Der lange Weg zum Glanz

Saarbrücken. Es wirkt es wie eine Szene aus einer Zaubershow. Rainer Ersfeld nimmt sich ein paar hellbraune Schuhe, an der Spitze dunkelbraune Flecken. Etwas farblose Schuhcreme, eine halbe Minute kräftiges Reiben: Tataa! Die Flecken sind weg. Was Ersfeld zeigt, ist aber kein fauler Zauber, es ist Teil eines Seminars über Schuhpflege in der Schuhmanufaktur Herges in Saarbrücken

 Schuhe mit Wasser zu behandeln ist für viele Teilnehmer des Seminars ungewohnt. Rudi Erdelmeier, der extra aus Worms angereist ist, geht dabei zögerlich zu Werke. Fotos: Oliver Dietze

Schuhe mit Wasser zu behandeln ist für viele Teilnehmer des Seminars ungewohnt. Rudi Erdelmeier, der extra aus Worms angereist ist, geht dabei zögerlich zu Werke. Fotos: Oliver Dietze

Saarbrücken. Es wirkt es wie eine Szene aus einer Zaubershow. Rainer Ersfeld nimmt sich ein paar hellbraune Schuhe, an der Spitze dunkelbraune Flecken. Etwas farblose Schuhcreme, eine halbe Minute kräftiges Reiben: Tataa! Die Flecken sind weg. Was Ersfeld zeigt, ist aber kein fauler Zauber, es ist Teil eines Seminars über Schuhpflege in der Schuhmanufaktur Herges in Saarbrücken.

Dass man Schuhpflege lehren muss, liegt daran, dass sie weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Auch meine Schuhe haben schon länger keine Creme mehr gesehen. Vor mir stehen sie auf dem Tisch, 15 Jahre alt, das Leder schon angegriffen, die Sohle leicht abgetreten. Nun sollen sie unter fachkundiger Hilfe richtig aufpoliert werden.

14 Teilnehmer sind nach Saarbrücken gekommen, um von Schuhprofi Reiner Ersfeld Tipps und Tricks aus der Praxis zu lernen. Viele sind Maßschuh-Kunden - oder solche, die es werden wollen. Ein Blick in die Runde zeigt, dass Schuhpflege vornehmlich Männersache ist. Auf elf Männer kommen gerade drei Frauen. "Frauen kaufen lieber neue Schuhe als zu pflegen", erklärt Ersfeld das Phänomen, das sich auch an der Verfügbarkeit brauchbarer Schuhspanner für Damenschuhe zeigt. Die haben nämlich Seltenheitswert.

Die Grundlagen der Schuhpflege finden eher am Rande statt. Wer in diesem Pflegekurs sitzt, weiß schon, dass die Tubencreme mit aufgesetztem Schwämmchen absolut tabu ist. Auch wasserlösliche Cremes und Sprays haben in der Schuhputzkiste nichts verloren - außer bei Wildlederschuhen. Wer seine Schuhe liebt, geht ihnen ausschließlich mit der guten Dosencreme ans Leder. Ebenso selbstverständlich ist der Einsatz von Schuhspannern "sofort nach dem Tragen beim noch warmen Schuh" sowie des Schuhlöffels "zum Schutz der empfindlichen Ferse". Was die Teilnehmer lernen wollen, ist die Kunst des Putzens. Rudi Erdelmeier und Doris Brand beispielsweise, beide bekennende Schuhliebhaber und extra aus Worms angereist. Sie haben ein Faible für hochwertige Schuhe - und legen Wert darauf, dass sie lange gut aussehen. Wer hier aufschlägt, ist bekennender Schuhliebhaber - oder will es zumindest werden. Anke Barge beispielsweise, die, wie sie selber sagt, leidenschaftlich gerne Schuhe trägt und auch putzt. Oder Kristina Feidt, die über 100 Schuhe hat, darunter auch zwei Paar Maßschuhe ("Die habe ich mir im Urlaub in Kroatien machen lassen, für rund 130 Euro das Paar"). Feidt hat das Seminar von ihrer Mutter zu Weihnachten geschenkt bekommen. Auch ich selbst bin schon vor langer Zeit mit dem Schuhvirus infiziert worden - durch einen Freund, der in Hamburg Maßschuhe baut. Und wer einmal von der Leidenschaft für schöne Schuhe erfasst ist, wird sie nicht mehr los. Mein liebstes Paar Schuhe beispielsweise ist aus Leder hergestellt, das 220 Jahre an Bord eines versunkenen Schiffes im Ärmelkanal gelegen hat. Solch eine Färbung kann man sich nicht erputzen.

