Der Triumphator

Verlieren, das war im Lebensplan von Donald Trump eigentlich nie vorgesehen. Er verabscheue Verlierer, gab er einmal mit der üblichen Großmäuligkeit zu Protokoll. Dass er dann im Wahl-Endspurt, in den meisten Umfragen zurückliegend, doch noch Hillary Clinton überholen würde, wird als eine der größten Sensationen in die amerikanische Politik-Geschichte eingehen. Es ist ein seismischer Vorgang, der nicht nur die Finanzmärkte rund um die Welt gestern erschütterte, die nichts so viel hassen wie Unsicherheit. Doch Donald Trump , der Immobilien-Mogul aus dem New Yorker Stadtteil Queens, steht aufgrund seiner politischen Unerfahrenheit wie kaum eine andere Figur für Unberechenbarkeit. Was ist von der Weltmacht USA in den kommenden vier Jahren zu erwarten? Auch die schockierten wie übermüdeten TV-Experten in den US-Sendern wissen auf diese Frage derzeit keine Antwort.

Im New Yorker Hilton-Hotel war der Wahlsieger um 2.50 Uhr nachts ans Mikrofon nebst Familie vor seine jubelnden Anhänger getreten. Kurz zuvor hatten die TV-Stationen seinen Sieg erklärt, nachdem Clinton per Telefonat die Niederlage eingestanden und gratuliert hatte. Trumps Rede war dann weniger eine Triumph-Ansprache als ein Versuch, die absehbaren Schockwellen seines Erfolges abzumildern: Er wolle das Land vereinen. Er werde ein Präsident aller Amerikaner sein. Er werde "schöne und erfolgreiche Dinge" für das Land erreichen. Er werde nicht Feindschaft, sondern Gemeinsamkeiten anstreben. Und er werde die Wähler nicht enttäuschen.

Es war genau die wohlklingende Rede, die Hillary Clinton halten wollte. Doch die saß zu diesem Zeitpunkt erschöpft in ihrer nur wenige Kilometer entfernten Hotelsuite, wie Millionen ihrer Anhänger das Unvorstellbare wohl noch nicht begreifend. Die neuen Ermittlungen des FBI in Sachen E-Mail-Affäre hatten ihr geschadet und von einer Kampagne Trumps abgelenkt, die von Hass und Ignoranz gegenüber Frauen, Muslimen, Einwanderern aus Mexiko und anderen Gruppen mit teilweise abstoßenden Attacken geprägt worden war. Und die Prahlereien, er könne aufgrund seiner Prominenz jeder ihn interessierenden Frau zwischen die Beine greifen, nahm ihm der harte Kern seiner Fans offenbar ebenso wenig übel wie die Tatsache, dass ihm elf Frauen sexuelle Belästigung vorwarfen. Trump lag in mehreren Bundesstaaten vorn, die Clinton sicher in der Tasche glaubte - wie Pennsylvania, Michigan oder Wisconsin. Und profitierte dabei vom Frust im sogenannten "Rust Belt", der vom Aufschwung vergessenen Industrieregion im Nordosten der USA. Vor allem weiße Männer mittleren Alters stimmten für ihn, vor allem neue Jobs erwartend.

Donald Trumps beim Start von den meisten Experten noch als chancenlos eingestufte Bewerbung hat nun eine historische Dimension - vor allem aus einem Grund: Noch nie hat es eine Wahlkampagne gegeben, die so auf die Verärgerung vieler Bürger über den Status Quo in Washington, die Wut über den Einfluss der Reichen in der Politik und dem Wunsch nach starker politischer Führung aufgebaut war. Noch nie wurde zudem eine Kampagne so bösartig geführt - mit Sprechhören wie "Sperrt sie ein" über den Gegner. Trump hat die Lunte an die US-amerikanische Demokratie gelegt, eine Art Grundkonsens aufgekündigt. Er hat die Mittelschicht gegen die Oberen, die Arbeitslosen gegen die Berufstätigen, die Ungebildeten gegen die Gescheiten aufgehetzt. Den tiefsitzenden Ärger von unten nach oben hat er genutzt. Die öffentliche Erregung unter einem Teil der Konservativen half Trump auch, den Fragen zu entkommen, wie er denn seine Ideen in der Realität umsetzen wolle - vom Mauerbau an der Grenze zu Mexiko bis hin zu den geplanten Massen-Deportationen.

Trump hat Rückhalt in seiner Familie. Die Söhne Eric und Donald jr. sowie Tochter Ivanka haben ihm im Wahlkampf den Rücken gestärkt, sie dürften neben der künftigen First Lady Melania Trump (45) auch im Weißen Haus eine Rolle spielen - wenngleich eher im Hintergrund. Mit der PR-Strategin Kellyanne Conway und dem erzkonservativen Medienmacher Steve Bannon dürften die prägenden Figuren seines Wahlkampfes auch weiterhin eine Rolle spielen. Ansonsten ist sein politisches Team bisher wenig erkennbar. Kaum vorstellbar ist derzeit, wie Trump sich mit seiner Partei, den Republikanern, arrangieren will. Zu viel Porzellan ist zerschlagen. Zu viele Beleidigungen sind gefallen. Zu sehr hat Trump die einst große Partei vor die Zerreißprobe gestellt.

Für den Maulhelden Trump beginnt nun der politischen Alltag - heute bereits mit einem Treffen mit dem scheidenden Präsidenten Barack Obama an seinem neuen Arbeitsplatz.

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