Der erste Tag beginnt wild und endet zahm

Berlin · Weniger als anderthalb Stunden hat das Auftakttreffen der 75 Verhandler von Union und SPD gedauert. Besprochen wurden Formalien, keine Inhalte. Doch ging es gestern auch mehr um die Stimmung – und die war gut.

Die Sitzung im Konrad-Adenauer-Haus beginnt mit einem "wilden Durcheinander". So schildert es ein Teilnehmer. Nachdem die Unterhändler der SPD in der CDU-Zentrale eingetrudelt sind, begrüßen sich die Delegationen im Konferenzsaal des Erdgeschosses erst einmal mit Handschlag, jeder der 30 SPD-Politiker irgendwie jeden der 45 Unionisten. Das dauert. Es ist ein großes Hallo, und das sorgt für Lockerheit. Was also "wild" um 12 Uhr beginnt, ist ganz zahm nach weniger als anderthalb Stunden schon wieder vorbei. Danach ist nur noch großkoalitionäres Essenfassen im Foyer der Christdemokraten angesagt.

Ob sie auf dem Weg in die Höhle des Löwen seien, werden die Genossen gefragt, als sie zum Auftakt der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen durch ein Spalier von Kameras und Journalisten das Hauptquartier der Wahlkampf-Konkurrenz betreten. Generalsekretär Hermann Gröhe hat extra ein Willkommensschild aufstellen lassen. Nur einer von der SPD fletscht ganz leicht die Löwenzähne - "so was ähnliches", antwortet der Parteilinke Ralf Stegner grinsend. Alle sind jedoch entspannt und unaufgeregt. "Ich bin mir ganz sicher, wir werden etwas Vorlegbares hinbekommen", erklärt der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig. Darum geht es allerdings noch nicht. Die Mitglieder der "großen Runde" von Union und SPD wollen sich bei ihrem ersten Treffen vor allem persönlich näher kommen. Auch haben die zwölf Arbeits- und vier Unterarbeitsgruppen noch nicht richtig getagt, somit noch nichts zur Beratung vorgelegt. "Wir haben deshalb die organisatorischen Dinge besprochen", so NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zu unserer Zeitung. "Es ging um den weiteren Fahrplan." Und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ergänzt auf Nachfrage: "Das war eine Runde ohne große Aufregung."

Angela Merkel eröffnet die Sitzung und begrüßt die Genossen. Sigmar Gabriel antwortet und erklärt dem Vernehmen nach: "Um das ganz klar zu sagen, das ist auf vier Jahre angelegt." Danach ergreift CSU-Chef Horst Seehofer noch kurz das Wort. Er und Merkel bekunden ebenfalls, dass sie ernsthaft und rasch den Erfolg der Verhandlungen wollen. Anschließend erläutern die Generalsekretäre Andrea Nahles (SPD), Hermann Gröhe und Alexander Dobrindt (CSU) sowie Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) und SPD-Mann Thomas Oppermann die weiteren technischen Abläufe. Die fünf bilden die sogenannte Steuerungsgruppe, die als Verbindungsglied zwischen den Arbeitsgruppen und der 75-köpfigen Runde fungieren soll. Erläutert wird, dass neben der großen Runde noch eine 15-köpfige kleinere installiert wird, die Streitfragen klärt, aber auch Beschlüsse der Arbeitsgruppen auf ihre Machbarkeit prüft. Darüber rangiert dann nur noch die Runde der Parteivorsitzenden, die eingreift, "wenn's gar nicht mehr weitergeht", so SPD-Frau Barbara Hendricks.

Beim Essen außerhalb des Konferenzsaals wird das Treffen zwanglos beendet. Es gibt Kartoffelsuppe, Würstchen, Fleisch- und Gemüsespieße. An den Stehtischen bilden sich parteiübergreifend kleine Grüppchen. "Das war ein guter Start", sagt CDU-General Gröhe danach. Nahles ergänzt, man wolle "zügig, aber ohne Hast" verhandeln. Zehn Treffen der großen Runde sind nun vorerst geplant, das letzte soll am 27. November sein. Danach folgen zwei Wochen Mitgliederbefragung der SPD. Kurz vor Weihnachten, um den 17. Dezember herum, könnte schließlich Kanzlerinnen-Wahl sein.

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