Der starke Mann und sein chinesischer Traum Xis Ehefrau ist in China ein Musik-Star

Luotuowan/Peking. "Es war wie eine Begegnung mit einem Heiligen", strahlt Reng Ziyi. "Er hat unser Leben verändert." Der 75-jährige Bauer spricht von Xi Jinping, Chinas neuem Präsidenten, der gestern vom Nationalen Volkskongress, Pekings Quasi-Parlament, gewählt wurde. Ende Dezember hat Reng den künftigen Staatschef getroffen

Luotuowan/Peking. "Es war wie eine Begegnung mit einem Heiligen", strahlt Reng Ziyi. "Er hat unser Leben verändert." Der 75-jährige Bauer spricht von Xi Jinping, Chinas neuem Präsidenten, der gestern vom Nationalen Volkskongress, Pekings Quasi-Parlament, gewählt wurde. Ende Dezember hat Reng den künftigen Staatschef getroffen. Damals besuchte Xi bei einer seiner ersten Reisen als frisch gekürter Generalsekretär der Kommunistischen Partei Rengs Heimatort Luotuowan. 600 Menschen leben hier in notdürftigen Häusern. "Ich möchte eine Nahaufnahme echter Armut", erklärte der Politiker. "Ich will die Wirklichkeit sehen, keine gefälschten Wahrheiten."

Xis Ausflug war einer der ersten Einblicke in das Rollenverständnis des neuen Staatschefs, der nun zehn Jahre lang die Geschicke der Volksrepublik führen soll. Obwohl der Aufstieg des 59-Jährigen seit Jahren feststand, agierte er bisher im Schatten seines Vorgängers Hu Jintao und ist deshalb für die meisten Chinesen ein unbeschriebenes Blatt. Als Sohn eines einflussreichen Revolutionsveterans, der sein gesamtes Leben im Kreis der Pekinger Parteielite verbracht hat, eilt Xi der Ruf eines privilegierten Karrierekaders voraus. In Luotuowan präsentierte er sich jedoch als Mann des einfachen Volkes. Er schüttelte Hände und streichelte Kinderköpfe. Beim Betreten der baufälligen Hütten zog er höflich die Schuhe aus. "Er war überhaupt nicht so arrogant, wie Kader es in der Regel sind", erinnert sich Reng. "Das gibt uns Hoffnung."

Nicht ganz unerheblich für Rengs Begeisterung dürften allerdings die Geschenke sein, die Xi in Luotuowan verteilen ließ. Die Bauern, deren durchschnittliches Jahreseinkommen 900 Yuan (110 Euro) beträgt, bekamen Säcke mit Reis und Mehl und Flaschen mit Speiseöl. Der Präsident wollte offenbar zeigen, dass er nicht nur Hilfe verspricht, sondern liefert. Auch den Hauswänden spendierte er einen neuen Anstrich. In grellem Türkis liegt das Dorf nun in der winterlichen Trostlosigkeit. Auf Bauer Reng macht das Eindruck: "Jetzt, da Xi Jinping hier war, wird er uns nicht länger leiden lassen."

Nicht alle in China sind so überzeugt. Denn mit Hilfen für einzelne Dörfer ist es nicht getan. Viele Chinesen hoffen, dass Xi die Probleme des Landes an der Wurzel packt und nicht nur oberflächlich übertüncht. "Xi Jinping und die neue Führung versuchen, den Schwächsten der Gesellschaft, die immer unzufriedener werden, neue Hoffnung zu geben", sagt der Pekinger Ökonom Hu Xingdou. "Aber ob er in der Lage ist, wirkliche Veränderungen herbeizuführen, müssen wir noch sehen."

