Vor 50 Jahren starb Robert F. Kennedy Der Mord an einem Hoffnungsträger erschütterte die USA

Washington · Vor 50 Jahren wurde Präsidentschaftskandidat Robert F. Kennedy erschossen – nicht einmal fünf Jahre nach seinem Bruder John F. Kennedy.

 Ein undatiertes Foto von Robert Francis Kennedy.

Ein undatiertes Foto von Robert Francis Kennedy.

Foto: dpa/A0001 UPI

„Jetzt auf nach Chicago und lasst uns auch dort gewinnen.“ Es ist der 5. Juni 1968, ein Dienstag, kurz nach Mitternacht. Robert Francis Kennedy, 42 Jahre alt, kurz RFK genannt, hat die Vorwahlen der Demokraten in Kalifornien gewonnen. Nicht nur im Hotel Ambassador in Los Angeles, wo er seine Siegesrede hält, schöpfen seine Anhänger Hoffnung. Kennedy, spät an den Start gegangen, könnte es tatsächlich schaffen, das Kandidatenrennen seiner Partei zu gewinnen. Im herbstlichen Finale könnte er den Republikaner Richard Nixon bezwingen, um im Winter ins Weiße Haus einzuziehen – gut fünf Jahre nach dem Mord an seinem Bruder, dem US-Präsidenten John F. Kennedy. Als Fans von RFK noch jubeln, wird auch er ermordet.

Um Zeit zu sparen, läuft Kennedy durch die Hotelküche, bevor er in einem Séparée mit Reportern reden will. Plötzlich fallen Schüsse. Drei, so steht es später im Polizeibericht, treffen den Senator in Kopf und Nacken. Vor Gericht wird sich Sirhan Bishara Sirhan, ein 24-jähiger aus Jordanien eingewanderter Palästinenser, schuldig bekennen, obwohl er mehrfach erklärt hatte, er könne sich an nichts erinnern. Ob es tatsächlich Sirhan war, der den Finger am Abzug der Tatwaffe hatte, ist bis heute umstritten. Kennedys Sohn Robert jr. etwa ist fest davon überzeugt, dass es einen zweiten Schützen gegeben haben muss. Denn die Kugeln seien von hinten abgefeuert worden, aus nächster Nähe. Sirhan dagegen, gaben Augenzeugen zu Protokoll, stand vor Kennedy, ungefähr zwei Meter von ihm entfernt.

Robert Kennedy, ruft genau fünf Jahrzehnte später dessen Redenschreiber Jeff Greenfield in Erinnerung, sei „eine Investition in die Hoffnung“ gewesen. In die Hoffnung, dass er, erst einmal ins höchste Staatsamt gewählt, den Krieg in Vietnam beenden und sein eigenes, zerrissenes Land einen würde. „Er glaubte an die Menschen“, sagt einer seiner Enkel, der Kongressabgeordnete Joseph Kennedy III. Auch in den Verelendeten, an den Rand Gedrängten habe er das Potential zur Veränderung der Welt gesehen.

Der Privilegierte aus betuchter Familie, Mitte der Sechziger reist er in die Armenhäuser der Republik, in die Appalachen, zu Landarbeitern in Mississippi, in die Indianerreservate der Prärie. „Die Farbe blättert, im Keller stinkt es, die Lehrer nennen dich Nigger, und das Fenster fällt dir irgendwann auf den Kopf“, zitiert er aus dem Brief eines College-Absolventen, der an einer Ghetto-Schule unterrichtet. Dieses andere Amerika, fasst Kennedy seine Beobachtungen zusammen, „erinnert uns höchstens dann an seine Existenz, wenn eine Stadt infolge der verzweifelten Taten geschlagener Männer explodiert“.

Am 4. April 1968, dem Tag, an dem der Prediger Martin Luther King erschossen wird, macht RFK Wahlkampf im Mittleren Westen. Gegen den Rat des örtlichen Sheriffs fährt er in Indianapolis in ein Viertel, in dem mehrheitlich Afroamerikaner leben. Er stellt sich auf die Ladefläche eines Schwerlasttransporters und hält eine improvisierte Rede. Seinen schwarzen Zuhörern, die nun der Versuchung erliegen könnten, alle Weißen zu hassen, allen Weißen zu misstrauen, könne er nur sagen: „In meinem Herzen fühle ich dasselbe“. „Ich hatte ein Familienmitglied, das getötet wurde, doch getötet wurde es von einem weißen Mann.“ Was Amerika brauche, seien nicht Spaltung, Hass, Gewalt und Gesetzlosigkeit, sondern Liebe, Weisheit, Mitgefühl „und ein Gefühl der Gerechtigkeit gegenüber denen, die noch immer leiden, seien es Weiße oder Schwarze“. Während in anderen US-Großstädten Geschäfte in Flammen aufgehen, bleibt Indianapolis in der Nacht des 4. April 1968 von Unruhen verschont. Es ist ein Moment, in dem der Name Kennedy für einen Hoffnungsschimmer steht. Kurz zuvor hatte er seine Kandidatur fürs Oval Office erklärt, noch ehe Lyndon B. Johnson, der von ihm inbrünstig gehasste Parteifreund im Weißen Haus, auf eine neuerliche Bewerbung verzichtete.

Zum Hoffnungsträger ist er allerdings erst auf Umwegen geworden. Zu Beginn seiner Karriere heuert er als Anwalt bei Joseph McCarthy an, dem Senator, dessen Hexenjagd im Kongresskomitee für unamerikanische Aktivitäten die antikommunistische Hysterie auf die Spitze trieb. Im Alter von 35 Jahren zum Justizminister im Kabinett seines Bruders befördert, findet er nichts dabei, Leute abhören zu lassen, in denen er eine Gefahr sieht – übrigens auch den Prediger King. Während die Freedom Riders in Greyhound-Bussen die Südstaaten ansteuern, Schwarze und Weiße demonstrativ gemeinsam, um gegen die Rassentrennung zu protestieren, stellt er sich zunächst gegen sie. Er zweifle an der Weisheit der Aktivisten, tadelt er. „Wir haben eine Verpflichtung gegenüber Südvietnam, die wir einhalten müssen“, rechtfertigt er die Entsendung amerikanischer Truppen, die, so sah man es damals in Washington, in Südostasien den Vormarsch des Kommunismus aufhalten sollen. Die Wandlung zum Kriegsgegner folgt erst später.

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