Katalanischer Regierungschef Der Mann, der Spanien ins Wanken bringt

Barcelona · Von Daniel Bosque

Seit seiner Kindheit träumt Carles Puigdemont von der Unabhängigkeit seiner spanischen Heimatregion Katalonien. So zielstrebig verfolgte er seinen Traum, dass er Spanien mit dem gegen den Widerstand der Zentralregierung durchgesetzten Unabhängigkeitsreferendum an den Rand einer Staatskrise brachte. Der Chef der katalanischen Regierung stieg kometenhaft vom politischen Nobody zum Schrecken eines ganzen Landes auf.

Der 54-Jährige hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er einen eigenen Staat Katalonien anstrebt. Auch dann nicht, als diese Haltung in der Region noch unpopulär war: „Viele Katalanen wurden erst als allergische Reaktion auf Madrids Politik zu Befürwortern einer Unabhängigkeit – er nicht, er hatte schon immer diese Überzeugungen“, sagt sein Freund, der Schriftsteller Antoni Puigverd.

In Puigdemonts Heimatdorf Amer, wo er am 29. Dezember 1962 als zweites von acht Kindern einer Bäckerfamilie auf die Welt kam, und in Girona, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, deren Bürgermeister er von 2011 bis 2016 war, galt er schon immer als Vorkämpfer für einen eigenen Staat Katalonien. Zu seinen Überzeugungen stand Puig­demont auch, als er 1980 der liberalen Regionalpartei CDC seines Vorgängers Artur Mas beitrat. Damals strebte die CDC lediglich eine größere Autonomie von Madrid an.

Der Bäckersohn studierte zunächst Philologie und wurde danach Journalist. 1983 überlebte er einen schweren Verkehrsunfall. Die Kopfnarben, die er davontrug, versucht er mit einer in Spanien vielkommentierten Frisur zu verdecken. Noch als Journalist reiste er 1991 nach Slowenien, um den Weg der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik in die Unabhängigkeit zu beobachten.

2015, als Bürgermeister von Girona, wurde Puigdemont Vorsitzender der Vereinigung derjenigen Gemeinden, die sich für eine Unabhängigkeit einsetzen. Anfang Januar 2016 wählte ihn das Regionalparlament dann zum neuen Regierungschef von Katalonien. Als solcher ist Puig­demont der Regierung in Madrid ein Dorn im Auge. Über Monate ignorierte er sämtliche Warnungen des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, das „illegale“ Referendum abhalten zu lassen. Am Tag der Abstimmung kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizisten und Menschen, die am Referendum teilnehmen wollten. Puigdemont selbst musste seine Stimme wegen des massiven Polizeiaufgebots in einem Ausweich-Wahllokal abgeben. Er tat es mit einer roten Nelke in der Hand.

Puigdemont gilt seiner Unabhängigkeitsagenda zum Trotz als weltoffen. Neben Spanisch und Katalanisch spricht der Rock- und Fußball-Fan Englisch, Französisch und Rumänisch – die Muttersprache seiner Frau, mit der er zwei Kinder hat.

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