Der schwarze Freitag des Thomas Middelhoff

Thomas Middelhoff vergräbt sein Gesicht in seinen Händen. Und als er die Augen wieder hebt, wirken seine Züge versteinert. Der frühere Top-Manager, "Big T" genannt, erlebt am Freitagvormittag im Saal 101 des Landgerichts Essen eine der wohl schwärzesten Stunden seines Lebens. Das Gericht verurteilt den früheren Chef des pleitegegangenen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor nicht nur wegen Untreue in besonders schwerem Fall und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren - völlig überraschend erlässt das Gericht wegen Fluchtgefahr auch noch einen Haftbefehl gegen den Manager . Noch im Gerichtssaal wird der 61-Jährige im dunklen Anzug und blütenweißem Hemd verhaftet. Es ist ein tiefer Fall für Middelhoff. Noch vor wenigen Jahren galt der gebürtige Düsseldorfer als einer der einflussreichsten Manager Deutschlands. Als Bertelsmann-Chef verdiente er Milliarden für den Gütersloher Medienriesen, danach war er als Investmentbanker in London tätig. Als er 2005 den Chefsessel beim angeschlagenen Warenhauskonzern Karstadt-Quelle übernahm, wurde er von den Beschäftigten noch als Retter begrüßt. Doch der Einstieg bei dem später in Arcandor umbenannten Handelsunternehmen erwies sich für den Manager als Wendepunkt seiner Karriere. Middelhoff gelang es trotz fieberhafter Bemühungen nicht, eine nachhaltige Erholung des Handelsriesen zu erreichen. Er musste schließlich Anfang 2009 den Chefsessel räumen. Wenige Monate später meldete der Konzern Insolvenz an. Und ausgerechnet das Insolvenzverfahren wurde zum Fallstrick für den promovierten Betriebswirt. Es sei die "Erbsenzählerei" der Insolvenzverwalter gewesen, die zum Essener Verfahren geführt habe, sagte der Vorsitzende Richter Jörg Schmitt. Dabei ging es nicht um die Frage, ob Middelhoff Schuld an der Arcandor-Pleite ist. Es ging um die Frage, ob Middelhoff als Vorstandschef den Konzern zu Unrecht mit Kosten belastete, die er eigentlich selbst hätte tragen müssen. In 27 Fällen bejahte das Gericht in seiner zweistündigen Urteilsbegründung diesen Vorwurf. Es geht um teure Flüge im Charterjet nach New York, wo Middelhoff quasi im Nebenjob im Aufsichtsgremium der "New York Times" saß. Um Reisen mit dem Privatjet zum Ferienhaus nach Saint Tropez und um Hubschrauberflüge vom Wohnsitz in Bielefeld zur Firmenzentrale in Essen, mit denen der Manager die Staus am Kamener Kreuz vermied. Außerdem ging es um eine 180 000 Euro teuere Festschrift zu Ehren des früheren Bertelsmann-Chefs und Middelhoff-Mentors Mark Wössner . Den von Middelhoff verursachten Schaden bezifferte das Gericht auf rund 500 000 Euro. Er habe in 15 Jahren als Richter selten einen Angeklagten erlebt, der sich in so viele Widersprüche verwickelt habe, sagte Richter Schmitt. So habe Middelhoff anfangs erklärt, er habe bei dem Handelskonzern eine neue Herausforderung gesucht und sei deshalb sogar zu Gehaltseinbußen bereit gewesen. Doch im Verlauf des Prozesses sei dann offensichtlich geworden, dass der Manager bei einer erfolgreichen Sanierung mit einer Prämie in Höhe von 100 Millionen Euro habe rechnen können. An entscheidenden Stellen sei Middelhoff nicht ehrlich mit dem Gericht gewesen. Strafmildernd wertete das Gericht dafür das tadelsfreie Vorleben des Angeklagten und seine bisherige Lebensleistung, sowie nicht zuletzt die erhebliche Belastung durch den Medienrummel um das Verfahren. Auch die "besondere Haftempfindlichkeit" des 61-Jährigen sei bei der Strafzumessung berücksichtigt worden. Als haftempfindlich bezeichnen Juristen Menschen, die wegen ihrer Lebensumstände besonders unter einer Haftstrafe psychisch wie physisch leiden würden. Middelhoffs Promi-Status habe sich dagegen nicht auf das Urteil ausgewirkt. Die Konsequenzen für den Manager sind bitter: Statt in seiner Villa in Saint Tropez oder seiner Residenz in Bielefeld dürfte der Manager die nächsten Nächte in einer Zelle in einer nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalt verbringen. Erst in der nächsten Woche soll ein weiterer Haftprüfungstermin stattfinden, der die Tore der JVA für den Manager wieder öffnen könnte.

Thomas Middelhoff vergräbt sein Gesicht in seinen Händen. Und als er die Augen wieder hebt, wirken seine Züge versteinert. Der frühere Top-Manager, "Big T" genannt, erlebt am Freitagvormittag im Saal 101 des Landgerichts Essen eine der wohl schwärzesten Stunden seines Lebens. Das Gericht verurteilt den früheren Chef des pleitegegangenen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor nicht nur wegen Untreue in besonders schwerem Fall und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren - völlig überraschend erlässt das Gericht wegen Fluchtgefahr auch noch einen Haftbefehl gegen den Manager . Noch im Gerichtssaal wird der 61-Jährige im dunklen Anzug und blütenweißem Hemd verhaftet.

