Der Preis war zu heiß Hoher Anspruch, illustre Namen Wenn der Preisträger plötzlich zum Problem wird

Berlin. Peinlicher hätte es kaum laufen können: Unmittelbar nach Absage der Quadriga-Preisverleihung an Wladimir Putin starten heute in Hannover die zweitägigen deutsch-russischen Regierungskonsultationen. Nach den Querelen um die unglückliche Jury-Entscheidung sind beide Seiten um Schadensbegrenzung bemüht

 Wladimir Putin Foto: dpa

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Berlin. Peinlicher hätte es kaum laufen können: Unmittelbar nach Absage der Quadriga-Preisverleihung an Wladimir Putin starten heute in Hannover die zweitägigen deutsch-russischen Regierungskonsultationen. Nach den Querelen um die unglückliche Jury-Entscheidung sind beide Seiten um Schadensbegrenzung bemüht. Das deutsch-russische Verhältnis und vor allem die florierenden Wirtschaftsbeziehungen sollen darunter nicht leiden - wird in Berlin wie in Moskau gleichermaßen versichert.Denn schließlich ist es für beide Seiten seit Jahren ein Milliardengeschäft. Die Bundesrepublik zählt zu den bedeutendsten Handelspartnern Russlands. Deutlich mehr Waren fließen aus Russland nach Deutschland als ungekehrt - allen voran Energie. Die angestrebte und nicht unumstrittene Kooperation zwischen dem russischen Energieriesen Gazprom und dem deutschen Marktführer RWE dürfte bei den Gesprächen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew ebenfalls eine Rolle spielen.

Und die deutsche Wirtschaft hofft weiter auf gewaltige Chancen bei der Modernisierung veralteter russischer Betriebe. Zuvor sollen die Regierungen bürokratische Hemmnisse aus den Weg räumen. "Das deutsch-russische Verhältnis ist grundsätzlich von gegenseitigen Interessen geprägt. Seine Strukturen sind gefestigt", urteilt der außenpolitische Sprecher der SPD, Rolf Mützenich. Gleichwohl bezeichnet er Ankündigung wie Absage der Preisverleihung an Putin durch die Quadriga-Jury als "peinlich" und als "komische Nummer". Mützenich: "Da hätten einige früher denken müssen." So entschied das Kuratorium des Vereins Werkstatt Deutschland in einer Notfallsitzung, Putin nun doch nicht "für seine Verdienste für die Verlässlichkeit und Stabilität der deutsch-russischen Beziehungen" zu ehren.

Wie Mützenich erwartet auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, keine größeren Irritationen im Verhältnis der beiden Staaten. Auch in Moskau versucht man, den Ball flach zu halten. Putins Sprecher Dmitri Peskow beteuert, dass die Absage keinen Einfluss auf die deutsch-russischen Beziehungen haben werde. "Das hat damit gar nichts zu tun", sagte er. Und auch der Deutschland-Experte Wladislaw Below vom Europainstitut der Akademie der Wissenschaften in Moskau versichert: "Die Beziehungen sind fest und gut."

Doch es bleibt das Thema Menschenrechte: Polenz sieht das pragmatisch. Die deutsche Kritik an den mangelhaften rechtsstaatlichen Verhältnissen in Russland würde schließlich bei allen bilateralen Regierungskonsultationen zur Sprache gebracht - ohne dass das gute Verhältnis der Länder bisher darunter gelitten habe.

Nach Ausweitung der China-Geschäfte und den Spekulationen um den Panzerexport nach Saudi-Arabien haben die Querelen um die Preisvergabe die Kanzlerin dennoch in eine schwierige Situation gebracht - wenn ihre Mahnung nach Einhaltung der Menschenrechte bei den Gesprächen in Hannover mehr sein soll als nur ein Routine-Appell.

