Der Schirm ist geöffnet, doch alle hoffen auf SonneSo funktioniert der Euro-Rettungsschirm

Brüssel. Es ist wie bei einer Feuerversicherung: Allein ihre Existenz lässt Hausbesitzer ruhig schlafen. Genauso verhält es sich mit dem Euro-Rettungsschirm. Allein weil es ihn gibt, haben sich die Finanzmärkte schon beruhigt. Das historisch einmalige Notpaket, das die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds (IWF) am 9

 Eine Zeit lang sah es trüb aus für den Euro. Inzwischen hat sich die Lage stabilisiert, doch ganz verzogen haben sich die dunklen Wolken noch nicht. Foto: dpa

Eine Zeit lang sah es trüb aus für den Euro. Inzwischen hat sich die Lage stabilisiert, doch ganz verzogen haben sich die dunklen Wolken noch nicht. Foto: dpa

Brüssel. Es ist wie bei einer Feuerversicherung: Allein ihre Existenz lässt Hausbesitzer ruhig schlafen. Genauso verhält es sich mit dem Euro-Rettungsschirm. Allein weil es ihn gibt, haben sich die Finanzmärkte schon beruhigt. Das historisch einmalige Notpaket, das die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds (IWF) am 9. Mai in aller Eile geschnürt haben, um eine Kernschmelze des Euro zu verhindern, wirkt. Die Tatkraft der Regierungen und der unter Beweis gestellte Wille zum Sparen haben den Euro gerettet. 100 Tage nach der dramatischen Hilfsaktion sieht es so aus, als würde sich bewahrheiten, worauf alle hoffen: Dass der Fonds niemals aktiviert werden muss. "Im Moment ist es unwahrscheinlich, dass überhaupt irgendwelches Geld gebraucht werden wird", sagt der Chef der Zweckgesellschaft, Klaus Regling. Der Fonds, der seit Anfang August einsatzbereit ist, soll im Notfall Euro-Länder vor der Pleite retten - und die Gemeinschaftswährung vor Spekulationsattacken. Bis zu 750 Milliarden Euro Kredite stehen bereit.Schicksalsjahr 2011"Das Kalkül der EU-Regierungen ist aufgegangen", bilanziert der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer. Blickten im Frühjahr alle Investoren auf die Probleme der Euro-Länder, hat sich ihre Aufmerksamkeit inzwischen auf die USA verlagert, wo sich das Wirtschaftswachstum abschwächt und die Menschen weitaus stärker über ihre Verhältnisse leben als viele Europäer. In der Euro-Zone ist der lang ersehnte Aufschwung mit einem Wachstum von 1,0 Prozent im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal da. Selbst die Sorgenkinder der Euro-Zone wie Spanien oder Portugal haben zuletzt positiv überrascht und machen ernst mit Sparkurs und Defizitabbau.Doch es gibt auch schlechte Nachrichten: Die griechische Wirtschaft schrumpft stärker als erwartet, weil das eiserne Sparen die Rezession verschärft. Es wäre blauäugig zu glauben, dass die Schuldenkrise ausgestanden ist. "Sie kann jederzeit wieder ausbrechen, wenn sich abzeichnet, dass Griechenland oder ein anderes Land seine Schulden nicht zurückzahlen kann", sagt der Konjunkturexperte von der Allianz, Rolf Schneider. Entscheidend ist, ob die Staaten langfristig ihren Sparkurs durchhalten können. Das Schicksalsjahr dürfte erst 2011 sein. "Die Euro-Zone hat sich nur Zeit gekauft, nicht mehr und nicht weniger", sagt ein EU-Diplomat. Alles wird davon abhängen, ob die Europäer ihre Haushalte sanieren. Ohne härtere Strafen geht das nicht - da sind sich Europas Politiker einig. In einem gemeinsamen Brief mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy an Brüssel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eine "Ausdehnung der Überwachung" und "wirksamere Sanktionen im Rahmen des Defizitverfahrens" befürwortet.Streit ist programmiertNun macht sich Brüssel also daran, den schweren Geburtsfehler des Euro zu beseitigen, das Fehlen einer gemeinsamen Finanzpolitik. Der Stabilitätspakt soll gestärkt und Defizitsünder sollen härter bestraft werden - zum Beispiel könnte Brüssel Gelder aus europäischen Agrar- oder Regionaltöpfen streichen. "Wir müssen unsere Zähne schärfen", sagt EU-Währungskommissar Olli Rehn. Gesetzesvorschläge will er im September vorlegen.Streit ist da programmiert. Deutschland fordert ein internationales Insolvenzrecht für Staaten, damit überschuldete Länder und ihre Gläubiger einen geordneten Neustart regeln können. Auch der Entzug des Stimmrechts im Europäischen Rat und eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild in den nationalen Verfassungen liegen auf dem Tisch. Dafür müsste aber der EU-Vertrag geändert werden. Potenziell von der Pleite bedrohte Länder dürften dagegen Sturm laufen. Spätestens in drei Jahren schlägt die Stunde der Wahrheit. Dann läuft der Euro-Rettungsfonds aus. "Wenn es keinen Finanztransfer gibt, wird der Fonds am 30. Juni 2013 schließen", betont der Chef der Finanzgesellschaft Regling. Bessert sich die Lage der Euro-Staaten bis dahin nicht, könnten Länder wieder Ziel spekulativer Attacken werden. Erst wenn die Rettungsmaßnahmen auslaufen, wird wirklich über die Zukunft der Euro-Zone entschieden.Volumen: Insgesamt umfasst der Rettungsschirm 750 Milliarden Euro. Zwei Drittel der Summe entfallen auf Europa. So kann der Notfallfonds mit den Garantien der Euro-Länder im Rücken bis zu 440 Milliarden Euro an Krediten gewähren. Weitere 60 Milliarden Euro werden über Garantien auf den EU-Haushalt abgesichert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) steuert 250 Milliarden Euro bei. Wieviel Geld im Notfall aus welchem Topf kommt, soll jeweils im Einzelfall beschlossen werden.Verwaltung: Der Fonds wird von einer Zweckgesellschaft nach Luxemburger Recht verwaltet, die den Namen European Financial Stability Facility (EFSF) trägt. An ihrer Spitze steht der Deutsche Klaus Regling. Die Finanzgesellschaft nimmt im Bedarfsfall die notwendigen Kreditsummen an den Kapitalmärkten auf und reicht sie an das bedürftige Land weiter.Auflagen: Wer Hilfsgelder aus dem Fonds in Anspruch nimmt, muss sich einer harten wirtschafts- und haushaltspolitischen Kontrolle unterwerfen. An der Überwachung ist auch der IWF beteiligt.Vorbild Griechenland: Die Griechenland-Hilfe war die Blaupause für das Notfallpaket — mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Eurostaaten Athen mit bilateralen Krediten beisprangen. Ob einem Land aus dem Euro-Rettungsschirm Kredit gewährt werden kann, entscheiden die Euro-Länder und der IWF.Bankenrettung: Falls ein Staat - wie in der weltweiten Finanzkrise geschehen - seine Banken retten oder verstaatlichen muss und dadurch an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten würde, könnte er sich an die Zweckgesellschaft EFSF wenden. Auch in diesem Fall müsste sich das bedürftige Land jedoch harten Reformauflagen unterwerfen. dpaMeinung

