Der Papst sagt leise Servus

Der Papst harrt an diesem bedeutenden Morgen mit starrem, freundlichem Blick der Dinge. Ihm gegenüber wird Cappuccino getrunken und werden süße Hörnchen verspeist. Löffel klappern gegen das Porzellan der Tassen auf dem Tresen. Neben dem Foto Benedikts prangen Francesco Totti und ein Ferrari. Totti ist der bekannteste Fußballer der Stadt Rom und Benedetto hier nur eines von vielen Maskottchen

 Das war's: Benedikt tritt nach der letzten Audienz als Papst ab. Von nun an lebt er zurückgezogen in einem Kloster im Vatikan. Foto: Kappeler/dpa

Das war's: Benedikt tritt nach der letzten Audienz als Papst ab. Von nun an lebt er zurückgezogen in einem Kloster im Vatikan. Foto: Kappeler/dpa

Der Papst harrt an diesem bedeutenden Morgen mit starrem, freundlichem Blick der Dinge. Ihm gegenüber wird Cappuccino getrunken und werden süße Hörnchen verspeist. Löffel klappern gegen das Porzellan der Tassen auf dem Tresen. Neben dem Foto Benedikts prangen Francesco Totti und ein Ferrari. Totti ist der bekannteste Fußballer der Stadt Rom und Benedetto hier nur eines von vielen Maskottchen. Sein Konterfei hängt an der Pinnwand hinter der Kaffeemaschine in der Bar "Il Postiglione" gleich in der Nähe des Vatikans. "Boh", sagt Barmann Luca, wenn man ihn auf den Abschied des Papstes anspricht, "es gibt ja bald einen neuen."

Viele Römer, vielleicht überhaupt viele Menschen auf der Welt lässt der öffentliche Abschied des 85 Jahre alten Papstes aus Deutschland eher kalt. Nicht aber diejenigen, die an diesem strahlenden Sonnenvormittag in Rom zum Petersplatz strömen. Priester im Talar sind unter ihnen, Ordensschwestern und vor allem Tausende einfache Pilger aus der ganzen Welt. Fast 200 000 Menschen sind zur letzten Generalaudienz des Papstes gekommen, die wegen des großen Andrangs von der Audienzhalle auf den Petersplatz verlegt wurde.

Ein Kardinal aus Afrika eilt vom Gebäude der Glaubenskongregation in Richtung der Kolonnaden Berninis, ein Kamerateam hält ihn auf. Die einzigen Worte, die man als Passant aus dem Mund des Afrikaners aufschnappen kann, sind "man of faith", Mann des Glaubens. Ob der Kardinal mit seinen Worten Benedikt oder dessen Nachfolger meint, ist nicht klar. Aber es ist sehr deutlich, dass an diesem Tag nicht nur Abschied von Papst Benedikt gefeiert wird, sondern dass Joseph Ratzinger mit seinem Rücktritt bei vielen auch ein Gemisch aus Fragen, Spekulation und Unsicherheit ausgelöst hat.

Manche auf dem Petersplatz zur Schau gestellte Transparente klingen so, als müssten sich die Gläubigen selbst Mut zusprechen in diesen für den Gang der Kirche ausgesprochen unsicheren Zeiten. "Wir fühlen uns nicht verlassen, sondern gestärkt", lautet ein Schriftzug. "Die Unbefleckte wird siegen", ein anderer. Natürlich liest man auch viele Dankesbotschaften "Herzlichen Dank Heiliger Vater". Das bayerische Pilgerbüro hat blau-weiße Fähnchen verteilt mit der Aufschrift "Alles Gute Papst Benedikt". Eine Frau, die auf einen der Renaissancebrunnen auf dem Platz geklettert ist, schwenkt das Fähnchen voller Begeisterung im Wind. "Er war ein großartiger Lehrer des Glaubens", sagt Gonzalo Rebollo, Priester aus Mexiko. Eine Signora mit Sonnenbrille behauptet: "Der Rücktritt hat Benedikt erst richtig menschlich gemacht."

Eigentlich suchen die Gläubigen in Gott und der Kirche Halt. Aber wenn nicht alles täuscht, dann können auch der Papst, das vor dem Petersdom versammelte Kardinalskollegium und die zerstrittene Kurie alle diese Getreuen auf dem Petersplatz gut gebrauchen. Kurz nach 10.30 Uhr ertönt laute Orgelmusik, das Papamobil fährt von der Piazza dei Protomartiti Romani auf den Petersplatz vor. "Viva il papa!", ruft ein Jugendlicher.

Der Papst, stehend und ganz in weiß, hält sich mit der Linken fest, auf den Videoleinwänden ist sein gebeugter Rücken zu sehen. Wie immer fährt das Papamobil die Reihen der Pilger in einem festgelegten Kurs im Schritttempo ab. Mit Benedikt bewegen sich auch der Applaus der Gläubigen und ihr Jubel wie in langsamen Wellenbewegungen über den Platz. Ab und zu hält das Papamobil an, das knappe Dutzend Leibwächter bleibt stehen. Erzbischof Georg Gänswein reicht dem Papst ein Kind, das ihm über die Absperrungen hinweg entgegengestreckt wird. Joseph Ratzinger, für die meisten ist er an diesem Vormittag vor allem ein weißer Punkt in weiter Ferne, küsst es auf den Kopf. "Danke, ich danke euch von Herzen", sind die ersten Worte Benedikts, als er seinen Platz unter dem großen Baldachin vor Sankt Peter eingenommen hat. Der deutsche Papst, dessen Emotionen nicht immer leicht zu entziffern sind, freut sich jetzt. Er erwähnt sogar das gute Wetter und sagt mit Blick auf die Massen: "Die Kirche ist lebendig." Die Menge jubelt. In seiner Ansprache blickt Benedikt auch auf sein acht Jahre dauerndes Pontifikat zurück. Es habe schwierige Momente gegeben. "Ein Papst scheint allein, aber er ist nicht allein bei der Ausführung des Petrusamtes", sagt Benedikt. "Mein Wunsch ist, dass alle die Freude spüren, wie schön es ist, ein Christ zu sein." Seine Stimme klingt trotz der Verstärkung über die Lautsprecher schwach. Wenn Benedikt eine Stärke hatte, dann war es wohl weniger die Form, sondern eher der Inhalt. Hier nimmt ein leiser Papst Abschied.

 Das war's: Benedikt tritt nach der letzten Audienz als Papst ab. Von nun an lebt er zurückgezogen in einem Kloster im Vatikan. Foto: Kappeler/dpa

Das war's: Benedikt tritt nach der letzten Audienz als Papst ab. Von nun an lebt er zurückgezogen in einem Kloster im Vatikan. Foto: Kappeler/dpa

Und dann ist es soweit. Die Audienz ist zu Ende. Der Papst tritt ab. Und die Menge verlässt den Petersplatz. Nur wenige verharren vor dem Petersdom. Einer von ihnen ist Rainer Heer. Er ist mit seiner Familie extra aus Göppingen gekommen. "Ich wollte zeigen, dass wir diesen Mann gern haben", sagt der Pilger. Er möge Benedikts "Bescheidenheit, Schüchternheit und Unbeholfenheit" und, dass diesem Papst "jeder monarchische Gestus" gefehlt habe. Doch das spielt keine Rolle mehr. Denn heute um 17 Uhr wird der Papst an Bord eines Hubschraubers den Vatikan in Richtung Castel Gandolfo verlassen.

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