Der Held, den man Verbrecher nennt

Berlin · US-Whistleblower Edward Snowden verharrt seit 2013 im Moskauer Asyl. Washington gibt sich weiter unerbittlich und fordert seine Auslieferung. In Berlin wird heftig über den Umgang mit Snowden gestritten.

 Edward Snowden, der Whistleblower. Seine Zivilcourage hat sich bislang nicht für ihn ausgezahlt. Die USA jagen ihn. Fotos: dpa

Edward Snowden, der Whistleblower. Seine Zivilcourage hat sich bislang nicht für ihn ausgezahlt. Die USA jagen ihn. Fotos: dpa

. Es sind bemerkenswerte Sätze, die der Präsident des deutschen Verfassungsschutzes am Montag zum Besten gab. "Jetzt ist das Maß voll", sagte Hans-Georg Maaßen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Und: "Wir werden unsere Abwehr verstärken. Diese Lektion haben wir gelernt." Die Lektion, von der Maaßen spricht, hat Deutschland dem amerikanischen Whistleblower Edward Snowden zu verdanken.

Dieser Edward Snowden , 31 Jahre alt, sitzt seit nunmehr einem Jahr im Moskauer Asyl. Er wartet, dass sich irgendein westliches Land auf dieser Erde erbarmt, ihm Asyl zu gewähren. Doch dieses Warten erinnert an Godot. Weder die US-kritischen Staaten Südamerikas, noch die freiheitlichen Länder Europas haben bislang den Mut gefunden, sich dem immensen Druck der Vereinigten Staaten zu widersetzen. Weil Washington den Whistleblower zum "Verbrecher" erklärt hat und ein Exempel statuieren will, traut sich keine Regierung, Snowden Unterschlupf zu gewähren.

Dabei hätten gerade die Deutschen allen Grund, in demonstrativem Selbstbewusstsein ihre eigenen Interessen zu vertreten. Denn die Kritik des Verfassungsschutz-Präsidenten richtet sich ja nicht an irgendwen, sondern an "unsere Freunde", die USA und Großbritannien. Es bedurfte eines kleinen Spions im BND, damit sich die Bundesrepublik endlich zur Wehr setzte gegen den Überwachungswahn der Geheimdienste.

Der Grund für das Zögern liegt auf der Hand: Vor allem CDU und CSU , aber auch große Teile der SPD haben die Hosen voll, wenn sie an die Reaktion des großen Bruders aus Amerika denken. "Das Problem ist, wir brauchen sie ja" (die Amerikaner), sagte dieser Tage ein ranghoher Ministerialer unserer Zeitung. Wegen eines Herrn Snowden könne man ja nicht die transatlantische Partnerschaft in Frage stellen. Könne man doch nicht riskieren, dass die US-Geheimdienste die Schotten dicht machen und unsere eigenen Dienste "blind" im Regen stehen. Außerdem gebe es ein Auslieferungsabkommen mit den USA, da sei rechtlich nichts zu machen. Herr Snowden müsse deshalb leider in Moskau bleiben.

Dort wartet Snowden in zunehmender Ungeduld, dass etwas passiert. Gelegentlich gibt er Interviews, dem Vernehmen nach chattet er fleißig mit Freunden auf verschlüsselten Kanälen, natürlich auch mit seinen Anwälten in den USA und Deutschland. Kürzlich hat er es abgelehnt, vom NSA-Untersuchungsausschuss per Videoschaltung vernommen zu werden. Er möchte vor Ort in Berlin aussagen oder gar nicht. Ganz in diesem Sinne will die Opposition die Vorladung des 31-Jährigen nun erzwingen. Sollte die Bundesregierung die Einreise Snowdens weiter blockieren, werde man vor dem Bundesverfassungsgericht klagen, sagte der Grüne Konstantin von Notz.

Noch zockt die Koalition, sie will es darauf ankommen lassen. Die Furcht vor dem Groll der Amerikaner ist größer als der Mut, zu inneren Überzeugungen zu stehen. Im vertraulichen Gespräch geben Spitzenleute aller Parteien zwar zu, "dass wir Snowden eigentlich zu Dank verpflichtet sind". Er hat uns, sagte gestern auch Justizminister Heiko Maas in einem Interview, "die Augen geöffnet". Durch ihn hätten die Bürger weltweit "Dinge erfahren, die wir vorher nicht wussten". Dennoch rät Maas dem Whistleblower , der in der Internet-Szene weltweit als Held gefeiert wird, zur Rückkehr nach Amerika. Er wolle ja "sicher nicht für den Rest seines Lebens gejagt werden". Snowden indes verspürt wenig Neigung auf ein Leben wie in Guantanamo.

Spannend wird es nun im Herbst. Die Anhörung des US-Journalisten Glenn Greenwald, über den Snowden seine Informationen verbreitet hat, gilt im NSA-Ausschuss als beschlossene Sache. Sollte die Opposition aus Grünen und Linken auch die Anhörung Snowdens durchsetzen, quasi mit Erlaubnis des höchsten deutschen Gerichts, wäre dies ein globales Spektakel. Hoffen kann der einsame Mann im Moskauer Asyl zudem noch auf "Oslo", wo im Dezember der Friedensnobelpreis verliehen wird. Snowden ist nominiert, er hat durchaus Chancen, denn ausgezeichnet werden soll derjenige, "der im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht hat".

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