Der neue Nachbar stößt auf Missfallen

New York. Zu "Ground Zero" wäre es nur ein kurzer Fußweg. Doch dieser Ausflug ist für Dominique Strauss-Kahn, den tief gefallenen früheren IWF-Chef, derzeit keine Option. Nicht nur wegen der Scharen an Medienvertretern, die vor dem Gebäude mit der Hausnummer 71 am Broadway in Lower Manhattan nahe der Wall Street Position bezogen haben

New York. Zu "Ground Zero" wäre es nur ein kurzer Fußweg. Doch dieser Ausflug ist für Dominique Strauss-Kahn, den tief gefallenen früheren IWF-Chef, derzeit keine Option. Nicht nur wegen der Scharen an Medienvertretern, die vor dem Gebäude mit der Hausnummer 71 am Broadway in Lower Manhattan nahe der Wall Street Position bezogen haben. Die Hausarrest-Bedingungen sehen schließlich für den auf Kaution freigelassen 62-jährigen Millionär vor, lediglich für Gerichtstermine, Arztbesuche und einen Synagogenbesuch das Apartment verlassen zu können - und dies nur mit Voranmeldung bei der Staatsanwaltschaft.Die Odyssee durch Manhattan ist dabei für den der sexuellen Nötigung und versuchten Vergewaltigung eines Zimmermädchens angeklagten Politiker noch nicht zu Ende. Hatten am Freitag Proteste der Mitbewohner im noblen "Bristol Plaza" dafür gesorgt, dass das zunächst von seiner Frau Anne Sinclair dort für 14 000 US-Dollar pro Monat angemietete Penthouse wieder gekündigt und somit die Freilassung von "DSK" mehrere Stunden verzögert wurde, so ist die derzeitige Broadway-Bleibe - im Besitz des Wachkonzerns, der auch ein Entweichen Strauss-Kahns nach Frankreich verhindern soll - nur temporär. Spätestens Mitte dieser Woche soll ein endgültiges Quartier gefunden sein, bis der Strafprozess beginnt. Doch die bisherigen Reaktionen der New Yorker zeigen, dass "DSK" für viele nicht der nette neue Nachbar ist, von dem man schon mal eine Tasse Zucker borgen könnte.

"Dieser Mann ist böse", zitiert beispielsweise die "New York Post" die 31-jährige Joanie Adler, die ebenfalls ein Apartment in dem 21-Stockwerke-Prachtbau bewohnt, in dem Mieten für die kleinsten Ein-Zimmer-Apartments bei umgerechnet 3000 Euro pro Monat beginnen. "Wenn andere Stadtteile ihn nicht wollen, warum sollen wir ihn dann nehmen?", fragt Adler angesichts des Widerstandes, den Strauss-Kahn zuvor in Upper Manhattan erfahren hatte. Auch der in dem Haus ansässige Rechtsanwalt Alex Holland hat eine klare Meinung zu dem Franzosen: "Er gehört in den Knast und nicht hier hin. Wir brauchen den Trubel nicht." Einen Vorteil hat die derzeitige Unterbringung allerdings für die Sicherheitsbehörden: Die Wohnung liegt im sogenannten Ring of Steel, der Terrorschutzzone von Ground Zero. Tausende von Videokameras überwachen dort neben Fußstreifen das öffentliche Geschehen rund um die Uhr. "Ein deutlicher Abstieg im Vergleich zum Bristol Plaza", kommentierte die "New York Times" dieses Quartier.

Doch nicht alle Mitbewohner zeigen sich gegenüber Strauss-Kahn so reserviert. "Er ist o.k." zitiert die "Post" den 26-jährigen Andrew Auernheimer, der Strauss-Kahn auf dem vierten Stock des Hauses getroffen und mit ihm geredet haben will. Er habe "DSK" mit seinen Bewachern auf dem Gang gesehen, ihn gleich in einen Gemeinschaftsraum eingeladen und anderen Mietern vorgestellt. Strauss-Kahn werde vorverurteilt, glaubt Auernheimer. "Ich bin mir sicher, dass mehr zu dieser Story gehört, als wir wissen." Aus seinen Sympathien macht der junge Mann auch aus einem anderen Grund keinen Hehl. "Wir sitzen doch in einem Boot." Denn Auernheimer ist ein in den USA populärer Computer-Hacker, der kürzlich die Daten von 120 000 iPad-Nutzern entwendet haben soll - und nun, freigelassen nach einer Kautionszahlung von 50 000 US-Dollar, auf seinen Prozess wartet.

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