Der Spagat „perfekter“ Väter

Berlin · Laut einer Studie des Forsa-Instituts wünscht sich eine überwältigende Mehrheit der Männer, so viel Zeit wie möglich mit dem eigenen Nachwuchs verbringen zu können – die Realität sieht jedoch meist anders aus.

Als SPD-Chef Sigmar Gabriel Anfang Januar seine Mittwochnachmittage für Tochter Marie reservierte, machte das Schlagzeilen bis nach Italien. Ein Minister als aktiver Teilzeit-Vater? Im Land der großen Kinderliebe für viele Männer unvorstellbar. In Deutschland hat sich der Wind gedreht. Immer mehr Männer schwanken zwischen dem traditionellen Rollenbild als Ernährer ihrer Familie und dem Wunsch nach mehr Zeit mit ihren Kindern hin und her. Es ist wie ein neuer Stressfaktor.

Oft ist es nicht allein eine Frage von Zeit und Geld. Es geht um die Anerkennung neuer Männerrollen und um die Wünsche von Frauen. Das macht die Sache kompliziert. Wie kompliziert, hat die Zeitschrift "Eltern" nun in einer repräsentativen Umfrage unter Vätern beleuchtet. Vater sein bedeutet heute ein Leben mit mehr Widersprüchlichkeiten als früher, lautet ein Hauptergebnis.

"Väter wollen früh eine Erziehungsfunktion haben und nicht das fünfte Rad am Wagen sein", sagt Ralf Sprecht, Vorsitzender des Vereins Väter in Hamburg. "Trotzdem fühlen sich viele Männer auch weiterhin als Ernährer. Der Tag hat aber nur 24 Stunden. Deshalb sind viele Männer so ausgepowert." Aber vom Vollzeitjob lassen will die große Mehrheit auch nicht. Liegt das an der Karriereplanung? Nicht nur, meint der Schriftsteller Ralf Bönt. "Was man heute unterschätzt ist, dass fast alle Männer bei der Geburt eines Kindes einen Schub von Sicherheitsdenken haben. Die Arbeitsstunden gehen hoch."

So weit, wie Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) gehen wollte, scheint die Gesellschaft noch nicht zu sein. Eine Vier-Tage-Woche mit jeweils 32 Stunden für junge Väter und Mütter? Diese Stundenzahl hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) als günstigste Variante für eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausgerechnet. Der Soziologe Thomas Gesterkamp bedauert, dass die Idee so schnell "plattgemacht" wurde.

Trotzdem ist einiges in Bewegung. Seit der Einführung des Elterngeldes 2007 lässt sich messen, wie rasant sich Gewohnheiten verändern. Mehr als jeder vierte Vater eines Neugeborenen nehme heute Elternzeit, heißt es beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden. Doch die Mehrheit entscheidet sich weiter für zwei Monate. Auch das sei nicht zu unterschätzen, sagt Gesterkamp. Schließlich sei es ein historisches Phänomen, dass Väter jetzt für Säuglinge alleinverantwortlich sein können. "Solche Prozesse brauchen Zeit, das dauert eine Generation", sagt Marie-Luise Lewicki, Chefredakteurin der Zeitschrift "Eltern". Die Saat für ein neues Vater-Verständnis ist für sie vor 30 Jahren gelegt worden, als die ersten Männer bei der Geburt dabei waren. "Heute muss ein Vater schon sehr gute Gründe nennen, wenn er nicht dabei ist", sagt sie.

Auch in der Arbeitswelt tut sich etwas. Unternehmen, die gute Fachkräfte suchen, müssen heute etwas bieten. Dax-Unternehmen lassen sich dafür inzwischen beispielsweise von Väter-Vereinen beraten. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will die Bundeswehr unter anderem mit Teilzeitarbeit familienfreundlicher gestalten. Doch die Meinungen über Elternzeiten bleiben geteilt. Headhunter warnen weiter vor Karriereknicks bei längeren Pausen.

Wer an Wochentagen morgens im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg in die Cafés schaut, sieht dennoch Bilder, die vor 20 Jahren irritiert hätten: Väter mit Dreitagebart, die sich Kinderwagen schaukelnd über die jüngsten Durchschlaf-Quoten austauschen. "Papa-Welle" nennt das Gesterkamp. Er glaubt an einen kulturellen Umbruch, der sich langsam vollzieht. Für Lewicki geht es hier nicht nur um junge Familien. Sie glaubt, dass die Generation, die in den 80er Jahren zur Welt kam, eine andere Einstellung zur Rolle der Arbeit hat: Sie würde auch ohne Kinder lieber nur vier Tage arbeiten.

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