahre lang brütete eine Expertenkommission des Wissenschaftsrates in dem verminten Feld. Die Mitglieder suchten das Gespräch mit den beiden großen Kirchen wie auch dem Koordinationsrat der Muslime in Deutschland. Schon am Anfang stand die Idee von einem ganzheitlichen Theologie-Konzept für die deutschen Hochschulen - vor dem Hintergrund einer "pluralisierten Gesellschaft", in der religiöse Phänomene aufmerksam thematisiert und in der nationale Probleme, wie die Integration von Migranten, genauso kontrovers diskutiert werden wie globale Konfliktlagen um Christentum, Islam und Terrorismus. Im Zuge dieses Wandels hält es der Wissenschaftsrat für folgerichtig, auch an deutschen Universitäten künftig muslimische theologische Fakultäten vorzuhalten. genauso wie dies seit Jahrhunderten für Katholiken und Protestanten geschieht. Auch wenn dies in der Empfehlung noch ein wenig vorsichtig formuliert wird und zunächst nur von zwei bis drei "institutionell starken Einheiten für islamische Studien" an staatlichen Hochschulen die Rede ist, wird doch zugleich klar, wohin die Reise gehen soll: Die Ausbildung von islamischen Religionslehrern soll den Hinterzimmern zweifelhafter Dogmatiker oder Privatvereinigungen entzogen werden, ebenso wie die Heranbildung von Islam-Gelehrten, Imamen für die Gemeinden oder Nachwuchswissenschaftlern. Nur die staatlichen Universitäten garantieren aus Sicht des Wissenschaftsrates dafür die akademische Freiheit. Sie seien zugleich als Hort eines kritisches Diskurses auch Garant gegen totalitäre Fehlentwicklungen. Lange umstritten war deshalb in dem Expertenkreis die Frage, welchen Einfluss die den Hochschulen zugeordneten "Räte" - oder wie es jetzt abgeschwächt heißt "theologisch kompetenten Beiräte" - zugebilligt werden soll. Schließlich wissen die Wissenschaftler aus leidvoller Erfahrung, wie es auch die christlichen Kirchen über Jahrhunderte hinweg immer wieder verstanden haben, Einfluss auf die theologischen Fakultäten, Lehre und Personal zu nehmen. Seit dem 14. Jahrhundert zählt die Theologie - neben Medizin und Rechtswissenschaften - zu den Keimzellen aller Universitäten in Mitteleuropa. Der zunächst in Deutschland dominante herrschaftliche Einfluss von Fürsten und Bischöfen auf die einzelnen Landeshochschulen wurde im Zuge der Aufklärung zwar Schritt für Schritt zurückgedrängt. Gleichwohl ist das Verhältnis von Kirchen, Staat und autonomer Hochschule bis heute gespannt. In den theologischen Fakultäten regieren die christlichen Kirchen nach wie vor entscheidend mit - aller im Grundgesetz garantierten akademischen Freiheit zum Trotz. Mahnend richtet der Wissenschaftsrat deshalb "insbesondere" an die katholische Kirche den Appell, sich aus den Habilitationsverfahren zurückzuziehen, weil die Prüfung der Berufsbefähigung eines Hochschullehrers schließlich eine rein akademische Angelegenheit sei.

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