Der emsige Kultusminister und sein umstrittener Doktorhut

Hannover. Bernd Althusmann gilt in Hannover als ein besonders gründlicher, umsichtiger und geschickter Minister. Im Kreis von Ministerpräsident David McAllister ist der 45-Jährige längst ein Kronprinz. Sollte der Regierungschef irgendwann nach Berlin gerufen werden, könnte Althusmann die Nachfolge am besten übernehmen, heißt es bei Anhängern und Gegnern in Hannover

Hannover. Bernd Althusmann gilt in Hannover als ein besonders gründlicher, umsichtiger und geschickter Minister. Im Kreis von Ministerpräsident David McAllister ist der 45-Jährige längst ein Kronprinz. Sollte der Regierungschef irgendwann nach Berlin gerufen werden, könnte Althusmann die Nachfolge am besten übernehmen, heißt es bei Anhängern und Gegnern in Hannover. Doch seit Anfang Juli verdunkelt ein Schatten die starke Ausstrahlung des Kultusministers: Er hat in seiner 2007 abgeschlossenen Doktorarbeit offenkundig über weite Strecken zitiert, ohne die wörtliche Übernahme korrekt zu kennzeichnen. Ist das nun ein Plagiat wie im Fall Guttenberg? Oder nur schlichte Schlamperei?Zwei Umstände machen die Angelegenheit für McAllister, dessen CDU/FDP-Koalition bisher geräuschlos und relativ harmonisch lief, durchaus problematisch. Erstens ist Althusmann gegenwärtig Vorsitzender der Kultusministerkonferenz - also jenes Gremiums, dem im Wissenschaftsbetrieb eine Vorbildfunktion zufällt. Kann jemand, der in seiner Doktorarbeit zumindest oberflächlich gearbeitet hat, diese Autorität noch verkörpern? Das bezweifeln viele, deshalb kommen aus den Reihen der SPD schon die ersten Rücktrittsforderungen.

Zweitens macht die Stärke, die Althusmann bisher ausstrahlte, ihn jetzt besonders angreifbar. Sollte es gelingen, den allseits geschätzten Kultusminister zu stürzen, wäre der Schaden für die Regierung McAllister enorm. Dem 40-jährigen Ministerpräsidenten wäre nicht nur der fähigste Ressortchef genommen, er wäre damit auch persönlich beschädigt. Dies wiegt umso schwerer, als sich Niedersachsen gegenwärtig sowieso schon in einer Art Wahlkampfstimmung befindet. Am 11. September werden die Kommunalvertretungen und etliche Landräte und Bürgermeister neu gewählt. Die CDU von McAllister muss ihre Rolle als Nummer eins verteidigen, was angesichts des bundesweiten Höhenflugs von SPD und Grünen schwer fallen dürfte. Wenn die Wahlresultate feststehen, ist es bis zur nächsten Landtagswahl Anfang 2013 nicht mehr lang hin. Schon kräftig wird darüber spekuliert, wer denn auf SPD-Seite der Herausforderer für McAllister werden könnte - ein sichtbares Zeichen dafür also, dass die Landespolitik sich bereits auf die Wahlen ausrichtet.

Die CDU schart sich gegenwärtig nicht nur deshalb um Althusmann, weil der Wahlkampf bevorsteht und die Reihen geschlossen werden müssen. Zwei Dinge werden dem Minister intern hoch angerechnet. Zum einen hat er, als die Wochenzeitung "Die Zeit" über seinen Fall berichtete, Fehler eingestanden und Versäumnisse bei seiner Doktorarbeit eingeräumt. Er trat schuldbewusst und nachdenklich auf, verzichtete auf jeden Angriff gegen seine Kritiker. Zum anderen wiegen die Vorwürfe gegen Althusmann längst nicht so schwer wie etwa die gegen zu Guttenberg. Der Kultusminister hat nicht korrekt zitiert, er übernahm an mehreren Stellen längere Zitate aus wissenschaftlichen Arbeiten, machte diese aber nicht mit An- und Abführungszeichen kenntlich, sondern erwähnte in der Fußnote "vgl." (vergleiche). Dies kann den Eindruck erweckt haben, es habe sich um seine, Althusmanns, Formulierungen gehandelt - und der Vergleich verweise lediglich auf eine ähnliche Einschätzung von anderen. Tatsächlich aber hatte Althusmann die Gedanken der anderen Autoren komplett übernommen. Geschah das nun in der Absicht zu täuschen - oder war es nur eine schludirige Arbeitsweise? Diese Frage muss nun die Universität Potsdam beantworten, die in Kürze zu dem Fall Stellung nehmen will. Vom Urteil der Universität hängt das Schicksal des Ministers wohl stark ab. Falls er seinen Doktortitel einbüßen sollte, wäre die Weiterarbeit als Kultusminister zwar nicht ausgeschlossen - aber schwierig. Sollte ihm die Universität eine bewusste Täuschung unterstellen, so könnte der Minister mit diesem Vorwurf wohl kaum seine politische Arbeit ungestört fortsetzen.

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