Lafontaines Rückzug Ein politisches Beben, das bis heute wirkt

Saarbrücken · Vor 20 Jahren trat Oskar Lafontaine ohne Vorwarnung als SPD-Chef und Finanzminister zurück. Der Bruch mit der Partei treibt den Saarländer heute noch um.

 Kurz nach seinem Rücktritt von allen Ämtern zeigte sich Oskar Lafontaine im März 1999 mit seinem Sohn Carl-Maurice auf der Terasse seines Hauses in Saarbrücken. Sagen wollte er nichts. Dafür bekamen die ausharrenden Journalisten den saarländischen Edelbrand „Hundsärsch“ ausgeschenkt.

Kurz nach seinem Rücktritt von allen Ämtern zeigte sich Oskar Lafontaine im März 1999 mit seinem Sohn Carl-Maurice auf der Terasse seines Hauses in Saarbrücken. Sagen wollte er nichts. Dafür bekamen die ausharrenden Journalisten den saarländischen Edelbrand „Hundsärsch“ ausgeschenkt.

Foto: dpa/Werner Baum

Oskar Lafontaine ist immer noch kämpferisch. Vor allem wenn er auf bestimmte Themen zu sprechen kommt, wird der 75-Jährige energisch: „Wer für soziale Gerechtigkeit, die Erhaltung des Friedens und der Umwelt eintritt, kann nicht plötzlich aufhören, sich für diese Ziele einzusetzen“, sagt der Saarländer. Deswegen habe er am 11. März 1999 auch nicht anders gekonnt: bei seinem spektakulären Rücktritt als SPD-Vorsitzender und Bundesfinanzminister, bei seinem Verzicht auf das Bundestagsmandat.

Die rot-grüne Koalition im Bund war damals erst wenige Monate im Amt. Lafontaine lag mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Streit über einen bevorstehenden Einsatz von Nato-Truppen in Jugoslawien und über die Sozial- und Wirtschaftspolitik. „Es war eine längerfristig sich anbahnende Entscheidung, die ich dann getroffen habe, als der Bundeskanzler in der Bild-Zeitung verlauten ließ, er könne meine an der Schaffung von Arbeitsplätzen und an einer gerechteren Verteilung orientierte Wirtschaftspolitik nicht mehr mittragen.“

Ein politisches Beben in Bonn war damals die Folge, Nach- und Nebenwirkungen hat die Entscheidung noch heute. Zwei Jahrzehnte später treibt das Datum ihn immer noch um. „Es war sicherlich die Entscheidung in meinem politischen Leben, die mich am stärksten belastet hat“, sagt Lafontaine, seit 2009 Vorsitzender der Landtagsfraktion der Linken im Saarland.

„Ich habe mir oft die Frage gestellt, ob der Rücktritt vom Parteivorsitz und die Niederlegung des Bundestagsmandats richtig waren“, sagt er. „Aber das sind letztendlich Fragen, die nicht mehr weiterführen, denn die Entscheidungen wurden ja getroffen.“ Auch darüber, ob der Austritt aus der SPD 2005 richtig gewesen sei, habe er später oft nachgegrübelt. Und über die Frage, ob er Möglichkeiten gehabt hätte, die Partei auf einen linkeren Kurs zu bringen.

Am Rücktritt als Bundesfinanzminister habe er aber nie gezweifelt. „Denn innerhalb der Regierung konnte ich nicht mehr bleiben, da die Kriegsbeteiligung und die Übernahme der Wirtschaftspolitik der Arbeitgeberverbände nichts mehr mit der Politik zu tun hatte, für die die SPD 1998 gewählt wurde.“ 2005 wechselte Lafontaine von der SPD zur „Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit“ (WASG), von 2007 bis 2010 war er Parteivorsitzender der neu gegründeten Partei Die Linke. Dann zog er sich aus gesundheitlichen Gründen aus der Bundespolitik zurück. Der Physiker ist in vierter Ehe mit der Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht (49), verheiratet. Sie wohnen in Merzig.

Nach dem Bruch vom 11. März 1999 ist Lafontaine in Teilen der SPD zur Unperson geworden. An Kritik mangelte es nicht. Parteienforscher Uwe Jun von der Universität Trier sagt, mit dem Rücktritt Lafontaines sei „der gesamte linke Flügel der SPD paralysiert“ worden. Die Gefolgsleute Schröders hätten sich daher viel einfacher durchsetzen können: „Lafontaine hat der Partei damit sicherlich keinen Gefallen getan, Schröder kampflos das Feld zu überlassen.“ Er habe der SPD noch weniger einen Gefallen getan, als er die WASG und die Linkspartei unterstützt habe.

Das sieht Lafontaine anders: „Ich wollte immer eine soziale Mehrheit im Deutschen Bundestag.“ Auch die linke Sammlungsbewegung „Aufstehen“, die er vor gut einem halben Jahr mitgegründet hat, steht in diesem Zusammenhang. Er habe sich immer bemüht, die „mit der Agenda 2010 und der Kriegsbeteiligung eingeleitete Fehlentwicklung wieder zu korrigieren“. Dieser Versuch habe aber kaum Erfolg gehabt. „Ich wollte immer eine starke linke Volkspartei.“

Mit Schröder, sagt Lafontaine, habe er seit März 1999 keinen Kontakt mehr gehabt. „Es gab kein Gespräch nach meinem Rücktritt.“ Im Interview mit der Zeitung Bild am Sonntag sagt Lafontaine aber auch, dass er eine Aussprache mit dem Altkanzler nicht kategorisch ausschließt: „Ich verweigere mich grundsätzlich keinem Gespräch.“ Die Entscheidung für den Rückzug sei damals bei ihm mit einer „tiefen Enttäuschung“ verbunden gewesen. Aber: „Das Leben in der Politik ist eine Achterbahn, rauf und runter.“

(dpa)
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