Der Tod des bösen Mannes

Bagdad · Der irakische Präsident Saddam Hussein galt als einer der ruchlosesten Machthaber des 20. Jahrhunderts. Seine Gegner bejubelten seinen Tod – doch die Lage des Landes hat sich in den letzten zehn Jahren nicht gebessert.

Die verwackelten Bilder zeigen einen Mann, der seltsam unbeteiligt wirkt, obwohl er weiß, dass er gleich sterben wird. Er trägt einen langen schwarzen Mantel über dem weißen Hemd, der Bart ist grau. Seine vermummten Henker führen ihn eine Treppe hoch, er ist gefesselt. Ein kurzer Blick zur Hinrichtungsstätte, dann betritt der 69-Jährige den mit einem roten Geländer umfassten Platz auf der Fallgrube. Das Gesicht des Mannes zeigt kaum eine Regung, als ihm die Männer den Strick mit dem dicken Henkersknoten um den Hals legen und die Schlinge festziehen.

Auf dem Handyvideo ist noch das islamische Glaubensbekenntnis zu hören, dann fällt der Körper des Mannes nach unten. Am 30. Dezember 2006, einem Samstag, stirbt Saddam Hussein im Morgengrauen durch den Strang. "Er war ein gebrochener Mann", sagt Muwaffak al-Rubaie, nationaler Sicherheitsberater des Iraks, danach. "Er hatte Angst."

Das irakische Staatsfernsehen strahlt Stunden nach dem Tod des langjährigen Machthabers Bilder von jubelnden Menschen aus, die Schüsse in die Luft feuern. Auch der amtierende Regierungschef Nuri al-Maliki ist zufrieden. "Die Gerechtigkeit hat im Namen des Volkes die Todesstrafe gegen den Verbrecher Saddam vollstreckt", erklärt er. US-Präsident George W. Bush spricht von einem Meilenstein auf dem Weg zu einem demokratischen Irak.

Mehr als drei Jahre zuvor hatten Bushs Truppen und die "Koalition der Willigen" Saddam in Bagdad gestürzt, weil sie ihn für einen Schutzherren des internationalen Terrorismus hielten. US-Soldaten entdeckten Saddam im Dezember 2003 nahe seiner Heimatstadt Tikrit in einem Erdloch, in dem er sich versteckt hatte. Aus dem einst mächtigen Diktator war ein verwahrloster alter Mann geworden. Ein Gericht verurteilte ihn im November 2011 wegen eines Massakers im Juli 1982 in dem schiitischen Ort Dudschail nachträglich zum Tode.

Saddams Gegner und Opfer empfanden nach dem Tod des gleichermaßen gefürchteten und bewunderten Staats- und Parteichefs vor zehn Jahren Genugtuung. 24 Jahre lang hatte der Diktator das Land ruchlos regiert. Er ging mit harter Hand gegen seine Gegner vor, schlug Aufstände brutal nieder, setzte gegen sein eigenes Volk Giftgas ein und überfiel das Nachbarland Kuwait. Mit Saddams Tod verband sich auch die Aussicht, dass der so lange geplagte Irak den Weg in eine bessere Zukunft finden könnte - eine Hoffnung, die trügen sollte.

Ein Jahrzehnt nach Saddams Tod steht das Land so desaströs da wie selten zuvor in seiner Geschichte. Die Terrormiliz Islamischer Staat kontrolliert noch immer größere Gebiete. Wo die Armee und ihre Verbündeten den IS verjagt haben, bleiben nicht nur zerbombte Orte zurück, sondern auch zerstörte Gesellschaften. Zehntausende sind seit 2003 gestorben, drei Millionen Menschen vertrieben. Zwar gibt es im Irak heute Wahlen, doch trotzdem regiert die Mehrheit der Schiiten das Land gegen die Minderheit der Sunniten , von denen sich viele diskriminiert fühlen. In großen Teilen des Iraks sind längst schiitische Milizen die eigentlichen Herrscher, nicht die offiziellen Sicherheitskräfte der Regierung in Bagdad .

Nicht wenige im Irak sehnen sich deshalb nach den Zeiten unter Saddam zurück, wo das Leiden zwar groß war, doch viele Menschen zumindest das Gefühl hatten, in Sicherheit zu leben. "Natürlich war Saddam ein Diktator", sagt etwa der 71 Jahre alte Hassan, der in Bagdad in einem Kaffee eine Wasserpfeife raucht. "Aber es gab Sicherheit. Heute haben wir kein Geld, keine Arbeit, wir haben nur Zerstörung." Vor allem unter den Sunniten , die das Land unter Saddam regierten, findet der einstige Diktator noch viele Anhänger. Mitglieder von Saddams Baath-Partei und Ex-Angehörige der Armee haben sich mit dem IS zusammengetan. Erst dieses Bündnis machte die militärischen Erfolge der Terrormiliz im Irak möglich. Der Mythos Saddam, den seine Anhänger heute als Märtyrer verehren, hat den Strang überlebt.

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 Ein US-Soldat bei der Festnahme von Saddam Hussein am 13. Dezember 2003. Foto: Al-irakija/dpa

Ein US-Soldat bei der Festnahme von Saddam Hussein am 13. Dezember 2003. Foto: Al-irakija/dpa

Foto: Al-irakija/dpa

Hintergrund Die irakische Armee hat die nächste Phase im Kampf um die IS-Hochburg Mossul gestartet. Jetzt gehe es darum, die östlichen Stadtviertel zu befreien, hieß es gestern. An der Militäroperation seien Armee , Anti-Terror-Einheiten und die Polizei beteiligt. Die Offensive wird von kurdischen Kräften und der US-Luftwaffe unterstützt. Einige Viertel östlich des Tigris konnten bereits eingenommen werden. Die im Oktober gestartete Offensive war zuletzt ins Stocken geraten. Grund dafür waren schlechtes Wetter und der Widerstand des IS in den von vielen Zivilisten bewohnten Vierteln in Mossul. dpa

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