Der lange Marsch der SPD zur "Realität" Schuldenbremse

Saarbrücken. Heiko Maas hat sich entschieden. Der SPD-Chef sieht nur die Möglichkeit einer großen Koalition bei der anstehenden Landtagswahl, weil die Linke die Schuldenbremse nicht akzeptiere. Doch die Uneinigkeit von SPD und Linkspartei in dieser Frage ist ein durchaus neues Phänomen

 Heiko Maas hat sich entschieden: "Wer sich wie Lafontaine der Schuldenbremse total verweigert, ist nicht regierungsfähig." Foto: Dietze/dpa

Heiko Maas hat sich entschieden: "Wer sich wie Lafontaine der Schuldenbremse total verweigert, ist nicht regierungsfähig." Foto: Dietze/dpa

Saarbrücken. Heiko Maas hat sich entschieden. Der SPD-Chef sieht nur die Möglichkeit einer großen Koalition bei der anstehenden Landtagswahl, weil die Linke die Schuldenbremse nicht akzeptiere. Doch die Uneinigkeit von SPD und Linkspartei in dieser Frage ist ein durchaus neues Phänomen.Daher lohnt ein Blick zurück: Anfang 2009, als die Föderalismuskommission die Schuldenbremse beschließt, sind sich beide Parteien in ihrer ablehnenden Haltung noch einig. Im Mai beschließt ein SPD-Parteitag ein Regierungsprogramm für die Landtagswahl mit etlichen Forderungen, deren Vereinbarkeit mit der Schuldenbremse zumindest strittig ist. Etwa eine Bildungsquote am Landesetat von 30 Prozent, kleinere Klassen sowie "eigenständige Landesprogramme" für eine aktive Arbeitsmarktpolitik.

Wochen später verankern Bundestag und Bundesrat die Schuldenbremse im Grundgesetz. Im Juli erklärt Maas, deren Einhaltung würde "massive Kürzungen bei Bildung, Forschung, Entwicklung, Kultur, vielen sozialen Projekten" und damit einen "Kahlschlag", mittelfristig eine Länderneugliederung nach sich ziehen.

Im August 2009 richtet unsere Zeitung an die Parteien die Frage, ob sie die Vorgaben der Schuldenbremse "auf jeden Fall einhalten werden". Darauf antworten CDU und FDP mit "Ja" und die Linke mit "Nein". SPD und Grüne machen keine klare Aussage. Die SPD beteuert, sie plane keinen Stellenabbau in der Landesverwaltung und schließt Kürzungen in den Bereichen Soziales, Kitas, Schulen und Infrastruktur-Investitionen aus. Zudem streben die Sozialdemokraten eine Gebührenfreiheit für alle Kinderbetreuungseinrichtungen an. Die Pro-Kopf-Ausgaben für Kultur sollen steigen.

Oktober 2009: Bei Sondierungsgesprächen sind sich SPD, Linke und Grüne einig, dass sie die Schuldenbremse "in der gegenwärtigen Form ablehnen". Sie begründen dies damit, dass die im Gegenzug zugesagten Zinskostenhilfen für das Saarland "nicht einmal annähernd" ausreichten, um dessen Zinsausgaben zu bedienen. Die drei Parteien pochen auf Steuermehreinnahmen sowie auf eine Altschuldenregelung. Trotz Einigkeit in dieser Frage scheitert ein rot-rot-grünes Bündnis, weil die Grünen einer "Jamaika"-Koalition den Vorzug geben.

Im August 2010 erklärt Heiko Maas: "Mit der Schuldenbremse wird das Land kaputt gespart." Zugleich kündigt er an: "Wenn wir in der Regierung wären, würden wir gegen die Schuldenbremse klagen." Drei Monate später prophezeit er, das Saarland könne nicht weiterhin jährlich 80 Millionen Euro einsparen, "ohne seine Substanz zu gefährden". Im Dezember 2010 fordert SPD-Fraktionsvize Ulrich Commerçon, in der Gemeinschaftsschule dürfe es höchstens 25 Schüler pro Klasse geben. Das aber wäre mit hohen Mehrkosten verbunden.

Im März 2011 sagt Maas: "Schuldenbremse heißt: weniger Bildung und weniger Sozialstaat." Die Schuldenbremse bringe "ärmere Länder wie das Saarland in eine existenzbedrohende Situation" und sei "in Wahrheit eine Investitions- und Wachstumsbremse". Der SPD-Chef fordert die Wiedereinführung der Vermögensteuer, um die Einnahmen der Länder zu erhöhen.

Im Juni lehnt Commerçon die Einsparvorschläge des PWC-Gutachtens bei Schulen und Hochschulen von 71 Millionen Euro rundweg ab. Aus seiner Sicht zeigt die "Sparwut" der Gutachter, dass die Schuldenbremse in Wahrheit eine "Bildungsbremse" ist. Drei Monate später fordert SPD-Mann Magnus Jung einen kommunalen Entschuldungsfonds in Höhe von 770 Millionen Euro bei einer Laufzeit von zehn Jahren. Die CDU lehnt dies unter Verweis auf die Schuldenbremse ab.

Am 25. Oktober dann die Wende: Bei einer Diskussion mit Finanzminister Peter Jacoby (CDU) erklärt Maas, die Schuldenbremse sei "im Grundgesetz verankert, und damit gilt sie für uns". Jacoby begrüßt diese Äußerung: "In puncto Schuldenbremse und Notwendigkeit von ihrer Umsetzung haben wir heute Abend erstmals Gleichklang zwischen Regierung und Opposition."

Am vergangenen Mittwoch sagt Maas im Landtag, im Falle von Neuwahlen gebe es "jetzt keine Chance für Rot-Rot in diesem Land". Er begründet dies mit der mangelnden Akzeptanz der Schuldenbremse durch die Linke. Dabei räumt er ein, die Schuldenbremse "immer sehr kritisch" gesehen zu haben. "Doch wir müssen die Realität akzeptieren." Eine Vermögensteuer sei in absehbarer Zeit nicht zu erreichen.

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