Der erste Partei-Chef war ein Spitzel
Berlin · Nach dem ersten mutigen Schritt – der Gründung der Sozialdemokratischen Partei in der DDR – gab es vor allem Zoff und auch Fehler. Mit den Auswirkungen hat die SPD im Osten noch heute zu kämpfen.
Es gehörte schon Mut dazu, dass 43 Männer und Frauen am 7. Oktober 1989 die Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP) gründeten - während in Ost-Berlin der 40. Geburtstag der DDR gefeiert wurde. Dumm nur, dass der erste Vorsitzende Ibrahim Böhme ein Stasi-Spitzel war. So war der DDR-Geheimdienst bestens im Bild. Verhaftet wurde erstaunlicher Weise niemand.
Bis heute sind die Sozialdemokraten aus dem Osten stolz, dass sie einen anderen Weg als die CDU gegangen sind, die sich in der DDR als Blockpartei gleichschalten ließ. Allerdings konnte die Ost-CDU nach der Wende dadurch viel schneller schlagkräftige Strukturen schaffen, während die neue SDP keine SED-Mitglieder aufnehmen wollte - ein historischer Fehler, wenn man die heutige strukturelle Schwäche der SPD in Ostdeutschland sieht? Zumindest wurde so wohl die Chance verpasst, eine Reihe gemäßigter SED-Leute zu gewinnen - und die Linke wäre heute möglicherweise nicht so stark im Osten.
Die Wendezeit gehört sicher nicht zu den Sternstunden der Bundes-SPD. Erst wurde die SDP nur zaghaft unterstützt, nach dem Mauerfall gab es eine Reihe von Fehleinschätzungen. Über die Frage, ob die Ost-Genossen im Frühjahr 1990 in ein Regierungsbündnis unter Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU ) eintreten sollten, gab es heftigen Streit mit den Parteifreunden aus dem Westen, mit denen man sich im September 1990 zur gesamtdeutschen SPD vereinigte. Letztlich kam es zur Koalition in der DDR .
Weiteren Dissens gab es bei der von der Ost-SPD befürworteten schnellen Einführung der D-Mark, der sich vor allem Oskar Lafontaine massiv widersetzte. Er fürchtete, die Einführung werde zu "ungeheuren Kosten und sozialpolitischen Verwerfungen" führen. SPD-Chef Hans-Jochen Vogel stand deshalb vor der Frage, ob er den Kanzlerkandidaten austauschen müsse. Lafontaine habe die Nicht-Einführung der D-Mark in der DDR als Bedingung seiner Kandidatur verstanden, berichtet Vogel. Kanzler Helmut Kohl (CDU ) brauchte die Stimmen der SPD im Bundesrat für Staatsvertrag und Währungsunion, letztlich gab es eine Teil-Zustimmung.
Die Quittung für den uneinigen Kurs erhielt die SPD im Dezember 1990, als sie bei der Bundestagswahl mit 33,5 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1957 einfuhr. Machtpolitisch wurde die SPD zur Verliererin der Einheit, Kohl regierte noch acht Jahre.