Energie-Kommission Der schwere Einstieg in den Kohle-Ausstieg
Berlin · Bis Jahresende soll eine neue Kommission die umstrittenste Energiefrage Deutschlands lösen. Doch es gibt Widerstände – bereits am ersten Tag.
Drei Minister zogen gestern Vormittag vors Kanzleramt um gemeinsam und stolz zu verkünden, was sie eben drinnen beschlossen hatten. Die Gründung einer Kommission mit dem etwas irreführenden Titel „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Der Name „Kommission zur Zukunft der Kohle“ wäre treffender. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was soll die Kohle-Kommission leisten?
Sie soll bis Jahresende tagen und ein Enddatum für die Kohleverstromung in Deutschland vorschlagen. Außerdem soll sie einen Plan für einen schrittweisen Ausstieg aus der Kohle entwickeln und Ideen unterbreiten, wie in den betroffenen Regionen „neue, zukunftssichere Arbeitsplätze“ entstehen können. Schon bis Sommerende soll das Gremium obendrein Empfehlungen geben, wie Deutschland seine Klimaziele für 2020 noch erreichen kann, die deutlich verfehlt zu werden drohen.
Welche Regionen sind betroffen?
Es geht vor allem um die Lausitz und um das Rheinland. Dort befinden sich nicht nur große Braunkohle-Tagebaue, sondern auch die schmutzigsten Kraftwerke Deutschlands. So stößt beispielsweise das Kraftwerk Neurath rund 31 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus, das Kraftwerk Jänschwalde rund 24 Millionen Tonnen. Das größte Steinkohlekraftwerk Mannheim kommt auf etwa 7,5 Millionen Tonnen im Jahr. Braun- und Steinkohle liefern derzeit aber noch rund ein Drittel des Stroms und garantieren die Grundlastversorgung. Etwa 20 000 Menschen arbeiten bundesweit in der Braunkohle. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, zuerst müssten für diese Regionen Perspektiven formuliert sein, ehe über ein Ausstiegsdatum entschieden werde. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) betonte, es müsse gelingen, „Arbeit zu den Menschen zu bringen“. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, die Beschäftigten bräuchten „mehr als nur Gutachten“. Es gehe darum, „den Strukturwandel zu gestalten und Strukturbrüche zu vermeiden“.
Warum gibt es überhaupt so ein Gremium?
Die große Koalition will die Klimaziele für 2030 „auf jeden Fall“ erreichen, heißt es im Vertrag von Union und SPD. Eine Verringerung des Kohlendioxidausstoßes um 55 Prozent gegenüber dem Status von 1990 ist mit Kohlestrom aber unrealistisch, denn er produziert mit über 250 Millionen Tonnen mehr als ein Viertel der jährlich in Deutschland ausgestoßenen 900 Millionen Tonnen CO2. Zum Vergleich: Der gesamte Verkehr kommt „nur“ auf 170 Millionen Tonnen. Allerdings sind die Widerstände in den Koalitionsparteien, den Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden gegen einen schnellen Ausstieg groß.
Wie ist die Arbeit organisiert?
Um die Zusammensetzung gab es ein langes hin und her, bis zuletzt wurden Namen nachgereicht. Jetzt gehören dem Gremium 24 Experten an – aus Gewerkschaften und Ökogruppen, Wirtschaftsverbänden und Wissenschaft. Dazu kommen drei Abgeordnete von CDU, CSU und SPD, allerdings ohne Stimmrecht. Die Opposition ist als solche nicht vertreten. Gleich vier Persönlichkeiten leiten das Gremium: die ehemaligen Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen, Matthias Platzeck (SPD) und Stanislaw Tillich (CDU), Bahn-Vorstand Ronald Pofalla (CDU) und die Wissenschaftlerin Barbara Praetorious. Die Staatssekretäre von acht Bundesministerien bilden darüber hinaus einen Ausschuss, der die Arbeit begleiten soll.
Was sagen die Kritiker?
Grünen-Chefin Annalena Baerbock forderte einen schnellen Ausstieg bis 2030. Die Regierung habe offenbar nicht den Mut, eine solche politische Entscheidung zu treffen. Damit werde die Kommission nun „überfrachtet“. Sinnvoll sei allerdings, dass sie den Strukturwandel in den betroffenen Regionen begleite. Demgegenüber forderte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) eine Übergangsfrist von 30 Jahren. Der Linken-Klimaexperte Lorenz Gösta Beutin nannte das Gremium einen „undemokratischen Groko-Debattierclub“, weil große Teile der Bevölkerung dort nicht repräsentiert seien. Für den 24. Juni und damit zwei Tage vor der ersten Kommissionssitzung planen Umweltverbände bereits eine große Anti-Kohle-Demonstration in Berlin.