Diesel-Urteil „Die Software-Lösung unseres Erachtens ist tot“

Stuttgart · Der Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, sieht in dem Urteil für mögliche Fahrverbote einen Sieg auf ganzer Linie. Der Verband hatte die Klage eingereicht.

Herr Resch, wie zufrieden sind Sie mit dem Urteil?

RESCH Wir sind sehr zufrieden. Das Stuttgarter Gericht hat alle unserer Forderungen erfüllt. Das heißt, die Landesregierung von Baden-Württemberg muss nun zum 1. Januar 2018 Diesel-Fahrverbote in Stuttgart einführen, und zwar in der ganzen Stadt.

Offen bleibt aber, ob es wirklich dazu kommt.

RESCH Ministerpräsident Kretschmann hat im Februar die Fahrverbote angekündigt, daran werden wir ihn messen. Die Alternative Software-Updates wurde vom Gericht als wirkungslos abgelehnt.

Die grün-geführte Landesregierung ist Verlierer des Urteils. Sehen Sie darin einen Bruch Ihres Verbandes mit der Öko-Partei?

RESCH Nein, überhaupt nicht. Wir arbeiten mit allen Parteien zusammen. Und nach der Urteilsverkündung habe ich von mehreren grünen Spitzenpolitikern Glückwünsche bekommen. Es geht auch nicht um eine Auseinandersetzung mit den Grünen, sondern mit der Autoindustrie. Und da zeigt sich ja, dass selbst ein von mir hoch geschätzter Grünen-Politiker wie Winfried Kretschmann gewissermaßen keine Luft zum Atmen erhält, also von der Autoindustrie erpresst wird und sich allerdings leider auch erpressen lässt.

Kretschmann muss auch die Arbeitsplätze bei den Autobauern im Blick haben.

RESCH Mit der Drohung, Arbeitsplätze abzubauen, wenn es politisch nicht so läuft, wie gewünscht, operiert die Autoindustrie schon seit vielen Jahren. Das hat auch bei Kretschmann verfangen. Ich sehe darin eine problematische Verschiebung des Kräfteverhältnisses von der Politik hin zur Wirtschaft.

Welche bundesweiten Auswirkungen könnte das Urteil haben?

RESCH Das wird sich spätestens beim anstehenden Diesel-Gipfel in der kommenden Woche zeigen. Die Software-Lösung ist unseres Erachtens tot. Das ist auch die Botschaft des Urteils. Deshalb müssen die Minister Hendricks und Dobrindt die Autokonzerne dazu zwingen, alle neun Millionen Euro-5 - und Euro-6-Diesel-Pkw mit funktionierenden Katalysatoren auf Harnstoffbasis nachzurüsten, und zwar unter voller Kostenübernahme der Industrie.

Kritiker werfen Ihrer Organisation vor, eine Kampagne gegen die deutsche Autoindustrie zu führen. Wolle Sie diese Industrie vernichten?

RESCH Nein, wir kritisieren alle Diesel-Hersteller und haben nach dem US-VW-Skandal mit unseren Untersuchungen Abschalteinrichtungen bei GM-Motoren, Renault und FiatChrysler aufgedeckt und entsprechende Strafverfahren initiiert. Allerdings spielt die deutsche Autoindustrie schon eine gewisse Premium-Rolle bei der Verhinderung einer modernen Abgastechnik, wie die Aufdeckung des seit zwei Jahrzehnten bestehenden kriminellen Kartells aus Bosch, Daimler, VW, Porsche, BMW und Audi zeigt. Wenn die Fahrzeuge so sauber sind, wie es das Gesetz vorsieht, und zwar nicht nur im Prüflabor, sondern auf der Straße, dann gibt es auch keinen Grund für Fahrverbote. Aber davon sind wir leider weit entfernt.

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