Bombenattentat vor 18 Jahren Der Wehrhahn-Anschlag endet im Freispruch – und ungeklärt

Düsseldorf · Am Ende stehen die Ermittler mit leeren Händen da: Ihr Verdächtiger, ein Rechtsradikaler, verlässt als freier Mann den Gerichtssaal.

 28. Juli.2000: Polizisten nach der Explosion am Tatort, dem S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn.

28. Juli.2000: Polizisten nach der Explosion am Tatort, dem S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn.

Foto: dpa/Gero Breloer

Eine Bombe explodiert inmitten einer Gruppe ausländischer Sprachschüler. Sie sind auf ihrem Weg zur S-Bahn. Ein ungeborenes Baby stirbt, zehn Menschen werden verletzt, einige kämpfen um ihr Leben. Aber nach dem nicht mehr überraschenden Freispruch gegen den einzigen Tatverdächtigen gestern vor dem Düsseldorfer Landgericht ist eine Aufklärung geradezu unwahrscheinlich geworden.

Das für Nebenkläger und Staatsanwalt enttäuschende Urteil fällt fast auf den 18. Jahrestag des ungesühnten Verbrechens. Am 27. Juli 2000 richtet eine Rohrbombe in einer Plastiktüte an der Düsseldorfer S-Bahn-Station Wehrhahn ein Blutbad an. Mehrere der zwölf Menschen in der Gruppe sind Juden, schnell gerät ein Mann mit Kontakten zur rechtsradikalen Szene unter Verdacht. Und wird nun freigesprochen. „Wir haben es uns nicht leicht gemacht“, sagt der Vorsitzende Richter Rainer Drees dazu. Es blieben „erhebliche Zweifel an der Täterschaft“ des 52 Jahre alten Angeklagten – auch wenn dieser „extrem fremdenfeindlich“ und geltungssüchtig sei und im Prozess immer wieder gelogen habe.

Dennoch versucht Drees die im Vorfeld geäußerte Warnung eines Nebenkläger-Anwalts vor „dem schwersten Justizfehler in der Geschichte Düsseldorfs“ zu entkräften. „Die Entscheidung beruht nicht auf Bauchgefühl“, sagt er. Die Kammer sei schlicht nicht ausreichend überzeugt, dass der Mann auf der Anklagebank der Täter gewesen sei. Er führt zahlreiche Gründe an: Die Hauptbelastungszeugen unter den insgesamt 78 Vernommenen – vor allem zwei ehemalige Gefängniskumpane und zwei Ex-Freundinnen des Angeklagten – hätten sich immer wieder in Widersprüche verwickelt.

Ähnlich wertlos seien die widersprüchlichen Aussagen des Angeklagten gewesen. „Insgesamt sieht die Kammer den Angeklagten als jemanden, der maßgeblich geleitet wird durch Geltungssucht, Aktionismus und mangelnde Selbstreflexion. Er scheidet als Auskunftsquelle zur Ermittlung der Wahrheit im Wesentlichen aus.“

Der 52-Jährige zeigt während der rund zweistündigen Urteilsbegründung gestern in Düsseldorf keinerlei Minenspiel. Vor den Fotografen versteckt sich der Militaria-Fan hinter einem Hut, einer Sonnenbrille und einem Aktendeckel.

Aus Sicht des Anklägers und der Opfer führt eine Kette von Indizien und Zeugenaussagen zwangsläufig auf die Spur des nun Freigesprochenen, der ganz in der Nähe des Anschlagsorts wohnte, dort einen Militärartikel-Laden führte und laut Zeugenaussage Ähnlichkeit mit jemandem hat, der die Explosion beobachtet haben soll. „Das ist kein guter Tag für die Justiz und ein schlechter Tag für die Opfer des Anschlags“, sagt der Nebenklage-Anwalt Michael Rellmann.

Es bleibt nun also auch 18 Jahre nach der Tat die Frage nach dem großen Unbekannten. Er soll nach Überzeugung sowohl der Kammer als auch der Anklage am Tatort auf einem Stromkasten gesessen und die Detonation an dem S-Bahnhof mit einem Fernzünder ausgelöst haben. „Die Ähnlichkeit belastet den Angeklagten am stärksten“, stellt Drees fest. Sie beweise aber nicht seine Schuld.

Von den Opfern sei niemand zur Urteilsverkündung erschienen, sagt Anwalt Rellmann. Viele seien heute noch traumatisiert. „Das Leben aller ist aus der Bahn geworfen worden.“ Auch die Ehe des Paares, das sein ungeborenes Kind bei der Detonation verloren hatte, habe das Leid nicht überstanden.

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