Die Mühen kommen noch

 Eine Zeit lang sah es trüb aus für den Euro. Inzwischen hat sich die Lage stabilisiert, doch ganz verzogen haben sich die dunklen Wolken noch nicht. Foto: dpa

Eine Zeit lang sah es trüb aus für den Euro. Inzwischen hat sich die Lage stabilisiert, doch ganz verzogen haben sich die dunklen Wolken noch nicht. Foto: dpa

Von SZ-RedakteurLothar Warscheid Es ist fast so, als wäre nichts gewesen. Der Rettungsschirm, den die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds (IWF) über ihre Gemeinschaftswährung gespannt haben, bleibt bislang trocken. Außerdem hat der Euro in den vergangenen 100 Tagen gegenüber dem Dollar wieder kräftig an Wert gewonnen - also alles im Lot? Keineswegs! Denn die Euro-Länder müssen sich jetzt der mühsamen Arbeit unterziehen, ihre aus den Schulden-Fugen geratenen Haushalte zu konsolidieren, ohne dabei die zarte Pflanze des Aufschwungs zu zertreten. Außerdem muss Brüssel finanzielle Folterwerkzeuge in die Hand bekommen, die es den Defizit-Sündern vergällen, mehr Schulden als erlaubt aufzunehmen. Das wird ein hartes Ringen. Aber daran führt kein Weg vorbei.

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