Deutsche Sprache, schwere Sprache

Berlin. Vier Jahre große Koalition - das Bündnis aus Union und SPD neigt sich rapide seinem (vorläufigen?) Ende entgegen. 536 Gesetzesvorlagen brachte allein die schwarz-rote Bundesregierung nach neuesten Daten des Deutschen Bundestages in das Parlament ein, davon wurden in den letzten vier Jahren 489 verabschiedet

Berlin. Vier Jahre große Koalition - das Bündnis aus Union und SPD neigt sich rapide seinem (vorläufigen?) Ende entgegen. 536 Gesetzesvorlagen brachte allein die schwarz-rote Bundesregierung nach neuesten Daten des Deutschen Bundestages in das Parlament ein, davon wurden in den letzten vier Jahren 489 verabschiedet. Dass die Gesetze immer Sinn und Verstand hatten, daran zweifelt vor allem die Opposition. Doch offenbar hat sich Schwarz-Rot zumindest Mühe gegeben, die unzähligen Paragrafen verständlich zu verfassen. Auch wenn das nicht immer gelungen ist.

Bekanntermaßen strotzt das Steuerrecht vor Begriffen, die außer ganz wenigen Fachleuten kein Mensch mehr versteht, geschweige denn richtig umsetzen kann. Daran hat sich unter der großen Koalition nicht viel geändert. Auch stammt aus der schwarz-roten Feder beispielsweise das "Krankenversicherungs-Wettbewerbsstärkungsgesetz", hinter dem sich das Modell des Gesundheitsfonds verbirgt. 43 Gesetzes- und Verordnungsänderungen auf 96 Seiten, selbst gewiefte Parlamentarier hoben die weiße Fahne.

Bei der Formulierung der Schuldenbremse von Bund und Ländern räumten Koalitionäre freimütig ein, dass es schwierig sei, eine verständliche Gesetzessprache zu finden. Dass es Regelungen gibt, die nur für Experten lesbar sind, das war immer so und wird auch so bleiben. Doch laut der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) hat sich die Bundesregierung durchaus darum bemüht, Gesetzentwürfe sprachlich richtig und möglichst für jedermann verstehbar zu verfassen. "Die Ministerien sind zunehmend bestrebt, verständlich zu formulieren", zieht Karin Eichhoff-Cyrus, Geschäftsführerin der GfdS, gegenüber unserer Zeitung Bilanz. Allein 2008 nahmen die Sprachprofis mit ihrem dem Bundestag angegliederten Redaktionsstab 110 Gesetze, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften aus allen Ressorts frühzeitig unter die Lupe. Ähnlich viele waren es in den Jahren zuvor. Fast 1000 telefonische Auskünfte wurden gegeben, 50 Mal wurden Regierungsbeamte persönlich vorstellig, um nach Formulierungshilfen zu fragen - ob zu Wohngeldvorschriften oder zu Änderungen bei den Hartz-IV-Gesetzen. "Das Interesse ist wirklich groß. Die Fachsprache betrifft eben oft alle in der Bevölkerung, deshalb müssen die Gesetze verstanden werden", weiß die Expertin.

Seit 1966 gibt es nun schon den Redaktionsstab der GfdS beim Deutschen Bundestag. Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt arbeitet seit April auch ein Team "Rechtssprache" beim Bundesjustizministerium, das für klare Formulierungen der Ministerien sorgen soll. "Wenn man etwas sprachlich verständlich macht, wird es auch inhaltlich klarer", betont Eichhoff-Cyrus. Als die Sprachwissenschaftler zum Beispiel das Wohngeldgesetz überarbeiteten, deckten sie auch inhaltliche Fehler auf, die nicht nur Verständnisprobleme zur Folge gehabt hätten. Beim Versorgungsausgleichsgesetz, das die Rentenansprüche geschiedener Ehegatten regelt, blickten in der alten Version nicht mal mehr Experten durch. Sogar den Abgeordneten im Bundestag sei anschließend die klare Sprache des Entwurfs aufgefallen.

Aber nicht nur die Regierung ist nach Ansicht der GfdS gefordert. Auch die Kommunen müssen lernen, leichter zu formulieren. Anstatt einfache Wörter wie "Baum" oder "größere Mülltonne" zu benutzen, liest man mitunter "Großgrün" oder "Restmüllbehältervolumen" in den behördlichen Bescheiden.

86 Prozent der Befragten in einer neuen Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach gaben Ende letzten Jahres zu, Schwierigkeiten beim Lesen der Post von Ämtern, Behörden und Gerichten zu haben - und das unabhängig von der Schulbildung. Besonders unangenehm fielen dabei umständliche Formulierungen, abgehobene Sprache sowie ein oft unhöflicher Ton auf. "Wenn man etwas sprachlich verständlich macht, wird es auch inhaltlich klarer."

Karin Eichhoff-Cyrus, Geschäftsführerin der Gesellschaft für deutsche Sprache

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort