Richter ordnen Fahrverbote an Der nächste Schlag für den Diesel

Aachen · Ein Gericht ordnet an, dass Aachen ein Fahrverbot vorbereiten muss. Das Urteil könnte Maßstab für 27 weitere Verfahren sein.

Zuerst Hamburg. Und bald nun auch ein Diesel-Bann in Aachen? Wahrscheinlich, meint das Verwaltungsgericht. Die Stadtverwaltung und das Land Nordrhein-Westfalen müssen ein Diesel-Fahrverbot vorbereiten, entschied die zuständige Kammer am Freitag. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte das Land NRW auf Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte verklagt. Das Urteil, gegen das allerdings Berufung eingelegt werden kann, bezeichnete die Organisation als richtungsweisend. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch rechnet in anderen Städten mit vergleichbaren Urteilen. Denn Aachen ist nur der Anfang: Die DUH hat in 27 weiteren Städten Klage auf Einhaltung der Grenzwerte eingereicht (siehe Grafik) und schließt weitere Verfahren nicht aus. Fahrverbote sind dabei aus Sicht der Organisation das wirksamste Mittel.

In ihrer Urteilsbegründung meinten die Aachener Richter sinngemäß: Die Stadt und das Land NRW hatten seit der Einführung der EU-Grenzwerte 2010 genug Zeit, um wirksame Maßnahmen gegen zu schlechte Luft umzusetzen. Es dauere einfach zu lange, bis das Ziel vielleicht 2025 erreicht werde.  Deshalb muss jetzt bis Ende 2018 ein Verbot ausgearbeitet werden – auf Grundlage einer Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Das hatte Diesel-Fahrverbote grundsätzlich zugelassen, allerdings bei Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Anfang Januar 2019 soll der Aachener Diesel-Bann in Kraft treten, falls sich bis dahin keine gleichwertige Alternativlösung ergibt. „Das kann ich mir aber nicht vorstellen“, sagte Richter Peter Roitzheim.

Die Stadt Aachen und das Land NRW zeigten sich am Freitag wenig begeistert: „Wir sind enttäuscht, weil unsere bisherigen Anstrengungen nicht berücksichtigt wurden“, sagte der Aachener Oberbürgermeister Marcel Philipp (CDU). Stadt und Land NRW setzen ihre Hoffnungen auf eine Wirkungsanalyse. Damit soll berechnet werden, wie sich ihre Maßnahmen im Vergleich zu einem Fahrverbot auf die Schadstoffbelastung auswirken.

Bundesweit ist die Haltung der Kommunen ähnlich ablehnend wie in Aachen: „Die Städte wollen keine Fahrverbote“, heißt es beim Deutschen Städtetag. Trotzdem hat vor kurzem Hamburg die ersten Beschränkungen für Diesel in Kraft gesetzt. Auch andere Kommunen denken darüber nach, wie der Städte- und Gemeindebund beobachtet: Im Kern werde es wahrscheinlich auf bis zu 20 hinauslaufen – darunter Düsseldorf, Köln und Stuttgart.

Der Städtetag sieht den eigentlichen Schlüssel im Kampf für saubere Luft jedoch woanders: Mit dem Aachener Urteil steige der Druck auf die Autoindustrie, ihren Widerstand gegen Hardware-Nachrüstungen für ältere Dieselwagen aufzugeben, meinte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Helmut Dedy: „Es ist lange bekannt, dass Städte mit zu hohen Stickoxid-Werten mit ihren Maßnahmen das Problem abmildern, aber nicht lösen können.“ Die Bundesregierung müsse die Autobauer zu Hardware-Nachrüstungen verpflichten. Und als Verursacher müssten diese das dann auch finanzieren.

Auch die DUH kritisierte die Autokonzerne scharf: Die Hersteller hätten „über zehn Millionen Diesel-Pkw mit auf der Straße nicht funktionstüchtiger Abgasreinigungstechnik verkauft“. Das Urteil sei nach Ansicht von Resch aber auch eine „schallende Ohrfeige“ für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Die Bundesregierung müsse die technische Nachrüstung der Betrugsdiesel auf Kosten der Hersteller endlich durchsetzen.

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