Bei Ersfeld steht jetzt die Grundreinigung auf dem Programm. Mit der Reinigungsbürste geht es dem groben Schmutz an den Leib, dann folgen - zum Erstaunen aller Teilnehmer - reichlich Wasser und Seife. Ersfeld nimmt zur Demonstration ein paar Wildlederschuhe und wäscht sie, bis sie triefend nass sind. "Die sind hin", steht einigen Teilnehmern ins Gesicht geschrieben, doch der Spezialist beruhigt: Ausgestopft und eine Nacht an den Schnürsenkeln aufgehängt, trocknen die Schuhe durch und sind bereit für die weitere Pflege. Weil wir heute im Zeitraffer pflegen, gehen wir vorsichtiger mit einem leicht feuchten Lappen zu Werke. Zögerlich folge ich Ersfelds Rat und reibe auch das empfindliche Leder der Innenseite mit Wasser ab. Es scheint zu helfen.

Schuhprofi Ersfeld bringt jahrelange Erfahrung mit. Er hat nicht nur mehrere internationale Schuhmarken in Deutschlands Regale gebracht und einen Vertrieb für eine Edel-Schuhcreme aufgebaut, sondern auch einen Schuhputz-Service gegründet, der - unter anderem am Frankfurter Flughafen - Schuhe auf Hochglanz bringt. Ein Blick in seinen Schuhputzkoffer zeigt seine Liebe zum Schuh. Rund zehn verschiedene Cremedosen müssen dort Platz finden - ebenso wie die doppelte Menge an Bürsten, einige Lappen und Öle. Aus verschiedenen Cremes dürfen wir uns nun die passende Farbe auswählen. Immer einen Tick dunkler als der Schuh sollte sie sein, doch damit ist es nicht getan. Wer interessante Effekte erzielen will kombiniert mehrere Farben, cremt braune Schuhe auch mal rot und schwarz. Für meinen schwarzen Schuh empfiehlt Ersfeld beispielsweise eine blaue Creme.

Die Entscheidung zwischen Lappen und Bürste ist Glaubenssache. Ich entscheide mich klassisch für einen Lappen. Um die schmutzigen Finger in Grenzen zu halten, empfiehlt Ersfeld, ihn doppelt um den Finger zu wickeln. Möglich ist auch der Einsatz dünner Latex-Handschuhe. Für die Kante zwischen Oberleder und Sohle hat Ersfeld eine Zahnbürste im Koffer. Der Tipp ist hervorragend. Zum ersten Mal gelingt es, auch diese Stellen ordentlich mit Creme zu versorgen. Doch nicht nur die cremen wir, auch der Unterseite rücken wir mit Creme und - etwas später - mit Sohlenöl zu Leibe.

Mir gegenüber sitzt Eckhard Altenkirch, Unternehmensberater und Maßschuh-Wiederholungstäter. Den Ausschlag für sein erstes Paar Schuhe gab die Erkenntnis, dass viele Männer zwar teure Anzüge aber schlechtes Schuhwerk tragen.

Während Juniorchef Johannes Herges neben mir noch immer liebevoll einen von ihm selbst gebauten Schuh cremt, widme ich mich bereits dem Bürsten. Idealerweise hätte mein Schuh jetzt einen Tag gestanden, doch jetzt muss eine kürzere Einziehzeit reichen. Für die erste Politur empfiehlt Ersfeld eine Rosshaarbürste. Mit kurzen kräftigen Schwüngen gilt es nun, überschüssige Creme wegzubürsten und die Oberfläche zu glätten. Schon nach wenigen Schwüngen beginnt mein Schuh zu glänzen. Selbstredend bekommt auch die Sohle ein paar Schwünge ab.

Für den richtigen Glanz allerdings reicht das Pferdehaar nicht aus: Hier empfiehlt Ersfeld eine Ziegen- oder Yakhaar-Bürste. Ihre weichen Haare beseitigen auch die letzten Cremestreifen und bringen die Schuhe richtig zum Strahlen. Mit etwas Creme auf einem feuchten Lappen und viel Druck wird nun auch noch der Absatz auf Hochglanz gebracht.

 Reiner Ersfeld (l.) demonstriert Eckhard Altenkirch die richtige Grundreinigung.

Reiner Ersfeld (l.) demonstriert Eckhard Altenkirch die richtige Grundreinigung.

 Ersfeld empfieht eine Auswahl von Cremes und Bürsten.

Ersfeld empfieht eine Auswahl von Cremes und Bürsten.

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