Immerhin: Das Programm, das Xi in den vier Monaten seit seinem Amtsantritt als Parteichef verbreitet hat, zeigt eindeutig in Richtung Reformen. Er fordert ein nachhaltigeres Wachstumsmodell und mehr Umweltschutz. Das Rechtssystem will Xi stärken, korrupten Kadern hat er den Kampf angesagt. Nach den Erfahrungen der Ära Hu Jintao, in der es viele Worte, aber wenig Taten gab, ist Skepsis zwar angebracht. Doch dass Xi durchaus ernst genommen wird, zeigt sich etwa daran, dass Beamte im ganzen Land sich derzeit bemühen, nicht durch Verschwendungssucht aufzufallen. Bei offiziellen Essen müssten vier Gerichte und eine Suppe reichen, hat Xi angeordnet, und die Teller sollten leer gegessen werden.

Allerdings: Obwohl Xi sich bisher zu vielen Reformprojekten bekannt hat - mehr Freiheit, weniger Zensur und die Bereitschaft, dunkle Kapitel der Parteigeschichte aufzuarbeiten, gehören nicht dazu. Auch im Ausland wecken Xis Positionen Besorgnis. Unter dem Slogan "Chinesischer Traum" verspricht der neue Präsident seinem Volk ein starkes China, das seine Macht auch militärisch zeigt. Bei Nachbarstaaten wie Japan, Vietnam oder den Philippinen, die mit China Territorialstreitigkeiten haben, schürt das Sorgen, Xi könne mit nationalistischer Kraftmeierrei von internen Problemen ablenken wollen.

In Luotuowan haben die Bauern einen anderen "Chinesischen Traum". Sie wollen endlich teilhaben am Wohlstand, der sich in den Städten ausbreitet, ihr Dorf aber nur in Form von Fernsehbildern erreicht. Reng Ziyi mag seit Xis Besuch optimistisch sein, doch sein Nachbar Ren Xinmin ist vorsichtiger. "Heute leben nur noch die Alten im Dorf, die Jungen suchen ihr Glück in der Stadt", sagt Ren. Ein Ort wie Luotuowan habe keine Zukunft: "Auch die Führung wird uns bald wieder vergessen haben."Foto: XIAO LI /dpa

Peking. Kontinuierlich kletterte er in der Hierarchie nach oben - mit seiner Wahl zum Präsidenten ist der Aufstieg von Xi Jinping an die Hebel der Macht jetzt perfekt. Der 59-Jährige gilt als konservativ und wenig charismatisch. Glamour fällt auf den eher spröden Xi durch seine Ehefrau Peng Liyuan. Sie ist zehn Jahre jünger und eine berühmte Sängerin. Während Xi noch als unbekannter Funktionär an seiner Karriere feilte, war die Sopranistin bereits ein Star. Ihre Laufbahn hatte sie als einfache Soldatin begonnen, bevor sie durch ihre Auftritte bei der Neujahrsgala, mit 700 Millionen Zuschauern die meist gesehene Sendung Chinas, zu Ruhm gelangte. Als Peng sich 2008 nach 25 Jahren aus der Neujahrsgala verabschiedete, wurde gemunkelt, dass sie ihrem Mann keine Konkurrenz machen sollte. afp/dpa

Meinung

Die drei Fragezeichen

Von Bernhard Bartsch

Mit der Problemanalyse muss sich Chinas neue Führung nicht lange aufhalten. Dass die sozialen Spannungen steigen, die Korruption grassiert und die Umwelt zerstört wird, beklagten schon ihre Vorgänger. Was müssen sie also tun? An drei grundlegenden Kursentscheidungen werden die Chinesen und die Welt beurteilen können, ob das Land auf dem richtigen Weg ist. Erstens muss die Partei den Glauben an Chinas Reformfähigkeit wieder herstellen. Die letzte große Erneuerung erlebte das Land Mitte der 90er mit der Privatisierung tausender Staatsbetriebe. Zweitens muss die Führung aufhören, ihr Volk als politischen Gegner zu betrachten. In China ist längst eine kritische Öffentlichkeit entstanden, die ein Interesse hat, über ihr Land zu diskutieren. Drittens muss die Volksrepublik ihre internationale Rolle neu definieren. China ist eine einsame Weltmacht, die nur wenige Verbündete und keine Freunde hat.

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