Franziskus in Kolumbien Der Papst im Land des fragilen Friedens

BOGOTA (dpa) Noch nie war ein Papst hier, wo so viel Blut sinnlos vergossen worden ist. Als Franziskus am Freitag mit einer Maschine der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca in Villavicencio, rund 75 Kilometer südöstlich von Bogotá einschwebt, stehen bereits seit Stunden Hunderttausende Menschen im Regen auf einem Feld, um mit ihm die Messe zu feiern. Darunter rund 6000 Opfer des blutigen Konfliktes, der Kolumbien seit 1964 im Griff hatte. Seine Botschaft ist klar: Aussöhnung statt Rache, Worte statt Waffen.

BOGOTA (dpa) Noch nie war ein Papst hier, wo so viel Blut sinnlos vergossen worden ist. Als Franziskus am Freitag mit einer Maschine der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca in Villavicencio, rund 75 Kilometer südöstlich von Bogotá einschwebt, stehen bereits seit Stunden Hunderttausende Menschen im Regen auf einem Feld, um mit ihm die Messe zu feiern. Darunter rund 6000 Opfer des blutigen Konfliktes, der Kolumbien seit 1964 im Griff hatte. Seine Botschaft ist klar: Aussöhnung statt Rache, Worte statt Waffen.

In der Region Villavicencio kämpfte die linke Farc-Guerilla gegen rechte Paramilitärs, es passt zu dieser Friedensmission des Papstes, dass auf dem Flugzeug steht: #ViajeDeEsperanza; „Reise der Hoffnung“. Menschen fallen auf die Knie, als Franziskus mit dem Papamobil vorbeifährt.

Diese Reise ist voll von Symbolik, in Zeiten weltweiter Krisen ist Kolumbien ein leuchtendes Positivbeispiel. Bei der Messe am Tag zuvor in Bogotá kamen 1,3 Millionen Menschen, es ertönte ein lautes Halleluja durch den Parque Bolívar – ein Halleluja auch auf einen Friedensprozess, den der Vatikan mit Kräften unterstützt hat. Es ist auch ein politischer Erfolg des Papstes. Er umarmt Opfer des Krieges, die Leibwächter kommen immer wieder ins Schwitzen. Franziskus-Figuren, Franziskus-Shirts und besonders Franziskus-Regencapes finden großen Absatz. Menschen an den Straßen, so weit das Auge reicht. Kolumbien ist im Papstfieber – was wird davon bleiben? Der Vatikan hat die fast vierjährigen Verhandlungen mit der Farc-Guerilla unterstützt, die in einen umstrittenen Friedensvertrag mündeten. Dieser fiel beim Volk in einem Referendum 2016 durch. Nach kosmetischen Änderungen wurde er vom Kongress gebilligt, das Volk wurde nicht mehr gefragt.

Präsident Juan Manuel Santos muss mit dem Vorwurf leben, das Ganze wegen des Friedensnobelpreises so durchgezogen zu haben. Für ihn ist dieser Papstbesuch ein Segen. Franziskus betont: „Jesus fordert uns auf, Erbauer des Friedens, Förderer des Lebens zu sein.“ Er mahnt, in der Anstrengung nicht nachzulassen. Was aber umstritten ist: Die für so viel Leid verantwortlichen Ex-Guerilleros bekommen eine Unterstützung von rund 250 US-Dollar im Monat und müssen auch für schwere Verbrechen nur mit acht Jahren Freiheitsstrafe rechnen.

Hinzu kommt, dass der neuen Farc-Partei bis 2026 zehn Kongresssitze garantiert werden – die Steuerzahler müssen mehrere Millionen Dollar Diäten bezahlen. Gerade Priester auf dem Land sind es, die Täter und Opfer versöhnen müssen, sie tragen eine große Last dieses weltweit gelobten Prozesses. Und mit kirchlicher Unterstützung kündigte kurz vor der Ankunft des Papstes auch die letzte Guerillagruppe ELN eine Waffenruhe an.

Doch der Staat schafft es bisher nur unzureichend, mit Schulen, Hospitälern, mehr Polizei und einer Verbesserung der Infrastruktur die früheren Farc-Gebiete unter seine Kontrolle zu bringen. Weil der Staat vielerorts lange nicht präsent war, konnten sich die kriminellen Gruppen so massiv ausbreiten – noch immer kommt das mit Abstand meiste Kokain aus Kolumbien. Das birgt die Gefahr, dass andere Banden das Geschäft übernehmen. Der Frieden ist ein fragiler. Santos betont, die Waffen würden nun eingeschmolzen, tausende weitere Tote seien durch den Friedenschluss bereits vermieden worden.

Es ist ungewöhnlich, auch Verteidigungsminister Luis Carlos Villegas nimmt Stellung zur Bedeutung dieser historischen Visite in dem Land, das nach 220 000 Toten und über sechs Millionen Vertriebenen einen Neubeginn wagt. „Ich glaube, dass der Besuch das nationale Friedensgefühl gestärkt hat“, sagt er.

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