Der tiefe Fall der liberalen Frontfrau

Brüssel. Silvana Koch-Mehrin hat gepfuscht. Und zwar ziemlich heftig. Gestern Nachmittag zog der Promotionsausschuss der Universität Heidelberg den vor elf Jahren erteilten Doktortitel wieder ein. "Die von Frau Koch-Mehrin vorgelegte Dissertation besteht in substanziellen Teilen aus Plagiaten", bestätigte Dekan Manfred Berg in einer öffentlichen Erklärung

 FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin muss ihren Doktortitel abgeben. Foto: dpa

FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin muss ihren Doktortitel abgeben. Foto: dpa

Brüssel. Silvana Koch-Mehrin hat gepfuscht. Und zwar ziemlich heftig. Gestern Nachmittag zog der Promotionsausschuss der Universität Heidelberg den vor elf Jahren erteilten Doktortitel wieder ein. "Die von Frau Koch-Mehrin vorgelegte Dissertation besteht in substanziellen Teilen aus Plagiaten", bestätigte Dekan Manfred Berg in einer öffentlichen Erklärung. Qualität und Quantität der nachweisbaren Schummelei legten die Schlussfolgerung nahe, dass diese Dissertation "keine selbständige wissenschaftliche Arbeit im Sinne der Promotionsordnung ist".Für Koch-Mehrin (40) bedeutet dieser akademische Schlussstrich einen besonders tiefen Fall. Als Zugpferd der Liberalen bei den beiden zurückliegenden Europa-Wahlen hatte sie die FDP im Europäischen Parlament zu alter Stärke geführt. Als der erste Verdacht gegen ihre Doktorarbeit "Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik: Die Lateinische Münzunion 1865-1927" sich schon vor einigen Wochen erhärtete, räumte sie den Vorsitz der FDP-Gruppe in der Straßburger Bürgervertretung und zog sich auch als Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes zurück.

Da dürfte sie schon das vernichtende Urteil der Heidelberger Wissenschaftler geahnt haben, die ihr nun akribisch auflisteten, was sie alles an akademischen Sünden begangen hatte: "Auf rund 80 Textseiten der Dissertation finden sich über 120 Stellen, die nach Bewertung des Promotionsausschusses als Plagiate zu klassifizieren sind", heißt es in der Erklärung. Diese Kopien stammten aus "über 30 verschiedenen Publikationen, von denen zwei Drittel nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt worden sind". Koch-Mehrin habe sich somit "fremdes geistiges Eigentum angeeignet und als das eigene ausgegeben".

Die Beschuldigte selbst schwieg auch gestern, wie schon in den Wochen zuvor, seitdem die Internet-Plagiatsjäger sie aufs Korn genommen hatten. Sie werde sich, hieß es, weiter auf ihre Arbeit als "einfache" Abgeordnete konzentrieren. Hinter den Kulissen aber gibt es viel Schadenfreude. Denn die Blondine, die mit einem irischen Anwalt verheiratet ist und drei Kinder hat, war außerhalb ihrer Fraktion alles andere als beliebt. Dazu trugen nicht nur Fotos bei, für die sie mit blankem Babybauch posiert hatte. Immer wieder geriet sie ins Schussfeld von Kritikern, die ihr beispielsweise vorhielten, ihre Präsenz im Parlamentsplenum und in den Ausschüssen nach dem Motto "Willst du gelten, mach dich selten" zu gestalten. Vor der letzten Europawahl 2009 tauchten Strichlisten auf, die diese "eingeschränkte Teilnahme" am parlamentarischen Alltag belegen sollten. Der zweite Fall einer prominenten Politikerin aber lässt zunehmend auch die Hochschulen selbst nicht zur Ruhe kommen. Eine Karlsruher Studentengruppe forderte gestern, künftig sollten alle Doktorarbeiten elektronisch überprüft werden. dr

Die Schwester im Geiste

Von SZ-RedakteurBernard Bernarding

Nach Karl-Theodor zu Guttenberg ist also ein weiterer Polit-Star über seine Dissertation gestolpert. Die bisherige FDP-Hoffnungsträgerin Silvana Koch-Mehrin ist eine Art "Schwester im Geiste" des gefallenen Ex-Ministers: Rasant aufgestiegen, tief gestürzt. Häme ist darüber nicht angebracht, eher Mitleid.

 FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin muss ihren Doktortitel abgeben. Foto: dpa

FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin muss ihren Doktortitel abgeben. Foto: dpa

Wie zu Guttenberg wollte auch die attraktive Liberale den ohnehin schönen Schein mit einem Doktor-Titel weiter aufpolieren. Und wie beim CSU-Kollegen hat man sich auch bei Koch-Mehrin gefragt, wie diese tollen Hechte das bloß alles schaffen: Beruf, Ämter und Familie mitsamt akademischen Ehren unter einen Hut zu bringen. Das Tröstliche für Normalbürger: Es funktioniert offenbar nicht - oder oft nur mit arglistiger Täuschung. Für Koch-Mehrin ist die politische Karriere nun vorbei. Sie hat abgeschrieben - nun ist sie abgeschrieben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort