Der Endspurt in den Elysée-Palast ist eingeläutet

Paris. Die Zuversicht war ihm ins Gesicht geschrieben. Und doch legte François Hollande auch nach der ersten großen Etappe eines langen Wahlkampf-Marathons die ihm eigene Vorsicht nicht ab

 Der sozialistische Kandidat François Hollande winkt lächelnd, nachdem er in dem Städtchen Tulle gewählt hat. Dort war er lange Bürgermeister. Foto: Blumberg/dpa

Der sozialistische Kandidat François Hollande winkt lächelnd, nachdem er in dem Städtchen Tulle gewählt hat. Dort war er lange Bürgermeister. Foto: Blumberg/dpa

Paris. Die Zuversicht war ihm ins Gesicht geschrieben. Und doch legte François Hollande auch nach der ersten großen Etappe eines langen Wahlkampf-Marathons die ihm eigene Vorsicht nicht ab. Er sei gespannt, aber vor allem habe er Respekt, erklärte der Favorit der französischen Präsidentschaftswahlen im Städtchen Tulle, wo er lange Bürgermeister war und seinen Wahlschein in die Urne gleiten ließ. "Es sind die Franzosen, die entscheiden." François sei ziemlich gelassen, verriet seine Partnerin, die Journalistin Valérie Trierweiler. "Aber ich bin hyper-gestresst."Dabei war das laut ersten Hochrechnungen gar nicht nötig. Dem Umfrageinstitut Ipsos zufolge erhielt Hollande 28,4 Prozent der Stimmen, Amtsinhaber Nicolas Sarkozy lag bei 25,5 Prozent, dahinter die Rechtspopulistin Marine Le Pen mit 20,0 Prozent. Das bestätigte die Umfragen, die den Sozialisten Hollande seit Monaten vor dem konservativen Sarkozy sahen und beide als Finalisten in der Stichwahl am 6. Mai. Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon erreichte laut Ipsos 11,7 Prozent, der Zentrumspolitiker François Bayrou 8,5. Bei der befürchteten Stimmenthaltung hatten sich die Meinungsforscher hingegen getäuscht: Die Wahlbeteiligung lag mit rund 80 Prozent höher als erwartet, wenn auch niedriger als vor fünf Jahren, als Sarkozy gegen Hollandes frühere Lebensgefährtin Ségolène Royal antrat.

Von der damaligen Aufbruchstimmung war in diesem Wahlkampf wenig zu spüren. Sarkozy hat nicht nur an Schwung eingebüßt, sondern auch an Beliebtheit. Es habe sich um eine Kampagne "neun gegen einen" gehandelt, klagte er - die anderen neun Kandidaten hätten die Wahl zu einem Referendum gegen ihn gemacht. Dennoch gab er sich bei der Stimmabgabe an der Seite seiner Frau Carla Bruni im schicken 16. Stadtbezirk von Paris heiter und entspannt. Während er sich zunächst mit einer Erklärung zurückhielt, versicherte sein Parteichef Jean-François Copé, er habe eine "unerhörte Begeisterung" bei Wahlkampfauftritten gespürt. So wie Hollande zur "nützlichen Wahl" schon beim ersten Gang aufgerufen hatte, so setzte auch der Präsident auf ein möglichst gutes Resultat, um vor dem entscheidenden Stechen endlich die Dynamik zu entfachen, für die er die ganzen Wochen der Kampagne vergebens gekämpft hatte.

Einen Strich durch die Rechnung gemacht hat ihm Marine Le Pen, die Kandidatin des Front National, die nach einer erfolgreichen Kandidatur etabliert in der Parteienlandschaft scheint und gestärkt in die Parlamentswahlen im Juni geht. "Ihr werdet mich noch 40 Jahre am Hals haben", kündigte sie bereits an. Während sich die Grünen mit ihrer überforderten Kandidatin Eva Joly selbst in die politische Bedeutungslosigkeit katapultiert hatten, mauserte sich der charismatische Linkspolitiker Mélenchon zur Überraschung dieses Wahlkampfes. Bei seinen Auftritten von einigen Anhängern durchaus als "Utopist" erkannt, weckte er Begeisterung mit seinen Visionen nach einer radikalen Umverteilung und einem noch stärkeren Sozialstaat.

