„Deswegen nehme ich nichts zurück“

Grünen-Chefin Simone Peter betont, dass sie ihre Äußerungen zum Polizeieinsatz in der Silvesternacht in Köln verfrüht gemacht hat. Aber eine Diskussion über einen solchen Einsatz müsse im Rechtsstaat möglich sein. Im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß geht die Saarländerin zugleich auf Distanz zu ihrem grünen Mitstreiter Özdemir und dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann.

 Die ehemalige saarländische Umweltministerin Simone Peter macht die schwierigste Zeit ihrer politischen Karriere durch.

Die ehemalige saarländische Umweltministerin Simone Peter macht die schwierigste Zeit ihrer politischen Karriere durch.

Foto: dpa/Tittel

Frau Peter, Ihr Parteifreund Boris Palmer sagt, Sie hätten mit Ihrer Kritik an der Kölner Polizei "großen Schaden" angerichtet. Da hat er recht, oder?

Peter: Nein, da hat er nicht recht. Ich habe am Sonntag gesagt, dass die Polizei eine Wiederholung der Gewalt und der sexuellen Übergriffe wie im letzten Jahr verhindern konnte. Eine Vielzahl meiner Parteifreunde ist mit mir aber der Auffassung, dass auch eine Diskussion über Polizeieinsätze und deren Kriterien in einem Rechtsstaat möglich sein muss.

Das klingt jetzt nicht, als ob Sie irgendetwas bereuen würden.

Peter: Ich bedauere, den Zeitpunkt für diese Debatte sehr früh gewählt zu haben. Meine eigentlichen Worte, mit denen ich den schwierigen Einsatz der Polizei begrüßt habe, sind da leider völlig untergegangen. Deswegen nehme ich auch nichts zurück.

Viele Bürger verstehen allerdings nicht, warum Sie angesichts der Vorgeschichte primär nach der Verhältnismäßigkeit gefragt und vor allem die Verwendung des Begriffs "Nafri" kritisiert haben. Haben Sie ein Problem mit der Polizei ?

Peter: Es liegt mir völlig fern, die Polizei zu stigmatisieren und ihr pauschal Rassismus vorzuwerfen. Aber selbst der Kölner Polizeipräsident und das Bundesinnenministerium haben sich im Nachhinein von der öffentlichen Verwendung des stigmatisierenden Begriffs "Nafri" distanziert.

Haben Sie mal an Rücktritt gedacht?

Peter: Nein, sicher nicht.

Zeigt die Debatte nicht die Zerrissenheit der Grünen in der Sicherheitspolitik?

Peter: Die Debatte zeigt, wie schwierig es ist, differenzierte Positionen darzulegen. Wir Grünen betonen immer wieder, dass wir eine gut ausgestattete Polizei in der Fläche brauchen. Wir wollen aber auch Bürger- und Menschenrechte gewahrt sehen. Wir erleben doch gerade, dass von rechter Seite autoritäre Forderungen zunehmen. Ich möchte, dass unsere Partei hier weiter differenziert argumentiert. Auch wenn das immer schwieriger wird.

Dann mal konkret: Ihr Co-Vorsitzender Özdemir will sich einer Debatte, die Kompetenzen des Verfassungsschutzes beim Bund zu konzentrieren, nicht versperren. Sie auch nicht?

Peter: Eine Neuordnung ja, aber die Konzentrierung des Verfassungsschutzes ist keine alleinige Lösung. Wir brauchen eine grundlegende Reform des Inlandsnachrichtendienstes und bessere Zuständigkeitsregelungen.

Ihr Ministerpräsident Winfried Kretschmann drängt erneut darauf, die Maghreb-Staaten endlich als sichere Herkunftsländer anzuerkennen. Bleiben Sie bei Ihrer Ablehnung?

Peter: Winfried Kretschmanns Haltung dazu ist nicht neu. Aber es gibt andere und bessere Instrumente. Zum Beispiel die Rückführung mit Rückführungsabkommen und individuellen Hilfen zu regeln. Gerade in Marokko, Tunesien und Algerien werden doch immer noch ganze Bevölkerungsgruppen diskriminiert.

Die Grünen im Bund gehen da also nicht mit?

Peter: So ist es.

Fünf Mark für den Liter Benzin, der Veggie Day, Steuer-Erhöhungen, jetzt die Sicherheitspolitik - warum liegt Ihre Partei eigentlich so häufig mit ihren Themen daneben?

Peter: Das ist nicht so. Gerade unser Eintreten für eine zukunftsfähige, gerechte und offene Gesellschaft findet viel Zuspruch. Wir erreichen mit unseren Positionen einen wachsenden Teil der Gesellschaft. Schließlich regieren wir in elf Bundesländern mit und stehen auf Bundesebene stabil da.

Zum Thema:

In der Debatte um Verschärfungen bei Abschiebungen ist die geplante Einstufung der Maghreb-Länder als sichere Herkunftsstaaten wieder im Gespräch. Gestern signalisierte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) seine Zustimmung zu dem Vorhaben der großen Koalition im Bundesrat und verknüpfte die Frage mit den Vorfällen an Silvester. "Die kriminelle Energie, die von Gruppierungen junger Männer aus diesen Staaten ausgeht, ist bedenklich und muss mit aller Konsequenz bekämpft werden", sagte er der "Rheinischen Post". Ob es die für das Gesetz notwendige Zustimmung anderer Bundesländer mit Regierungsbeteiligung der Grünen geben wird, bleibt aber fraglich. epd

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