Der Kapitän erleidet Schiffbruch

München · Schock für die CSU: Jahrelang hatte er seine Ehefrau als Büromitarbeiterin beschäftigt und üppig aus der Landtags-Kasse bezahlt. Jetzt tritt Fraktionschef Georg Schmid zurück – knapp fünf Monate vor der Landtagswahl in Bayern.

Dass er so schnell so viel Wirkung erzielen würde, hätte der Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim sicher nicht gedacht: Keine zwei Wochen nach der Vorstellung des Buches "Die Selbstbediener" über den bayerischen Politikbetrieb trat gestern der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Landtag, Georg Schmid, mit sofortiger Wirkung zurück. "Die öffentliche Diskussion", schrieb Schmid in einer Erklärung, "bindet mich (...) in einem Umfang, der mir nicht mehr erlaubt, meine Arbeit an der Spitze der CSU-Fraktion so zu erfüllen, wie ich das selbst von mir erwarte." Der Mann, der mit höchster Wahrscheinlichkeit Schmid dazu drängte, nämlich Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer, bedauerte nicht, sondern lobte den Parteifreund: "Georg Schmid will mit seinem Rücktritt der CSU-Landtagsfraktion und der Staatsregierung eine lang andauernde öffentliche Diskussion ersparen."

Damit soll viereinhalb Monate vor der Landtagswahl das Feuer unter dem Dach der CSU gelöscht werden. Das ist keine Übertreibung der Medien, sondern die Einschätzung Seehofers selbst. Als bekannt wurde, dass Schmid und 16 weitere CSU-Landtagsabgeordnete immer noch Ehepartner und Kinder auf Kosten des Steuerzahlers als Mitarbeiter für ihre Abgeordnetentätigkeit beschäftigen, obwohl dies eigentlich seit 2000 untersagt ist, reagierte Seehofer alarmiert. Der Chef hänge das Thema "sehr hoch auf", berichtete ein Teilnehmer der letzten Fraktionssitzung. Die Affäre trage den "Kern einer Wahlniederlage" in sich und übersteige jedenfalls im Freistaat an Brisanz die Hoeneß-Steueraffäre, soll der CSU-Chef gewarnt haben.

Mitten im Sturm: CSU-Fraktionsvorsitzender Georg Schmid, der am vergangenen Samstag seinen 60. Geburtstag feierte. "Ein Leben, das stets fröhlich sei / und von aller Missgunst frei", wünschte ihm am Dienstagabend auf einer Geburtstagsparty ein großer Chor, bestehend aus Fraktionsmitglieder. Doch zwei Tage später kam der Absturz. Der stets umgänglich-freundliche Jurist beschäftigte 23 Jahre lang seine Ehefrau auf Staatskosten als Mitarbeiterin. Zwischen 3500 und 5500 Euro habe er ihr monatlich bezahlt, berichtete Schmid. Das sei alles "rechtens", betonte er mit dem Verweis auf eine unbefristet geltende Regel im Abgeordnetengesetz, wonach solche Altverträge mit Familienangehörigen ersten Grades fortgeführt werden können. "Nicht mehr zu rechtfertigen", meinte Seehofer, der ein gutes Gespür für die öffentliche Meinung hat.

16 andere christsoziale Abgeordnete haben bis vor Kurzem ähnliche "Familienbetriebe" geführt, aber bei Schmid schaut es ganz besonders nach Gier aus, weil es der Politiker mit Diäten und Fraktionsgeldern ohnehin schon auf mehr als 20 000 Euro im Monat brachte und die Honorierung der Ehefrau recht fürstlich ausfiel. Es handelt sich auch um eine Frage der "Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit", kommentierte der CSU-Parlamentarier Hermann Imhof die Beschäftigungsverhältnisse mit Verwandten, ohne den Fraktionschef namentlich zu nennen. Den Rücktritt Schmids nannte er "klug".

CSU-Chef Seehofer ist dem Vernehmen nach stinksauer über das Missmanagement seiner Parteifreunde im Landtag. Den ersten Fehler machte Landtagspräsidentin Barbara Stamm, die in einer Pressekonferenz die Vorwürfe von Parteienkritiker von Arnim mit Verve zurückweisen wollte, in der Frage der Beschäftigung von Familienmitgliedern aber zunächst recht unklug taktierte. Dann folgte Fraktionschef Schmid, der zwar das Vertragsverhältnis mit seiner Ehefrau beendete, aber wenig Einsehen zeigte und die "unsachliche öffentliche Diskussion" bemängelte. "Ein Problem", belehrte Seehofer intern, "wird erst durch Sekundärfehler zu einem richtigen Problem."

Schiffbruch erlitt die CSU-Fraktionsführung dann am vergangenen Mittwoch mit dem Versuch, die heiße Kartoffel "Familienbetriebe" über eine schnelle Änderung des Abgeordnetengesetzes geräuschlos und im Hauruck-Verfahren abzuräumen. Das ließ die Opposition nicht durchgehen. Jetzt muss sich die CSU auf eine blamable Gesetzesberatung im zuständigen Ausschuss und dann noch einmal am 16. Mai im Landtagsplenum einstellen, bei der sich die Opposition die Gelegenheit zu Kritik und Häme nicht entgehen lassen dürfte. Seehofer habe zwar den "Gierigsten unter den Selbstbedienern kalt gestellt", das bringe seine Partei jedoch nicht "aus der Panikzone", ließ die Grünen-Fraktionsvorsitzende Margarete Bause wissen. Jetzt sei volle Aufklärung, auch über die Bezüge der Ehefrauen von Kabinettsmitgliedern, nötig.

"Wenn Dein Ausseh'n weiter passt / und man Dir den Posten lasst, sind wir hier und feiern mit / ein Jahrzehnt mehr Georg Schmid", sangen seine Fraktionskollegen am Dienstagabend zur Melodie der "Schwäb'schein Eisenbahn". Zwei Tage später hatte es sich erledigt.

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Am randeDie Diäten für die 187 bayerischen Abgeordneten werden am 1. Juli dieses Jahres auf 7244 Euro im Monat angehoben. Zusätzlich steht ihnen eine um 68 auf 3282 Euro angehobene Kostenpauschale zur Verfügung. Daneben können die Abgeordneten Mitarbeiter zu Kosten von bis zu 7500 Euro im Monat beschäftigen. Für herausgehobene Funktionen wie den Fraktionsvorstand gewähren die Fraktionen Zuschläge in unterschiedlicher Höhe. CSU-Fraktionschef Schmid bezog für seine Tätigkeit so zusätzlich 13 746 Euro. Und damit deutlich mehr als beispielsweise die Landtagspräsidentin. rm

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