Dagegen kam trotz der ökonomisch schwierigen Lage des hoch verschuldeten Frankreich die "Kampagne der Wahrheit", also eines Sparprogramms, die der Zentrumspolitiker Bayrou führte, kaum an. Dennoch erwarten Beobachter nun eine Trendwende: Traditionell bemühen sich vor dem zweiten Wahlgang die beiden Endgegner um eine Öffnung zur Mitte hin, nachdem vorher polarisiert wurde, um die Kandidaten der extremen Ränder klein zu halten. Im Lager des Präsidenten fielen bereits Angebote an Bayrou für das Amt des Regierungschefs, der sich noch nicht geäußert hat, ob er eine Empfehlung abgeben wird.

Allerdings müssen vor einer Postenverteilung ohnehin die Parlamentswahlen im Juni abgewartet werden. Eine Annäherung an Bayrou, der als einziger Kandidat radikaleres Haushalten forderte, würde die Kandidaten zu Lösungsvorschlägen für die Probleme zwingen, die die Franzosen am meisten beunruhigen: die hohe Arbeitslosigkeit, die gesunkene Kaufkraft, die Deindustrialisierung. Bislang wogen diese Themen gering. Die entscheidende Frage lautet, wer dieses Frankreich im Wirtschafts- und Stimmungstief wieder aufrichten kann. Bei der Konfrontation von Hollande und Sarkozy beim Fernseh-Duell zwischen beiden Wahlgängen werden daher Spitzen-Einschaltquoten erwartet. Denn die entscheidende Phase des Wahlkampfes beginnt erst.

Hintergrund

Im Gegensatz zum deutschen Bundeskanzler wird der französische Staatspräsident direkt vom Volk bestimmt. Dabei muss ein Kandidat die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreichen - also mehr als 50 Prozent. Wenn kein Kandidat dies im ersten Wahlgang schafft, kommt es in einem zweiten Wahlgang zur Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen. Dies war bislang bei allen Präsidentenwahlen der Fall.

Die nächsten Etappen der Präsidentenwahl:

25. April: Frist für die Veröffentlichung des offiziellen Endergebnisses der ersten Wahlrunde durch den Verfassungsrat

27. April: Offizielle Bekanntgabe der beiden Kandidaten für die Stichwahl

6. Mai: Zweite Runde der Präsidentenwahl

11. Mai: Datum, bis zu dem voraussichtlich das offizielle Endergebnis der Präsidentenwahl veröffentlicht wird

15. Mai: Um Mitternacht endet die Amtszeit von Nicolas Sarkozy. Voraussichtlich auch Datum der Amtseinführung des neuen Präsidenten

10. Juni: Erste Runde der Wahl zur ersten Parlamentskammer (Nationalversammlung)

 Auch in unserer direkten Nachbarschaft gingen die Menschen zur Urne, so wie hier in Schoeneck an der Grenze. Foto: Becker & Bredel

Auch in unserer direkten Nachbarschaft gingen die Menschen zur Urne, so wie hier in Schoeneck an der Grenze. Foto: Becker & Bredel

 Der sozialistische Kandidat François Hollande winkt lächelnd, nachdem er in dem Städtchen Tulle gewählt hat. Dort war er lange Bürgermeister. Foto: Blumberg/dpa

Der sozialistische Kandidat François Hollande winkt lächelnd, nachdem er in dem Städtchen Tulle gewählt hat. Dort war er lange Bürgermeister. Foto: Blumberg/dpa

 Auch in unserer Nachbarschaft gingen die Menschen zur Urne, so wie hier in Schoeneck an der Grenze. Foto: Becker & Bredel

Auch in unserer Nachbarschaft gingen die Menschen zur Urne, so wie hier in Schoeneck an der Grenze. Foto: Becker & Bredel

17. Juni: Zweite Runde der Wahl zur ersten Parlamentskammer. dpa

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