Der „Sohn der Sonne“ brachte nur Schatten

Bukarest/Bonn · Fast alle anderen kommunistischen Diktaturen des Ostblocks hatten sich aufgelöst, als im Dezember 1989 in Rumänien das Regime Ceausescus stürzte.

Am Ende sahen die Rumänen, wie sehr das Alter ihren Herrscher eingeholt hatte. Jahrelang war der Despot nur frisch geschminkt vor die Kameras getreten. Nun, am 25. Dezember 1989, erinnerte allein der pelzverbrämte Mantel Nicolae Ceausescus an die Zeiten von Macht und Luxus. Verständnislos, mit Verachtung blickten der "Erlöser des Volkes" und seine Frau Elena dem eilig errichteten Militärtribunal in der Provinzkaserne von Tirgoviste entgegen. Kurz darauf führten Männer mit Kalaschnikows das Paar zur Hinrichtung. Noch am Abend zeigte das rumänische Fernsehen die Bilder der beiden Leichen, um den verzweifelt kämpfenden Günstlingen des Tyrannen ihre letzte Hoffnung zu nehmen.

Alle Schminke der Welt hätte das Ergebnis von fast einem Vierteljahrhundert Ceausescu-Herrschaft nicht übertünchen können. In keinem anderen Ostblockstaat schlugen sozialistisches Erlösungspathos und brutale Geheimdienst-Realität so hart aufeinander wie im Reich des Roten Pharao. Während in Moskau der Anspruch auf Weltmacht und in Berlin die Mauer fiel, vegetierten 23 Millionen Rumänen weiter in einer Mischung aus Folterknast, Armenquartier und absurdem Theater. Lebensmittel und Strom waren im siebten Winter nacheinander rationiert. Der Geheimdienst Securitate verhaftete, misshandelte, liquidierte. Der Personenkult um den "Führer" trieb derweil immer groteskere Blüten. Seine Hofdichter übertrafen sich in schwülstigen Titulierungen.

Der "Sohn der Sonne" kam am 26. Januar 1918 als eines von zehn Kindern einer Kleinbauernfamilie zur Welt. Als Schusterlehrling schloss er sich den Kommunisten an, ausgestattet mit natürlicher Intelligenz, gerissen, loyal und zu jedem Auftrag bereit. Im Kielwasser von Gheorghe Gheorghiu-Dej, Parteichef und Favorit Stalins, bahnte sich der junge Ceausescu seinen Weg durch die Nomenklatura. Vom Leiter der Zwangskollektivierung schaffte er 1955 den Aufstieg ins Politbüro und machte sich dort unentbehrlich. Beim Tod Gheorghiu-Dejs 1965 war seine Nachfolge als Generalsekretär der Staatspartei unumstritten. Es folgten die "Goldenen Jahre". Im Inneren zeigte sich der neue Mann zunächst liberal, gewann die Gunst der Bevölkerung. Außenpolitisch näherte er sich dem Klassenfeind. 1967 nahm Rumänien als erster Ostblockstaat nach der Sowjetunion die Beziehungen zur wirtschaftlich attraktiven Bundesrepublik auf. Breschnews Niederwalzen des Prager Frühlings lehnte Ceausescu ein Jahr später unter dem Jubel Hunderttausender schroff ab. Er kehrte den Nationalisten heraus, pochte auf Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Der Westen hofierte ihn als vermeintlichen Quertreiber mit Staatsbesuchen und Krediten. Von Bonn bis Washington galt der Donau-Despot, der bis Mitte der 1970er Jahre die wichtigsten Machtpositionen im Staat vereinnahmt und den Geheimdienst unter Kontrolle gebracht hatte, als Hoffnungsträger. Tatsächlich kannte er seine Grenzen gegenüber Moskau genau.

Finanziert durch westliches Kapital, stürzte er das Agrarland in gigantomanische Industrieprojekte, deren minderwertige Produkte niemand kaufen wollte, bevor der Rost sein Urteil fällte. Mit dem Plan, die Auslandsschulden durch den Massenexport von Lebensmitteln zu tilgen, führte Ceausescu sein Volk seit Anfang der 80er Jahre ins Elend. Elena, ebenso machtbesessen und größenwahnsinnig wie ihr Mann, heizte das Leid durch erzwungenen Kinderreichtum noch an. Zum Schluss stützte sich das Regime nur noch auf den verzweigten Ceausescu-Clan und das Spitzelsystem der Securitate .

Die Rumänen, so Ceausescu-Biograf Thomas Kunze, verfielen derweil endgültig in "kollektive Schizophrenie": ein Volk hungernder und frierender Jubelkomparsen. Die drohende Strafversetzung eines Dissidenten-Pfarrers gab am 16. Dezember 1989 in Timisoara das Signal zum Aufstand, der das ganze Land erfasste. Hunderte starben im Feuer der Securitate und regimetreuer Armeeverbände. Doch die Streitkräfte erkannten schnell die Zeichen der Zeit und stellten das geflohene Herrscherpaar am Rande der Karpaten. Was blieb, sind zwei unscheinbare Gräber in Bukarest - und der Lebensdurst eines Volkes.

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