Für den Wissenschaftler Below bedeutet die Absage vor allen einen Gesichtsverlust für den russischen Regierungschef. "Für Putin ist das ein Affront, sein Image wird dadurch beschädigt." Und: "Kritik an Putin ist sicher berechtigt, aber sie muss sachlich sein." Wer Putin auszeichnen wolle, müsse im Voraus wissen, worauf er sich einlasse - hier habe der Quadriga-Verein versagt.Berlin. Innerhalb weniger Tage war der Chor der Kritiker gegen einen Preis für Russlands autoritären Ministerpräsidenten Wladimir Putin mächtig angeschwollen. Als am Ende noch der renommierte Bürgerrechtler Vaclav Havel mit der Rückgabe seiner Ehrung drohte, war der Druck zu groß: Die "Quadriga 2011" wird nicht vergeben. Das alles ist kein Einzelfall. Immer wieder gibt es bei der Auswahl von Preisträgern Probleme. Manchmal ist die Person einfach ein Missgriff, weil Taten oder Äußerungen nicht zum Anliegen der Preisgeber passen.

In schlechter Erinnerung ist noch das Hickhack um den Hessischen Kulturpreis 2009. Der muslimische Schriftsteller Navid Kermani sollte für seine Verdienste um den Dialog der Religionen geehrt werden. Doch dagegen regte sich heftiger Widerstand von katholischer und evangelischer Kirche. Ihnen missfiel ein Artikel Kermanis über das Symbol des Kreuzes. Das ganze gipfelte in der Aberkennung des Preises - die aber drei Monate später, nach Einlenken aller Seiten, wieder zurückgenommen wurde.

Auch die Vergabe des Bundesverdienstkreuzes 2009 an die israelische Anwältin Felicia Langer war von Kritik überschattet. Sie setzte sich für die Rechte von Palästinensern in den von Israel besetzten Gebieten ein. Ihre Ehrung stieß gerade auch in Deutschland auf Ablehnung. Der jüdische Autor Ralph Giordano etwa bezeichnete die Trägerin des Alternativen Nobelpreises als die "schrillste Anti-Israel-Fanfare in Deutschland". Langer bekam das Verdienstkreuz trotzdem.

2002 endete die Vergabe der Louise-Schröder-Medaille mit einem Eklat: Die frühere Berliner CDU-Politikerin Hanna-Renate Laurien gab die Ehrung für Verdienste von Frauen um Demokratie und Frieden zurück, um damit gegen die Auszeichnung der linken Autorin Daniela Dahn zu protestieren. Daraufhin sagte Rita Süssmuth die geplante Laudatio ab. Auch im Kulturbereich geht manche Ehrung schief: 2006 sollte Peter Handke den Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf bekommen. Doch seine Pro-Serbien-Haltung missfiel vielen Stadträten. Handke verzichtete - er wolle sich nicht weiter "Pöbeleien" von Lokalpolitikern aussetzen. dpa

Berlin. In den Reihen der Träger des Quadriga-Preises finden sich Staatsmänner, Künstler und Bürgerrechtler. Seit 2003 wurde der nicht dotierte Preis jedes Jahr am Tag der deutschen Einheit vergeben. Der Preis soll nach Angaben des Quadriga-Vereins jährlich vier Persönlichkeiten und Projekte ehren, "deren Denken und Handeln auf Werte baut". Zu den bisher ausgezeichneten Persönlichkeiten zählen Helmut Kohl und Gerhard Schröder, Michail Gorbatschow, Vaclav Havel, Shimon Peres und Recep Tayyip Erdogan. Mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai findet sich auch mindestens ein umstrittener Preisträger auf der Liste der Geehrten.

2010 ging einer der Preise an den inzwischen zurückgetretenen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Weitere Preisträger der vergangenen Jahre waren die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley, Königin Silvia von Schweden, die Sänger Peter Gabriel und Marius Müller-Westernhagen, das Magazin "Der Spiegel" und das Internetportal "Wikipedia".

Dem Kuratorium, das bei der Auswahl der Preisträger "beraten und helfen" soll, gehören unter anderem Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), Außenstaatssekretär Wolf-Ruthart Born, die Historikerin Margarita Mathiopoulos und Serbiens Präsident Boris Tadic an. Zwei Kuratoriumsmitglieder - Grünen-Chef Cem Özdemir und der Heidelberger Historiker Edgar Wolfrum - hatten ihre Mitgliedschaft aus Protest gegen die geplante Ehrung von Wladimir Putin niedergelegt. afp

"Für Putin

ist das ein Affront, sein Image wird dadurch beschädigt."

Der Moskauer Deutschland-Experte Wladislaw Below

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