Es ist ein tiefer Fall für Middelhoff. Noch vor wenigen Jahren galt der gebürtige Düsseldorfer als einer der einflussreichsten Manager Deutschlands. Als Bertelsmann-Chef verdiente er Milliarden für den Gütersloher Medienriesen, danach war er als Investmentbanker in London tätig. Als er 2005 den Chefsessel beim angeschlagenen Warenhauskonzern Karstadt-Quelle übernahm, wurde er von den Beschäftigten noch als Retter begrüßt.

Doch der Einstieg bei dem später in Arcandor umbenannten Handelsunternehmen erwies sich für den Manager als Wendepunkt seiner Karriere. Middelhoff gelang es trotz fieberhafter Bemühungen nicht, eine nachhaltige Erholung des Handelsriesen zu erreichen. Er musste schließlich Anfang 2009 den Chefsessel räumen. Wenige Monate später meldete der Konzern Insolvenz an.

Und ausgerechnet das Insolvenzverfahren wurde zum Fallstrick für den promovierten Betriebswirt. Es sei die "Erbsenzählerei" der Insolvenzverwalter gewesen, die zum Essener Verfahren geführt habe, sagte der Vorsitzende Richter Jörg Schmitt. Dabei ging es nicht um die Frage, ob Middelhoff Schuld an der Arcandor-Pleite ist. Es ging um die Frage, ob Middelhoff als Vorstandschef den Konzern zu Unrecht mit Kosten belastete, die er eigentlich selbst hätte tragen müssen. In 27 Fällen bejahte das Gericht in seiner zweistündigen Urteilsbegründung diesen Vorwurf. Es geht um teure Flüge im Charterjet nach New York, wo Middelhoff quasi im Nebenjob im Aufsichtsgremium der "New York Times" saß. Um Reisen mit dem Privatjet zum Ferienhaus nach Saint Tropez und um Hubschrauberflüge vom Wohnsitz in Bielefeld zur Firmenzentrale in Essen, mit denen der Manager die Staus am Kamener Kreuz vermied. Außerdem ging es um eine 180 000 Euro teuere Festschrift zu Ehren des früheren Bertelsmann-Chefs und Middelhoff-Mentors Mark Wössner . Den von Middelhoff verursachten Schaden bezifferte das Gericht auf rund 500 000 Euro.

Er habe in 15 Jahren als Richter selten einen Angeklagten erlebt, der sich in so viele Widersprüche verwickelt habe, sagte Richter Schmitt. So habe Middelhoff anfangs erklärt, er habe bei dem Handelskonzern eine neue Herausforderung gesucht und sei deshalb sogar zu Gehaltseinbußen bereit gewesen. Doch im Verlauf des Prozesses sei dann offensichtlich geworden, dass der Manager bei einer erfolgreichen Sanierung mit einer Prämie in Höhe von 100 Millionen Euro habe rechnen können. An entscheidenden Stellen sei Middelhoff nicht ehrlich mit dem Gericht gewesen.

Strafmildernd wertete das Gericht dafür das tadelsfreie Vorleben des Angeklagten und seine bisherige Lebensleistung, sowie nicht zuletzt die erhebliche Belastung durch den Medienrummel um das Verfahren. Auch die "besondere Haftempfindlichkeit" des 61-Jährigen sei bei der Strafzumessung berücksichtigt worden. Als haftempfindlich bezeichnen Juristen Menschen, die wegen ihrer Lebensumstände besonders unter einer Haftstrafe psychisch wie physisch leiden würden. Middelhoffs Promi-Status habe sich dagegen nicht auf das Urteil ausgewirkt.

Die Konsequenzen für den Manager sind bitter: Statt in seiner Villa in Saint Tropez oder seiner Residenz in Bielefeld dürfte der Manager die nächsten Nächte in einer Zelle in einer nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalt verbringen. Erst in der nächsten Woche soll ein weiterer Haftprüfungstermin stattfinden, der die Tore der JVA für den Manager wieder öffnen könnte.

Meinung:

Bodenhaftung völlig verloren

Von SZ-RedakteurThomas Sponticcia

Wer Thomas Middelhoff einmal persönlich erlebt hat, etwa zu Zeiten als Vorstandschef von Bertelsmann, der konnte damals schon bemerken, dass diesem Mann Bodenhaftung und Realismus fehlen. Er lebt von Selbstüberschätzung. Eindeutigster Beweis war sein Versuch, Bertelsmann gegen den Widerstand der Eigentümer-Familie Mohn an die Börse zu bringen. Die Familie sah ihre Macht in Gefahr, der Rauswurf folgte. Auch sein späterer Versuch, Karstadt-Quelle zu sanieren, scheiterte spektakulär. Was ihn nicht davon abhielt, mit dem Hubschrauber vom privaten Wohnsitz zum Unternehmen zu fliegen und das auf Firmenkosten abzurechnen. Es verwundert nicht, dass Middelhoff sich trotz Vorwürfen der Untreue in 27 Fällen und Steuerhinterziehung in drei Fällen für unschuldig hielt. Seit gestern hat er wieder Bodenkontakt.

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