Der "Wahnsinn von Stalingrad"

Wolgograd. Für Hitler-Deutschland bedeutet die vernichtende Niederlage den Wendepunkt: Der Angriffskrieg wird zum Verteidigungskrieg, der zwei Jahre später 2700 Kilometer weiter östlich in Berlin mit der totalen Niederlange endet. Als die 6. Armee im August 1942 auf Stalingrad vorrückt, liegt der deutsche Angriff auf die Sowjetunion mehr als ein Jahr zurück

Wolgograd. Für Hitler-Deutschland bedeutet die vernichtende Niederlage den Wendepunkt: Der Angriffskrieg wird zum Verteidigungskrieg, der zwei Jahre später 2700 Kilometer weiter östlich in Berlin mit der totalen Niederlange endet. Als die 6. Armee im August 1942 auf Stalingrad vorrückt, liegt der deutsche Angriff auf die Sowjetunion mehr als ein Jahr zurück. Doch die vollständige Eroberung der Stadt gelingt nicht, Mitte November kreist die Rote Armee den Feind ein. Am 2. Februar 1943 kapituliert die Truppe unter Generalfeldmarschall Friedrich Paulus.Etwa 150 000 Deutsche sterben bei Kämpfen oder bei Temperaturen von minus 43 Grad an Kälte oder Hunger. Rund 91 000 Mann geraten in Gefangenschaft, aus der nur 6000 zurückkehren. Die Zahl der sowjetischen Toten wird auf mindestens 500 000 geschätzt. Auch die Zahl der zivilen Opfer ist hoch. 1941 beträgt die Einwohnerzahl etwa 525 000, zwei Tage nach der Schlacht sind es noch 23 000.

Um welch hohen Preis der Triumph errungen wird, wagen russische Historiker erst seit dem Ende der Sowjetunion 1991 zu hinterfragen. Nicht nur Hitler, auch der Sowjetdiktator Josef Stalin opfert dem "Wahnsinn von Stalingrad" hunderttausende Leben. Widerstand in der Truppe habe es nicht oft gegeben, da unter Stalin der Heldenkult extrem ausgeprägt gewesen sei, sagt der Militärhistoriker Sergej Leonow. "Zudem wurden Befehlsverweigerer sofort erschossen."

Das "nackte Grauen" habe im Kessel von Stalingrad geherrscht, einem Gebiet von rund 50 Kilometern Durchmesser. "Leichenberge dienten als Kugelfang, und es kam auch zu Kannibalismus", erklärt Leonow.

Dass Stalingrad für Soldaten beider Seiten die Hölle war, ist längst bekannt. Doch jetzt freigegebene Notizen sowjetischer Soldaten zeichnen ein noch schärferes Bild. Ihm sei es vorgekommen, als habe "die Erde tagelang Feuer geatmet", berichtet Hauptmann Nikolai Axojonow. Jeder Soldat wollte "so viele Deutsche wie möglich umbringen", hält der Offizier vor seinem Tod in Stalingrad fest. "An keinem anderen Ort in Europa hat es im Zweiten Weltkrieg ein solch verbissenes Ringen gegeben", sagt der Militärhistoriker Thomas Vogel. dpa

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